Sitzung vom 29. Oktober 1913 — einige meiner Freunde, nicht die ganze Fraktion, das habe ich auch geſagt —, an Anſprüche gewöhnt wird, die ſie in ihrer Häuslichkeit nicht befriedigen kann, ſo daß ſie mit ihrer Lage nicht mehr zufrieden iſt, und dadurch das Heer der Unzufriedenen vermehrt. Vor allen Dingen aber glauben wir, daß wir uns nach der Decke ſtrecken müſſen und, da die jetzige Geldmarktdecke ſehr knapp iſt, Zeiten abwarten ſollen, von denen wir annehmen können, daß ſie in dieſer Be⸗ ziehung günſtiger liegen. Insbeſondere beſtärkt uns in dieſer Meinung. die Anſicht der Finangſachverſtändigen, die glauben, daß innerhalb der nächſten Zeit eine be⸗ deutende Erleichterung des Geldmarktes nicht zu er⸗ warten iſt. (Rufe: Dochl!) — Ich würde mich freuen, wenn es der Fall wäre; das würden wir ja bei der Begebung unſerer Anleihen ſehr ſpüren. Meine Herren, wenn nun auch die Majorität nicht dazu zu bringen iſt und wir es heute auch nicht verſuchen wollen, bei der Anleihe noch größere Ab⸗ ſtriche zu machen, ſo glauben wir, daß wir jedenfalls auch an dieſer Stelle wieder den Appell erheben müſſen, daß wir bei derartiger weiterer Anſpannung unſeres Kredits für Erhaltung unſerer Kreditfähigkeit und un⸗ ſerer Steuerkraft beſorgt ſein müſſen. Dieſes werden wir nur erreichen, wenn wir bei den laufenden Aus⸗ gaben die allergrößte Sparſamkeit walten laſſen. Wer in ſozialen und politiſchen Beſtrebungen ſich betätigt, wird ſchon bemerkt haben, daß jetzt, wo die neuen Steuern und der Wehrbeitrag in Ausſicht ſtehen, ſelbſt unſere gebefreudigen und reichen Leute kaum mehr dazu zu bekommen ſind, Leiſtungen freiwilliger Natur auf ſich zu nehmen. Die Privatwohltätigkeit, die mit den Gemeindewohlfahrtsbeſtrebungen Hand in Hand gehen muß, wird das ganz beſonders merken,; auch alle die⸗ jenigen werden es, glaube ich, erfahren, die jetzt für politiſche Beſtrebungen Geld ſammeln. Laſſen Sie da⸗ her uns wenigſtens ferner unſere Steuerkraft ſchonen und das bei jeder einzelnen Poſition, die wir bewilligen, und bei dem kommenden Etat zum Ausdruck bringen. Darauf, meine Herren, möchte ich Ihre Erwägungen auch in dieſem Moment lenken und Sie bitten, danach vorzugehen. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren! Nicht das Gewicht der Ausführungen des Herren Vorredners iſt es, weswegen ich hier das Wort nehme, zumal ich aus Zwiſchenrufen glaube annehmen zu können, daß der Herr Vorredner für einen verhältnismäßig kleinen Teil ſeiner eigenen Freunde geſprochen hat. Aber ich glaube, es iſt doch gut, nicht etwa die Ausführungen des Herrn Vorredners zu widerlegen, ſondern ſie noch einmal deutlich und klar zu unterſtreichen, damit es in recht weiten Kreiſen bekannt wird, was für Anſchau⸗ ungen eben dort auf der Seite, wo der Herr Vorredner ſitzt, vorhanden ſind. Der Herr Vorredner beklagt ſich darüber, daß un⸗ ſere Schulbauten modern ſind. Nebenbei bemerkt, iſt ihm da ein kleiner Irrtum unterlaufen. Im Ausſchuß haben ſeine Freunde nicht etwa beantragt, die Bau⸗ koſten für die Schulgebäude herabzuſetzen, um dieſe Schulen einfacher auszubauen und zu geſtalten; im Ausſchuß iſt von ſeinen Freunden nur deshalb davon geredet worden, dieſe Baukoſten herabzuſetzen, um die Schulbauten überhaupt zu vertagen, (Stadtv. Dr Liepmann: Sehr richtig, das habe ich auch geſagt!) 373 um die nötigen Schulbauten erſt ſpäter auszuführen. Das iſt denn doch etwas ganz anderes. Aber ich unter⸗ ſtreiche noch einmal, daß dem Herrn Vorredner die Schulbauten zu gut ſind. Das gleiche gilt von den Krankenhausbauten. Ich wünſche ja dem Herrn Vorredner nicht, daß er mit einer Krankenhausbehandlung fürlieb nehmen mus. wie die iſt, mit der ſich die übergroße Mehrzahl der Bevölke⸗ rung zufrieden geben muß. Aber ich konſtatiere nur, daß der Herr Vorredner die aegenwärtige Art der Krankenhausbehandlung für ſo vorzüglich und für ſo vortrefflich hält, daß es, um die Meyrheit der Bevöl⸗ kerung nicht an einen unnötigen Luxus ꝛu gewöhnen, notwendig iſt, die Art der Errichtung und der Einrich⸗ tung unſerer Krankenhäuſer wieder auf ein früheres unmodernes Maß zurückzuſchrauben. Das wird ſich die Mehrheit der Bevölkerung ad notam nehmen. Noch einen dritten Punkt möchte ich aus der Rede des Herrn Vorredners konſtatieren. In dem Jahr der nationalen Jubelfeier beruhrt es außerordent⸗ lich angenehm, von einem Vertreter derjenigen Gruppe, der der Herr Vorredner angehört, verſichern zu hören, der Wehrbeitrag habe die reichen Leute derartig ver⸗ bittert und verdroſſen gemacht, daß ſie rur öffentliche und für ſoziale Zwecke ſchon gar nicht mehr bereit ſind, irgend etwas zu geben. Es iſt anerkennenswert und in gewiſſer Beziehung dankenswert, daß der Herr Vor⸗ redner das mit dieſer klaren Offenherr ausgeſprochen hat. Stadtv. Scharnberg: Meine Herren! Ich will auf die vorangegangenen Auseinanderſetzungen nicht weiter zurückkommen; ich glaube, daß die Vorlage ſchon durch die Ausſchußberatung gründlich behandelt worden iſt. Ich möchte nur noch erwähnen, daß die Beratungen an Gründlichkeit nichts übrig gelaſſen haben. Die Dezernenten ſowie auch die Verwaltungs⸗ direktoren haben alles daran ſetzen müſſen, um einzelnen Herren im Ausſchuß klar zu machen, daß dieſe Forde⸗ rungen — ich verweiſe hier nur auf die Errichtung von Krankenanſtalten, über die wir lange Zeit verhandelt haben — unbedingt notwendig ſind. Außerdem beantrage ich, daß die 200 000 . für den Durchlaß zur Verbindung der beiden Teile des Lietzenſeeparks wieder in Anſatz gebracht werden. Im allgemeinen war im Ausſchuß für die Bewilligung dieſer Forderung keine Stimmung vorhanden; als aber der Magiſtrat dieſe Poſttion noch um 50 000 % zu erhöhen erſuchte, ſchwand vollſtändig die Bereitwillig⸗ keit, weiter auf die Sache einzugehen, ſo daß es ſich nicht lohnte, ein Wort darüber zu verlieren. Ich möchte den Herren, die ſchon längere Jahre in der Stadtverordnetenverſammlung ſitzen, doch in Erinnerung zurückrufen, daß wir uns ſchon häufig darüber unterhalten haben, wie wir unſere Park⸗ anlagen, Spielplätze uſw. ausgeſtalten können, und in Wahrheit beſitzen wir doch augenblicklich in Char⸗ lottenburg ſehr wenig Parkanlagen. Hier, wo uns die Gelegenheit geboten wird, wäre es doch unbe⸗ dingr notwendig, an dieſer Forderung feſtzuhalten und uns wirklich einen Park herſtellen zu laſſen, wie ihn die Vororte nicht beſitzen. Ich erinnere daran, was Wilmersdorf und Schöneberg für Parkanlagen ausgegeben haben; Charlottenburg ſtellt ſich aber auf den Standpunkt, daß für dieſen Zweck Anleihemittel nicht flüſſig gemacht werden können. Nun bemühen wir uns ſtändig, reiche Steuerzahler hierher zu ziehen. Wenn wir aber eine ſolche Politik treiben, wenn wir uns auf einen ſolchen engherzigen Standpunkt ſtellen, dann iſt es wohl ausgeſchloſſen, daß ſich reiche Steuer⸗ zahler in Charlottenburg niederlaſſen.