Sitzung vom 8. Oktober 1913 vorigen Sitzung verreiſt war und platterdings nicht anweſend ſein konnte. (Bravo!) (Auf Antrag des Stadtv. Wöllmer erfolgt die gemeinſame Beſprechung der beiden Anfragen.) Stadtv. Dunck: Meine Herren! Als im März d. J. die großen Eiſenträger auf dem Witienberg⸗ platz für den neuen Bahnhof errichtet wurden, waren wir alle überraſcht, denn wir konnten nichts anderes erwarten als eine Paſſerelle, einen niedrigen Gang. Ich hatte deshalb bereits am 9. April eine Inter⸗ pellation an den Magiſtrat gerichtet, wieſo dieſes Gebäude zuſtande käme und warum man der Stadt⸗ verordnetenverſammlung die Pläne nicht vorher vor⸗ gelegt habe. Die Frage wurde damals von Herrn Stadtbaurat Bredtſchneider eingehend beantwortet, und damit war die Sache für uns eigentlich erledigt. Wenn inzwiſchen nicht von Mitte Auguſt ab die vielen Preßartikel gekommen wären, hätten wir uns nicht mehr mit der Sache zu beſchäftigen brauchen. Bei der Beunruhigung aber, die in der Bevölkerung des Oſtens unſerer Stadt jetzt vorherrſcht, müſſen wir uns nochmals eingehend damit befaſſen. Es ſtehen hier zwei Geſichtspunkte gegenüber. Der eine iſt der Geſichtspunkt des Verkehrs, und der andere iſt der der Erhaltung des Wittenbergplatzes. Dieſer freie große Platz war, wenn er auch architek⸗ toniſch häßlich ſein mag, eine Lunge für den Oſten von Charlottenburg; er war mit wunderſchönen An⸗ lagen ausgeſtattet, über die man ſich täglich freuen konnte; er bot auch von der Mittelpromenade aus, da, wo jetzt der Bahnhof ſteht, ein ſchönes Städte⸗ bild, einerſeits nach der Kaiſer⸗Wilhelm⸗Gedächtnis⸗ Kirche und anderſeits nach den hinauf⸗ und hinab⸗ ſauſenden Zügen der Hochbahn am Nollendorfplatz. Wenn auch vielfach die ſtädtebauliche Schönheit dieſer Perſpektiven beſtritten wird, ſo erinnere ich daran, daß vor einigen Jahren, als ich um die Erhaltung der Mittelpromenade hier kämpfte, die Stadtver⸗ ordnetenverſammlung dieſes Städtebild als ſchön an⸗ erkannt hat. Wir ſind nicht allzu reich an ſchönen Städtebildern in Groß⸗Berlin. Heute müſſen wir nun zugeben: dies alles iſt ruiniert, der Wittenbergplatz iſt rui⸗ niert. Aber, meine Herren, er iſt ruiniert im Intereſſe des Verkehrs. Der Verkehr wird ſo groß werden, daß alle umliegenden Grund⸗ beſitzer, Geſchäftsinhaber uſw. ſich ſpäter darüber freuen werden. (Sehr richtig!) Ich begreife nicht, daß man heute ſo wenig einſieht, welcher enorme Nutzen durch dieſen Zentralverkehr gerade für die Umgebung des Wittenbergplatzes her⸗ beigeführt werden muß, ein Verkehr, der von Jahr zu Jahr ſteigen wird; denn je mehr die Untergrund⸗ bahn nach draußen hinausgeführt werden wird, um ſo größer muß notgedrungen der Verkehr am Witten⸗ bergplatz werden. Glauben Sie doch nicht, daß alle die Leute, die von Dahlem und Wilmersdorf und ſpäter von der Kolonie Grunewald kommen und „nach der Stadt“ fahren wollen, am Wittenbergplatz umſteigen, daß ſie 5 Pf. mehr bezahlen und ſo viel länger in der Bahn ſitzen werden! Nein, die meiſten 353 werden ſich daran gewöhnen, in der Nähe des Wittenbergplatzes ihre Einkäufe zu machen. Nament⸗ lich die Dame liebt das Treppenſteigen nicht, ſie weiß, daß in der Tauentzienſtraße, in der Kleiſtſtraße, in der Umgebung des Wittenbergplatzes Filialen der großen Geſchäfte aus dem Zentrum von Berlin ſind. Zweifellos wird der Geſchäftsverkehr in jener Gegend viel größer werden, als er vielleicht heute von manchen erwartet wird. Die Citybildung iſt in vollem Gange, und ſie wird zweifellos noch weitere Dimenſionen annehmen. Allerdings hat der Magiſtrat ſeinerzeit die gute Abſicht gehabt, aus dem Wittenbergplatz etwas anderes zu machen, als was heute aus ihm gemacht werden kann. Er hat beantragt, den Markt auf dem Wittenbergplatz zu beſeitigen. Das war ein groß⸗ zügiger Geſichtspunkt. Die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung aber hat ſich von einem einſeitigen Char⸗ lortenburger Geſichtspunkt leiten laſſen; die Stadt⸗ verordnetenverſammlung konnte nicht einſehen, daß in ein ſolches Verkehrszentrum von Groß⸗Berlin ein Wochenmarkt nicht gehört, daß ein Wochenmarkt auch da nicht mehr wird beſtehen können, denn er wird in Zukunft ſo klein ſein, daß er an Bedeutung voll⸗ ſtändig verliert. Dieſer Standpunkt hat dem Platz ganz enorm geſchadet. Es wurde beim Magiſtrat ein Projekt ausgearbeitet, wie der Wittenbergplatz ge⸗ ſtaltet werden könnte, wenn der Markt entfernt würde. Es war ein großartiges, wunderſchönes Pro⸗ jekt. Heute ſoll ſich der Platz mit ein paar Baum⸗ reihen behelfen. Das iſt alles. Daß die Anwohner darüber ungehalten ſind, daß ſie nichts bekommen als ein paar Baumreihen, während ſie früher ſo ſchöne Anlagen hatten, iſt ganz natürlich. Ich richte in dieſer Hinſicht die dringende Bitte an den Magiſtrat, für die Anlagen auf dem Wittenbergplatz alles zu tun, was möglich iſt, nicht nur im Zuge der Kleiſt⸗ und Tauentzienſtraße, ſondern ringsum auf dem ganzen Platz, wie es früher der Fall war. Ein weiterer Punkt iſt die Beleuchtungsfrage. Seit Jahren kämpfe ich dafür, daß auch die Seiten⸗ ſtraßen am Wittenbergplatz etwas beſſeres Licht be⸗ kommen. Herr Stadtrat Caſſirer, Sie haben noch kürzlich in der Gasdeputation diesbezügliche Wünſche kurzerhand wieder abgewieſen. Seit kurzem liegt die Sache ſo, daß der Wittenbergplatz Preßgasbe⸗ leuchtung und die Kurfürſtenſtraße Niederdruck⸗Gas hat. Zwiſchen dem ſchönſten Licht liegen die Seiten⸗ ſtraßen vollſtändig im Dunklen. Es kommt in Be⸗ tracht, daß die Seitenſtraßen, die auf den Wittenberg⸗ platz münden — Vorſteher Dr Frentzel (unterbrechend): Herr Kol⸗ lege, ich möchte Sie darauf aufmerkſam machen, daß Sie ſich etwas weit von dem Gegenſtand entfernen. Stadtv. Dunck (fortfahrend): Ich wollte nur die Wünſche wiedergeben, die in dieſer Gegend ſeit langer Zeit geäußert werden. Vorſteher Dr. Frentzel (unterbrechend): Das iſt ja ſehr ſchön; aber dieſe Wünſche ſtehen nicht auf der Tagesordnung. Stadtv. Dunck (fortfahrend): Dann beſcheide ich mich damit. In den Zeitungen, Broſchüren und in der Verſammlung, die vorgeſtern in der Lutherſtraße getagt hat, ſind gegen die Stadtverwaltung, gegen den Herrn Stadtbaurat und die Tiefbaudeputation ſehr