334 Sitzung vom 10. Gebiete verſagt, leider haben wir Schöneberg den Vortritt üherlaſſen; leider können wir nicht darauf hinweiſen⸗ daß ein gutes Charlottenburger Beiſpiel hier zur Nacheiferung in Groß⸗Berlin geführt hat. Aber auch im gegenwärtigen Zuſtande der Verhand⸗ lungen halten wir es, gerade wie die Dinge in Charlottenburg liegen, wo die Frage bereits gründ⸗ lich vorbereitet und durchgeſprochen iſt, für durchaus wünſchenswert, wenn wir auch jetzt noch vorangehen. Auch jetzt noch würde es ein, ſagen wir mal, guter Auftakt für die bevorſtehenden Verhandlungen von Groß⸗Berlin ſein. Wenn Sie in Ihrem Widerſtande gegen das ſogenannte Genter Syſtem beharren, ſo iſt das ein böſes Omen für die in Berlin bevorſtehenden Verhandlungen. Laſſen Sie dieſen Widerſtand fallen, ſo iſt mit ſehr viel größerer Wahrſcheinlichkeit anzu⸗ nehmen, daß aus den Groß⸗Berliner Verhandlungen etwas Fruchtbares ſich ergeben wird. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Die Aus⸗ führungen des Kollegen Borchardt nötigen mich zu einer kurzen Erwiderung. Ich werde der Verſuchung nicht unterliegen, in ſachlicher Polemik auf die Aeuße⸗ rungen des Kollegen Borchardt zu erwidern, ob das Genter Syſtem zweckmäßig iſt oder nicht; ich werde auch nicht zurückkommen auf ſeine Ausführungen über die Verhandlungen, die wir früher über dieſen Gegenſtand geführt haben. Denn abgeſehen davon, daß ja die Polemik über dieſen Gegenſtand in ſo vielen Verſammlungen und Sitzungen erſchöpft iſt, bin ich der Anſicht,, daß mit dieſer Polemik der augenblick⸗ lich herrſchenden Arbeitsloſigkeit nicht abgeholfen wird. Der Antrag der Herren Sozialdemokraten lautet ausdrücklich: „angeſichts der herrſchenden Ar⸗ beitsloſigkeit“ Meine Herren, der Antrag 1 enthält ſicher ein nützliches, gutes Mittel, um der Arbeitsloſigkeit zu ſteuern. Aber ich bitte Sie, mit dem Antrag 2 wer⸗ den Sie doch nie und nimmer der herrſchenden Ar⸗ beitsloſigkeit abhelfen, ob Sie nun grundſätzlich für das Genter Syſtem ſind oder dagegen! Herr Kollege Borchardt glaubt zwar nicht, daß die Gegner des Genter Syſtems in meiner Fraktion ſich ſo ſchnell be⸗ kehren und ihren Widerſtand aufgeben werden. Er hat aber an diejenigen meiner Freunde appelliert, die wohl geneigt ſein würden, eine Arbeitsloſenverſiche⸗ rung auf Grund des Genter Syſtems anzunehmen. Zu dieſen wohlwollend geſinnten Beurteilern dieſer Frage gehört ja eine ganze Reihe meiner Freunde, unter anderen auch ich. Wenn ich aber wie alle Fraktionsmitglieder — Herr Kollege Meyer hat das ſchon angekündigt — dagegen ſtimmen werde, ſo tue ich es heute aus dem einfachen Grunde, weil dieſer Antrag der herrſchenden Arbeitsloſigkeit doch nicht ab⸗ helfen kann. Das Baugewerbe, das am meiſten leidet, wird durch dieſes Genter Syſtem gar nicht getroffen, da die das Baugewerbe umfaſſenden Gewerkſchaften bekanntlich keine Arbeitsloſenunterſtützungskaſſe haben. Sodann weiſe ich auf die Karenzzeit hin, die bei jeder Arbeitsloſenverſicherung Bedingung iſt. Ich glaube, es iſt ein halbes Jahr vorgeſehen. Alſo ſelbſt wenn die Schwierigkeiten, auf die mein Freund Meyer ſchon hingewieſen hat, die Schwierigkeiten des Aufbaues des Statuts uſw., ſchnellſtens beſeitigt wer⸗ den ſollten, ſo würde immer noch die Karenzzeit ein⸗ treten, und es wäre nicht möglich, der herrſchenden September 1913 Arbeitsloſigkeit durch Annahme dieſes auch nur etwas zu ſteuern. Darum ſtehe ich auf dem Standpunkt meines Freundes Meyer, daß wir dieſen Antrag ablehnen müſſen, daß wir den Beratungen der gemiſchten De⸗ putation, die zu dieſem Zwecke eingeſetzt iſt, nicht vorgreifen ſollen und vor allen Dingen abzuwarten haben, was die Gemeinden von Groß⸗Berlin in der Konferenz beſchließen werden. Antrages heule 7¹, Stadtv. Dr Stadthagen: Meine Herren! Au() ich will mir vollkommen verſagen, auf die Frage de⸗ Genter Syſtems uſw. einzugehen; wir haben un⸗ wirklich bis zur Erſchöpfung darüber unterhalten und werden unſere Anſicht darüber wohl nicht ändern. Herr Kollege Meyer hat davon geſprochen, daß ſeine Freunde an ſich nichts gegen die Ausführung von Notſtandsarbeiten einzuwenden haben. Auch der Herr Bürgermeiſter hat ausdrücklich in Ausſicht ge⸗⸗ ſtellt, daß Notſtandsarbeiten in Angriff genommen werden, ſoweit es erforderlich ſein wird. Nach dieſen Erklärungen ſind meine Freunde in der Lage, ihren Antrag zu 1 zurückzuziehen, der eine beſtimmte Summe dafür einzuſetzen wünſcht. Die Abſicht unſeres Antrags war natürlich nur, hier feſtzuſtellen, daß auch von dem Hilfsmittel der Notſtandsarbeiten Gebrauchgemacht werden ſoll. Ein Inter⸗ eſſe daran, eine beſtimmte Summe von vornherein feſtzulegen, haben wir nicht. Was den zweiten Antrag betrifft, ſo meint Herr Kollege Meyer irrtümlicherweiſe, er wäre ein Fraktionsbeſchluß. Er hat kein Fraktionsbeſchluß ſein können, weil ich ihn heute erſt eingebracht habe; aller⸗ dings habe ich mit einer größeren⸗ Zahl meiner Freunde geſprochen, die ihm zugeſtimmt haben. Meine Herren, es genügt mir vollkommen, daß die Idee dieſes Antrags hier beſprochen worden iſt. Wenn es auch teilweiſe nicht in günſtigem Sinne ge⸗ ſchehen iſt, namentlich was den erſten Teil angeht, ſo hoffe ich doch. daß bei den ſpäteren Verhandlungen in weiteren Kreiſen auch dieſe Frage einer ernſten Erwägung unterzogen werden wird. Ich möchte je⸗ doch vermeiden, daß ein derartiger Antrag abgelehnt wird, und ziehe ihn daher auch zurück. Ich nehme dabei ausdrücklich Kenntnis, daß der Herr Bürgermeiſter davon geſprochen hat, daß der zweite Teil des Antrags be züglich der ermäßigten Eiſenbahn⸗ fahrpreiſe beſonders erwägenswert wäre. Ich hoffe, daß darüber vielleicht auch ſchon am Sonnabend in der Vorbeſprechung irgend etwas Poſitives herauskommt. In bezug auf die Eiſenbahnpreisermäßigungen. möchte ich noch auf einen Punkt eingehen. Der Herr Bürgermeiſter ſprach davon, daß der hieſige Arbeits⸗ nachweis bereits jetzt Schwierigkeiten hat, wenn er Arbeiter nach außerhalb verſenden will. Er ſagte, ein Berliner Arbeiter entſchließt ſich nur ſchwer, in die Provinz zu gehen, die Arbeitsbedingungen ſind da ſchlechter. Meine Herren, dieſe ganz richtige Dar⸗ ſtellung des Herrn Bürgermeiſters muß doch in der Oeffentlichkeit dazu Anlaß geben, Verwahrung gegen eine ſolche Auffaſſung eines Teils der Arbeiter einzu⸗ legen. Wenn eine ſo weitgehende⸗ Arbeitsloſigkeit herrſcht, wenn überall Arbeitsmangel iſt, dann hat ein Arbeiter, beſonders ein unverheirateter, je nach den Verhältniſſen die Verpflichtung, auch eine Arbeit an⸗ zunehmen, die ihm nur zu einem geringeren Satze