Sitzung vom 8. Oktober 1913 „Tägliche Rundſchau“, das „Berliner Tageblatt“, haben Berichte veröffentlicht, die die Halle lebhaft verteidigen. Auch der „Lokalanzeiger“ hat unter den vielen tadelnden einen Artikel von Hans Dominik gebracht, worin die Anlage, namentlich was das Ver⸗ kehrsintereſſe und auch die äußere Erſcheinung be⸗ trifft, gelobt wird. Herr Stadtv. Mosgau hat gefragt: warum habt ihr denn auf dieſe Angriffe nicht erwidert? Meine Herren, wer Erfahrungen in ſolchen Dingen hat, läßt ſich nicht auf einen Krieg mit den Zeitungen ein. Die Zeitungen behalten immer recht, denn ſie haben das letzte Wort! (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Wogegen richten ſich nun die Vorwürfe in ihrem Kern? Leider ſind die Zeitungsartikel in dieſer Be⸗ ziehung ſehr unklar gehalten, man kann aus ihnen etwas Beſtimmtes nicht entnehmen. Es ſcheint ſich nicht um einen einzigen Punkt, ſondern um mehrere zu handeln. Da iſt zunächſt das Gebäude als ſolches zu erwähnen. Es ſoll auch ohne Gebäude gehen. Ja, ich habe vorhin hervorgehoben: wenn es ohne Ge⸗ bäude gehen ſoll, muß man entweder nach der Mög⸗ lichkeit 1 oder 2 verfahren. Bei der erſten Mög⸗ lichkeit kommen Koſten in Frage, die das Unter⸗ nehmen unwirtſchaftlich machen, und bei der zweiten Möglichkeit werden die Fahrgäſte dem Wind und Wetter, dem Regen und Schnee ausgeſetzt, was doch verkehrstechniſch ganz unmöglich wäre. Dann wird ein Vorwurf gegen die Länge des Gebäudes gerichtet; das Gebäude ſei übermäßig lang. Die Länge des Gebäudes iſt dadurch bedingt, daß in ihm ſämtliche Treppeneingänge zu den Bahnſteigen untergebracht werden müſſen. Wir haben verſucht, die Länge des Gebäudes nach Möglichkeit ein⸗ zuſchränken, und es iſt uns ja, wie Sie gehört haben, auch gelungen, die Länge von 49 m auf 42 m zurück⸗ zuführen. Darüber hinaus iſt es ganz unmöglich. Man könnte ja vielleicht zwecks Einſchränkung der Länge noch an eine vierte Möglichkeit denken, das wäre ein Bahnhof mit Bahnſteigen in zwei Stock⸗ werken übereinander. Auch nach dieſer Richtung ſind Vorſchläge gemacht worden. Aber nach dem, was ich bisher geſagt habe, wird kein Menſch einen Bahnhof in zwei Etagen übereinander wünſchen; denn dann vermehren ſich die Schwierigkeiten für die Ueber⸗ windung der Höhenunterſchiede noch um ein Be⸗ deutendes und der Bau wird ſehr teuer. Drittens werden Vorwürfe gegen die Höhe des Gebäudes erhoben. Meine Herren, baut man einen Gang in einer Höhe von etwa 2,8 m über den Bahn⸗ ſteigen, ſo tritt er, da er überdacht ſein muß, auf der Straße in die Erſcheinung. Der Verkehr inner⸗ halb des Ganges würde nur eine verhältnismäßig geringe Höhe verlangen; immerhin würde das ge⸗ bäude bis zum Dach etwa 1,5 m und bis zum Dach⸗ firſt etwa 4 m über dem Straßenniveau heraus⸗ ragen. Daß man darüber hinausgegangen iſt, iſt durch architektoniſche und äſthetiſche Rückſichten be⸗ dingt. Hierüber wird Ihnen, wie ich annehme, mein Kollege Herr Stadtbaurat Seeling das Nähere aus⸗ einanderſetzen. Viertens werden Vorwürfe gegen die Architektur erhoben; es ſei eine ſchlechte Architektur oder irgend ſo etwas. (Widerſpruch.) 351 Ich glaube, dieſe Vorwürfe zerfallen in nichts; ich entnehme aus Ihren Zurufen, daß Sie ſolche Vorwürfe nicht zu den Ihrigen machen. Sollte man indeſſen doch hierauf zurückkommen, ſo wird auch hierüber Herr Baurat Seeling weitere Auskunft geben. Fünftens wird der Vorwurf gegen die Wirkung des Gebäudes auf die Straße, auf den Platz erhoben, d. h. gegen die Verunſtaltung. Man ſagt, dieſes Gebäude beeinträchtige den Wittenbergplatz und die Ausſicht auf die Kaiſer⸗Wilhelm⸗Gedächtnis⸗Kirche von der Kleiſtſtraße her. Auch in der Anfrage der Herren Stadtv. Liepmann und Genoſſen iſt das Wort Verunſtaltung gebraucht. Was die Ver⸗ unſtaltung des Wittenbergplatzes betrifft, ſo bitte ich, davon auszugehen, daß das Gebäude für die Ab⸗ wicklung des Verkehrs unbedingt erforderlich iſt. Sofern überhaupt von einer Verunſtaltung geſprochen werden kann, die durch das Gebäude, nicht durch ſeine Architektur, herbeigeführt iſt, muß ſie hinter dem Ver⸗ kehrsintereſſe zurücktreten. Der Magiſtrat wird übrigens nach Möglichkeit dafür ſorgen, daß durch Anpflanzung von Bäumen, Herſtellung beſonderer Anlagen eine etwaige Beeinträchtigung gemildert wird. Ich bitte Sie, mit dem Urteil ſolange zurück⸗ zuhalten, bis ſolche Anlagen fertig ſind. Es handelt ſich hier im weſentlichen um gärtneriſche Anlagen, und Sie wiſſen, daß man nur im Herbſt und im Frühjahr pflanzen kann. Alſo ehe dieſer Platt mit ſeinen gärtneriſchen Anlagen fir und fertig hergeſtellt ſein wird, wird wohl noch eine längere Zeit vergehen. — Das Oval in der Mitte des Wittenbergplatzes mußte übrigens auch bei dem Fortfall einer Halle in der Ge⸗ ſtalt, wie ſie zur Zeit beſteht, ausgebildet werden; es war alſo nicht möglich, den Fuhrwerks⸗ und Straßenbahnverkehr anders zu leiten als geſchehen. Nun wird geſagt, die Ausſicht auf die Kaiſer⸗ Wilhelm⸗Gedächtnis⸗Kirche leide erheblich. Ich will vorausſchicken, daß die Tauentzienſtraße ihre Ausſicht auf die Kaiſer⸗Wilhelm⸗Gedächtnis⸗Kirche behält: es kann ſich alſo nur um die Ausſicht von der Kleiſtſtraße her handeln. Aus einem Lageplan, der die Ver⸗ hältniſſe klar ſtellt, geht deutlich hervor, was es hier⸗ mit für eine Bewandtnis hat. Zunächſt möchte ich bemerken, daß die Bahnhofshalle ſo niedrig iſt, daß die Anwohner in den zweiten Stockwerken der Ge⸗ bäude nach wie vor auf die Kaiſer⸗Wilhelm⸗Ge⸗ dächtnis⸗Kirche ſehen können, denn die Halle liegt niedriger. Es kommen alſo nur die Fußgänger auf der Straße und die Einwohner, die im Erdgeſchoß und im erſten Stockwerk wohnen, in Betracht. Im Erdgeſchoß ſind faſt ausſchließlich Käden vor⸗ handen; es würden alſo neben den Fußgängern nur die Bewohner der erſten Etage nach dieſer Richtung hin leiden. Nun geht aus dem Plan hervor, daß der Linienzug Tauentzienſtraße —Kleiſtſtraße auf dem Wittenbergplatz einen Knick macht. Von dem nördlichen Bürgerſteig der Kleiſtſtraße iſt die Kaiſer⸗ Wilhelm⸗Gedächtnis⸗Kirche überhaupt nicht zu ſehen; dieſe tritt erſt in die Erſcheinung, wenn man über den Wittenbergplatz hinübergegangen iſt. Die Halle ändert alſo an dieſen Verhältniſſen nichts. Auf dem ſüdlichen Bürgerſteig tritt die Kaiſer⸗Wilhelm⸗Ge⸗ dächtnis⸗Kirche, wenn man ſich vom Nollendorfplatz her bewegt, überhaupt erſt an der Lutherſtraße in die Erſcheinung. Alſo auf die Länge von 5 Häuſern wird der Ausblick von der Kleiſtſtraße auf die Kaiſer⸗ Wilhelm⸗Gedächtnis⸗Kirche beſchränkt. Man kann doch kaum ſagen, daß das ein weſentlicher Einwand gegen die Errichtung der Halle auf dem Wittenberg⸗ platz ſein kann.