Sitzung vom 10. ſie befinden ſich in der größten Notlage, und hier iſt es am meiſten Pflicht der Allgemeinheit, einzugreifen. Und auch abgeſehen hiervon ſind die geſamten Ergebniſſe, die bisher mit der Arbeitsloſenverſtche⸗ rung in den einzelnen Gemeinden erzielt worden ſind, außerordentlich zweifelhafter Art. Sie werden viel⸗ leicht vor einigen Wochen den Bericht des ſtädtiſchen Arbeitsnachweiſes in Schöneberg geleſen haben, einen Bericht, der das Beſtreben hat, die Erfolge der Schöneberger Einrichtung durchaus nicht etwa zu ver⸗ decken, der aber doch zu dem Schluſſe kommt, daß erſtens mangels eines Verſicherungszwanges ſich eine allgemeine Verſicherung ſtädtiſcherſeits nicht durch⸗ führen läßt, daß zweitens aber die Arbeitsloſen⸗ verſicherung für einen kleinen Kompler wie Schöne⸗ berg innerhalb des geſamten großen Wirtſchafts⸗ kompleres von Groß⸗Berlin, wie der Bericht ſich wörtlich ausdrückt, nur „Stückwerk“ iſt und ſein kann. Der Weg, der hier beſchritten werden muß — ich habe das vorhin ſchon geſagt — iſt in erſter Linie der der Reichsgeſetzgebung. Aber ſolange das nicht er⸗ folgt, müſſen wir darauf hinarbeiten, daß wenigſtens die Gemeinden Groß⸗Berlins ſich hierüber einigen. Sie wiſſen, daß der Magiſtrat von Neukölln eine An⸗ regung dieſer Art an den Zweckverband hat gelangen laſſen, eine Anregung, die, wie ſchon in der Oeffent⸗ lichkeit klargeſtellt worden iſt, einen direkten Erfolg nicht haben kann, weil dieſe Frage nicht zur Zuſtän⸗ digkeit des Zweckverbandes gehört. Immerhin iſt da⸗ mit der mittelbare Erfolg erzielt worden, daß die Stadt Berlin ihrerſeits eine Erörterung der Angele⸗ genheit innerhalb der Groß⸗Berliner Gemeinden ein⸗ ſchließlich der Landkreiſe in Ausſicht genommen und eine Konferenz der kommunalen Vertreter auf den 13. dieſes Monats eingeladen hat. Ich hoffe, daß in dieſer Konferenz die Berliner Gemeinden einen Weg ſuchen und vielleicht auch eine Löſung finden werden, ein Ergebnis, das ich mit auf⸗ richtiger Freude begrüßen würde, ein Ergebnis, das meines Erachtens auch groß und wichtig genug wäre, um ſelbſt über gewiſſe prinzipielle Bedenken nach der einen oder anderen Seite dann hinwegzugehen. Ich erwarte eine Erklärung des Herrn Bürgermeiſters darüber, ob unſere Gemeinde der Einladung nach dem Rathauſe folgen wird, und ich bin überzeugt, daß der Herr Bürgermeiſter auch die Zuſicherung geben wird, daß unſere Vertreter auf der Konferenz das Mög⸗ lichſte tun werden, um in dem angedeuteten Sinne zu wirken. (Bravol) Meine Herren, ich komme nun zu dem Antrage der Herren von der vereinigten alten Fraktion. Die⸗ ſer Antrag zerfällt in zwei Teile. Es wird zunächſt gewünſcht, daß wir für Notſtandsarbeiten eine be⸗ ſtimmte Summe in Höhe von 50 000 ℳ auswerfen. Ich habe eine Erklärung meiner Fraktion hierüber nicht abzugeben, da der Antrag erſt heute zu unſerer Kenntnis gelangt iſt. Ich glaube aber, in Ueberein⸗ ſtimmung mit meinen Freunden ſagen zu können, daß wir natürlich der Meinung ſind, daß Notſtands⸗ arbeiten nach Bedarf vorgenommen werden können und ſollen, und daß meine Fraktion die dafür er⸗ forderlichen Ausgaben in jeder notwendigen Höhe be⸗ willigen wird. Aber, meine Herren, wir ſind nicht ſewillt, heute eine beſtimmte Summe vorher feſtzu⸗ etzen, weil es durchaus nicht üblich iſt, daß wir be⸗ ſtimmte Summen für Ausgaben auswerfen, ehe der September 1913 329 Magiſtrat ſeinerſeits die Forderung erhebt, und es ſich im gegenwärtigen Augenblick auch nicht überſehen läßt, in welcher Höhe dieſe Ausgaben gemacht werden. Es genügt meines Erachtens vollſtändig, wenn wir — und das iſt ja immer der Fall geweſen — darüber einig ſind, daß ſolche Ausgaben gemacht werden können und ſollen, und daß wir bereit ſind, die Kon⸗ ſequenzen daraus zu ziehen. (Sehr richtig!) Der zweite Teil des Antrages, den Herr Kollege Dr Stadthagen namens ſeiner Fraktion geſtellt hat, bezieht ſich auf Wünſche, die von unſeren Vertretern bei der Erörterung im Berliner Rathaus geäußert werden ſollen. Ich möchte zunächſt allgemein be⸗ merken, daß es ſich hier um Detailfragen handelt, die nicht geeignet ſind, ſo gewiſſermaßen aus dem Hand⸗ gelenk entſchieden zu werden. (Sehr richtig!) Außerdem ſcheint mir von dieſen beiden Detailfragen die eine, nämlich die Forderung an die preußiſche Staatsregierung, Maßnahmen gegen den Aufenthalt ausländiſcher Arbeiter im Inlande zu treffen, nicht nur einer näheren Erörterung, ſondern auch einer ſehr, ſehr kritiſchen Prüfung bedürftig. (Sehr richtig!) Wir dürfen nicht im Hinblick auf einen Sonderfall einen Beſchluß faſſen, der nach anderen Richtungen hin die größten Bedenken hat, (Sehr richtig!) und nicht, um eine aktuelle Notlage zu mildern, eine Anregung bieten, die von weittragender Bedeutung und von dauerndem Nachteil für unſere deutſche In⸗ duſtrie ſein kann. (Sehr richtig!) Seit vielen Jahren iſt die Induſtrie bemüht, die rigoroſe Behandlung ausländiſcher Arbeiter ſeitens ſtaatlicher Regierungen zu mildern und zu verhin⸗ dern, daß dieſe Arbeiter ausgewieſen werden, und die Staatsregierungen haben erfreulicherweiſe den Forderungen, die dieſerhalb im Parlament des öfteren vertreten worden ſind, Gehör geſchenkt. Eine Auf⸗ forderung, nun plötzlich im entgegengeſetzten Sinne Politik zu treiben, würde mit Recht in gewerblichen Kreiſen ſtarkes Befremden erregen. Die Gewährung billiger Reiſen für Arbeit⸗ ſuchende auf Antrag von Arbeitsnachweiſen ſcheint auch mir angebracht zu ſein. Ich glaube aber, daß es ſchon teilweiſe geſchieht, und bin der Meinung, daß es jedenfalls den Herren überlaſſen bleiben kann, das in der Konferenz zu erörtern, ohne daß es hier⸗ für einer beſtimmten Beſchlußfaſſung bedarf. Ich faſſe mich alſo dahin zuſammen: Wir ſind damit einverſtanden, daß Notſtandsarbeiten gemacht werden, ſoweit es irgendwie erforderlich und geeignet iſt, die Arbeitsloſigkeit zu vermindern, wir nehmen zweitens den Antrag der ſozialdemokratiſchen Frak⸗ tion unter Nr. 1 an, und wir wünſchen drittens, daß unſere Vertreter bei der Groß⸗Berliner Konferenz nach Möglichkeit dafür ſorgen, daß die dortigen Er⸗