352 Man wendet ſechſtens ein: — ich zitiere wört⸗ lich den „Lokalanzeiger“ vom 9. September 1913 — „Die Anwohner der Kleiſtſtraße werden materiell ge⸗ ſchädigt durch Zerreißung der Straßenlinie Tauen⸗ tzienſtraße und Kleiſtſtraße“. Meine Herren, hier zeigt der „Lokalanzeiger“ endlich den Pferdefuß. Solange wußte man nicht, worauf der „Lokal⸗ anzeiger“ eigentlich hinauswollte. Hier ſieht man die Beeinfluſſung des „Lokalanzeigers“ durch die Intereſſenten an der Kleiſtſtraße und natürlich am Wittenbergplatz. (Hört! hört! und Sehr richtig!) „Die Straßenlinie wird durch die Tauentzienſtraße zerriſſen!“ Ja, das iſt richtig. Der freie Blick aus der einen Straße in die andere wird, ſoweit ein ſolcher bisher vorhanden war, geſtört und die Haus⸗ beſitzer der Kleiſtſtraße befürchten, daß der Verkehr, der in der Tauentzienſtraße bekanntlich ein recht leb⸗ hafter iſt, den Wittenbergplatz nicht überſchreiten wird, weil er dort einen Eisbock vor ſich ſieht, und daß die ihnen bisher zufließenden Einnahmen zu⸗ rückgehen werden. Meine Herren, wer die Verhält⸗ niſſe kennt, weiß genau, daß der Verkehr ſchon früher am Wittenbergplatz Halt gemacht hat. Während auf der einen Seite des Platzes, an der Ansbacher Straße, ein ſehr großer Verkehr herrſcht, merkt man von einem ſolchen auf der anderen Seite, nämlich an der Bayreuther Straße, überhaupt nichts mehr. (Sehr richtig!) Alſo von einer Beeinträchtigung wird gar keine Rede ſein können. Nun ſcheint es mir, als ob die Hausbeſitzer noch eine andere Befürchtung hegen. Sie haben gehofft, daß die City, die ſich in der Tauentzienſtraße aus⸗ gebildet hat, auch zu ihnen hinübergreifen werde, und befürchten nun, daß die Anlage der Halle dies ver⸗ hindern werde. Ich verweiſe demgegenüber darauf, daß die Halle zur Kleiſtſtraße ebenſo gelegen iſt wie die Kaiſer⸗Wilhelm⸗Gedächtnis⸗Kirche zur Tauentzien⸗ ſtraße. Für die Tauentzienſtraße bildet die Kaiſer⸗ Wilhelm⸗Gedächtnis⸗Kirche vom Weſten her ebenſo eine Zerreißung der Straßenlinie, nämlich Tauentzien⸗ ſtraße—Kurfürſtendamm, Tauentzienſtraße —Harden⸗ beroſtraße, Tauentzienſtraße —Kantſtraße. Iſt die Citybildung der Tauentzienſtraße dadurch verhindert worden? In keiner Weiſe! Es kann kein Zweifel ſein — und das möchte ich doch zum Troſte der Anlieger der Kleiſtſtraße ſagen —, daß das Kaufhaus des Weſtens eine Frucht der Untergrundbahn iſt. Bisher hat die Kleiſtſtraße von der Untergrundbahn nicht dieſelben Vorteile gehabt wie die Tauentzienſtraße, weil der Weg von der Kleiſtſtraße bis zum Eingange der Untergrundbahn ein viel größerer war als von der Tauentzienſtraße her, denn die Eingänge befinden ſich an der Ans⸗ bacher Straße. Nunmehr wird bei der Betriebs⸗ eröffnung der Untergrundbahn die Kleiſtſtraße einen eigenen Eingang erhalten. Hat früher der Eingang zur Untergrundbahn auf die Tauentzienſtraße gut gewirkt, ſo vermag der neu zu bildende Eingang auf die Entwicklung in der Kleiſtſtraße ähnlich zu wirken. Meine Herren, der Magiſtrat iſt ſicher bereit, zu verhindern, daß irgend jemand von unſeren Mit⸗ bürgern geſchädigt wird. Aber wo öffentliche Inter⸗ eſſen vorhanden ſind, müſſen Privatintereſſen zurück⸗ Sitzung vom 8. Oktober 1913 treten; werden bei der Verfolgung öffentlicher Inter⸗ eſſen private Intereſſen geſchädigt, und iſt ein Aus⸗ gleich nicht möglich, ſo kann man das im Intereſſe der Geſchädigten lebhaft bedauern, aber eine Hilfe gibt es nicht. Der „Lokalanzeiger“ hat ſich vor den Wagen der Privatintereſſenten ſpannen laſſen. In derſelben Veröffentlichung des „Lokal⸗ anzeigers“ leſe ich noch folgendes: „Die Untergrundbahn wird verſuchen, aus der Halle, die für den Verkehrsbedarf viel zu groß iſt, zum Schaden von umwohnenden Ladenbeſitzern durch Verpachtung von Ver⸗ kaufskiosken für ſich Nutzen zu ziehen.“ Das iſt auch ein Intereſſe, das von den anliegenden Hausbeſitzern vertreten wird: Sie hören es ganz deutlich heraus. Ich möchte aber die Herren be⸗ ruhigen. Dafür wird der Magiſtrat jedenfalls ſorgen, daß in der Halle Verkaufsgelegenheiten, die mit den angrenzenden Läden in Konkurrenz treten könnten, nicht hergeſtellt werden; es iſt auch gar kein Platz dazu vorhanden, da die Halle nur ſo groß be⸗ meſſen iſt, daß ſich der Verkehr, der in ſpäterer Zeit dort zu erwarten ſein wird, in ihr gerade glatt ab⸗ ſpielen kann. Meine Herren, damit bin ich mit meinen Aus⸗ führungen zu Ende. Die Frage, die die Herren Stadtv. Mosgau und Genoſſen geſtellt haben, lautet: „Der Magiſtrat wird um Auskunft ge⸗ beten, ob bei der Erbauung des Bahnhofes Wittenbergplatz die Intereſſen der Stadt⸗ gemeinde ſeitens der Hoch⸗ und Untergrund⸗ bahngeſellſchaft in jeder Beziehung genügend berückſichtigt worden ſind.“ Ich kann dieſe Frage bejahen. Daran kann ich gleich die Beantwortung der Frage 2 der Herren Stadtv. Liepmann und Ge⸗ noſſen anſchließen: Der Magiſtrat wird gebeten, Auskunft zu erteilen, ob noch die Möglichkeit gegeben iſt, der durch die Hochführung des Bahnhofs⸗ gebäudes bewirkten Verunſtaltung des Witten⸗ bergplatzes und ſeiner Umgebung entgegen⸗ zutreten. Meine Herren, wir leugnen eine Verunſtaltung, Stadtv. Kaufmann: Sehr richtig!) und wir haben infolgedeſſen auch keine Veranlaſſung, einer Verunſtaltung entgegenzutreten. Aber ſelbſt wenn eine Verunſtaltung vorhanden wäre: die Halle iſt fertig, ſte wird am 12. Oktober dem Betrieb über⸗ geben, eine Abänderung halte ich für ausgeſchloſſen, um ſo mehr als die Anlage auf den Verträgen und Vereinbarungen zwiſchen Magiſtrat und Hochbahn⸗ geſellſchaft beruht. Nun, meine Herren, geſtatten Sie mir nur noch ein Wort. Da ich mich einmal mit den Preßäuße⸗ rungen zu befaſſen hatte, möchte ich auch noch auf eine beſondere Preßäußerung zurückkommen. Man hat die Verwunderung ausgeſprochen, weshalb der Magiſtrat erſt heute nach vier Wochen die Anfrage beantwortet: der Magiſtrat habe bei der Verſchie⸗ bung der Beantwortung gewiß Hintergedanken, und die Stadtverordnetenverſammlung möchte ſich ſehr vorſehen, daß ſie nicht von dem böſen Magiſtrat hineingelegt werde. So ungefähr lautet die Aeuße⸗ rung. Daß wir heute die Anfrage erſt beantworten, erledigt ſich einfach dadurch, daß ich zurzeit der