4 Sitzung vom 10. zugebilligt werden kann. Selbſtverſtändlich kann ein kleiner Ort, kann das Land nicht die Löhne zahlen wie Berlin. Aber auch die Ausgaben ſind geringer. 4 (Sehr richtig!) Der Arbeiter hat nicht das Recht auf eine beſtimmte Arbeit. Ich habe früher ſchon ausgeführt, ich gebe zu: der Arbeiter hat wie jeder Menſchdas Recht auf Arbeit, nicht das Recht auf beſtimmte Arbeit. Wenn wir ſoweit gehen wollten, würden wir zu einem Staate kommen von Staatspenſionären, wo ſich jeder ſeinen Beruf auswählen kann, und wenn er nichts zu tun hat, ſorgt die Allgemeinheit für ihn. Das läßt ſich niemals erreichen. Wir müſſen daher einen ſolchen Standpunkt auf das ſchärfſte zurückweiſen. Wir können immer nur ſagen: ſelbſtverſtändlich ſoll die Fähigkeit des einzelnen Arbeiters, die er ſich in ſeinem Fache erworben hat, nicht durch eine Arbeit geſchädigt werden, die ihm zugewieſen wird — die Arbeitsnachweiſe, ſpeziell unſer Charlottenburger Arbeitsnachweis, verfahren auch, ſoviel ich weiß, nach dieſem Grundſatz —, ein weitergehendes Recht können wir dem Arbeiter nicht zuerkennen. Meine Freunde hoffen jedenfalls, daß aus den Beſprechungen am Sonnabend nicht nur hinſichtlich der Zentraliſation des Arbeitsnachweiſes, ſondern auch der anderen Punkte etwas Erſprießliches heraus⸗ kommen wird. Wir hoffen aber auch, daß die An⸗ regungen, die heute vom Magiſtratstiſche wie von der Stadtverordnetenverſammlung gegeben ſind, unſere Verwaltung veranlaſſen werden, in zweckmäßiger Weiſe der Arbeitsloſigkeit zu ſteuern und dadurch im Intereſſe der Charlottenburger Einwohner etwas Gutes zu tun. (Bravo!) Antragſteller Stadtv. Richter (Schlußwort): Meine Herren! Ich möchte zunächſt zu den letzten Aeußerungen des Herrn Stadthagen ſagen, daß ſie wohl von Sachkenntnis nicht getrübt ſind. Wenn ihm perſönlich ſo viel Arbeitsloſe in das Haus kämen mit der Bitte, ihnen Arbeit zu verſchaffen, wie es bei mir und meinen Freunden geſchieht, dann wäre er nicht zu der Aeußerung gekommen, daß die Arbeitsloſen ein Recht auf eine beſtimmte Arbeit haben wollten. Die Arbeitsloſen wollen in den aller⸗ meiſten Fällen Arbeit, gleichviel welcher Art; (Widerſpruch) ſie wollen aber natürlich paſſende Arbeit, die ihren Kräften angemeſſen iſt. Die Zuſtände, die wir bis jetzt haben feſtſtellen können, deuten nicht darauf hin, daß ſich die Arbeitsloſen im allgemeinen weigern, paſſende Arbeit anzunehmen. Alſo die Aeußerung des Herrn Kollegen Stadthagen, daß wir unhalt⸗ baren Zuſtänden entgegengehen würden, iſt durchaus nicht am Platze.) Dann hat der Herr Kollege Stadthagen eine Aeußerung von einem Herrn zitiert, der ihm der berufenſte in bezug auf die Beurteilung des Genter Syſtems zu ſein ſcheint, nämlich des Vertreters des ſtändigen Komitees für Sozialverſicherung Fuſter (Paris), der die Mängel des Genter Syſtems auf der internationalen Konferenz feſtgeſtellt habe. Ich möchte den Kollegen Stadthagen bitten, weil dieſer September 1913 335 Herr ihm maßgebend zu ſein ſcheint, deſſen Aeuße⸗ rungen in bezug auf das Zuſammenarbeiten einer eventuellen Arbeitsloſenverſicherung mit den Arbeit⸗ nehmerverbänden nachzuleſen. Darin heißt es, daß jetzt ſchon feſtzuſtellen iſt, daß die Arbeitsloſen⸗ verſicherung öffentlich rechtlich ſein müſſe und nicht ohne Mitwirkung der Arbeiterverbände geſchaffen werden könne — eine Mitwirkung, die der Herr Kollege Stadthagen bis jetzt immer ſtrikt abge⸗ lehnt hat. (Widerſpruch.) — Ich wäre erfreut, wenn Herr Kollege Stadthagen das Gegenteil beweiſen könnte. Ferner hat Herr Kollege Meyer geäußert, daß die Art der Begründung unſeres Antrages durch meine Perſon ihm ein Novum dargeſtellt habe. Nun, die Art und Weiſe, wie ſich der Herr Kollege Meyer um die Aeußerung zu Tatſachen, die feſtgeſtellt worden ſind und die für ihn und ſeine Freunde un⸗ angenehm ſind, heute hier herumgedrückt hat, iſt für mich durchaus kein Novum; im Gegenteil, das habe ich von dem Herrn Kollegen Meyer ſchon öfter erlebt. Dann ſagt der Herr Kollege Wöllmer, daß unſer Antrag zu 2 nicht geeignet ſein könne, der herrſchen⸗ den Arbeitsloſigkeit zu ſteuern. Meine Freunde ſind der Meinung, daß die jetzt herrſchende Arbeitsloſig⸗ keit noch eine ſehr geraume Zeit andauern wird, daß alſo, wenn der gute Wille da wäre bei Ihnen, meine Herren, auch für die kommende Zeit etwas Brauch⸗ bares geſchaffen werden könnte. 10 Stadtv. Meyer (perſönliche Bemerkung): Der Herr Kollege Richter hat ſein Schlußwort dazu be⸗ nutzt, zu ſagen, daß ich mich in meinen Ausführungen um die ſachliche Angelegenheit herumgedrückt habe. Ich möchte darauf nicht weiter eingehen, ſtelle nur feſt, daß der Herr Kollege Richter in ſeinem Verhalten im Schlußwort dieſelbe Uſance verfolgt hat, die er der Begründung des Antrags bereits eingeführt hatte. Stadtv. Dr. Stadthagen (perfönliche Bemerkung): Herr Kollege Richter hat im Anfange ſeiner Rede geſagt, daß meine Darlegungen durch Sachkenntnis nicht getrübt waren. Ich glaube, ſeine weiteren Aus⸗ führungen haben bewieſen, daß er mich entweder nicht angehört oder nicht verſtanden hat. Vorſteher Dr. Frentzel: Wir kommen zur Ab⸗ ſtimmung. Ich laſſe zunächſt über den erſten Teil des Antrags Ahrens und Gen. abſtimmen, welcher den Magiſtrat erſucht: alle Arbeiten für das Hoch⸗ und Tiefbau⸗ amt, für welche Mittel bereits bewilligt ſind, mit größter Beſchleunigung in Angriff zu nehmen. (Dieſer Teil des Antrags wird einſtimmig an⸗ genommen.) 2 Ich ſtelle nun den zweiten Teil zur Abſtimmung: erneut eine Vorlage einzubringen, um Arbeits⸗ loſenunterſtützung aus ſtädtiſchen Mitteln auf Grundlage des ſogenannten Genter Syſtems zur Auszahlung zu bringen (Der zweite Teil wird abgelehnt.)