Sitzung vom 3. Material rechtfertigt ſich; denn es iſt zutreffend, daß hier und da bei dem Straßenverkauf nicht genügend auf Reinlichkeit geſehen wird, daß infolgedeſſen hier und da die Möglichkeit beſteht, daß das Publikum an ſeiner Geſundheit Schaden nimmt. Meine Herren, es mögen auch ſonſtige Uebergriffe vorkommen. Wenn, wie es hier in der Petition behauptet iſt, ge⸗ wiſſe Straßenhändler aggreſſiv gegen das Publikum vorgehen, ſo meine ich, daß in erſter Linie die Polizei dazu da iſt, das zu verhindern. Aber wegen der tat⸗ ſächlich vorhandenen Mißſtände bin ich gern bereit, die Petitionen dem Magiſtrat als Material zu über⸗ weiſen. Ich bitte Sie, in dieſem Sinne zu ent⸗ ſcheiden. Stadtv. Scharnberg: Meine Herren! Ich bin inſofern mit den Ausführungen des Herrn Referen⸗ ten einverſtanden, als er ausführte, daß die Petenten ihre Bezirke kennen. Ich ſchätze die Heren ſehr hoch, glaube aber, daß ſie die Rechnung doch ohne den kleinen Mann und die Hausfrauen gemacht haben. Ich erinnere nur an den Sturm der Entrüſtung, der ſich wegen der Beſeitigung des Marktes auf dem Wit⸗ tenbergplatz erhoben hat; dasſelbe würde ſich in weit größerem Maße wiederholen, wenn wir beſchließen ſollten, den Straßenhandel zu verbieten. Da in der Begründung ſteht, daß die Geſchäfts⸗ leute ſich durch den Straßenhandel geſchädigt fühlen, ſo möchte ich darauf hinweiſen, daß es ſich bei dem Straßenhandel um Waren handelt, die dem Groſſiſten von einem Tag zum andern unbequem werden und die ſie deshalb an die Händler abſetzen. Wenn Sie ſich die Käufer an den Wagen näher betrachten, ſo werden Sie finden, daß es ſich dabei nicht allein um Arbeiter handelt, ſondern auch um Leute aus anderen Ständen. Es kann alſo durchaus nicht geſagt wer⸗ den, daß es ſich bei dem Straßenhandel immer um minderwertige Waren handelt, ſondern man bekommt auch häufig bei den Geſchäftsleuten Waren, die nicht als gut bezeichnet werden können. Aus dieſen Gründen möchten wir Sie bitten, über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen. Ich möchte noch erwähnen, daß, wenn wir den Straßenhandel einſchränken wollten, ſich das nicht allein auf die Obſtwaren, die hier beſonders hervor⸗ gehoben ſind, ſondern auch auf den Zeitungshandel und verſchiedene andere Sachen erſtrecken würde, was Sie doch, glaube ich, ſicher alle nicht wollen: denn größtenteils ſind es Krüppel, die ſich damit beſchäf⸗ tigen und die dann unter allen Umſtänden der Ar⸗ menverwaltung zur Laſt fallen würden. Ich möchte Sie im Intereſſe der Einwohnerſchaft bitten, dieſe Petitionen durch Übergang zur Tagesordnung zu er⸗ ledigen. Bürgermeiſter Dr Maier: Meine Herren! Ich möchte daran erinnern, daß die Stadtverordneten⸗ verſammlung bisher konſequent auf dem Standpunkt geſtanden hat, den der Herr Stadtv. Scharnberg ver⸗ treten hat, und daß der Magiſtrat dieſem Standpunkt beigetreten iſt. Ich brauche das nicht mehr zu be⸗ gründen, weil die Sache ja alle Jahre wiederkehrt; wir haben alle Jahre die gleichen Debatten gehabt. Ich möchte weiter darauf aufmerkſam machen, daß wir gegen den Straßenhandel nur aus verkehrspoli⸗ zeilichen Rückſichten einſchreiten und ihn niemals dazu benutzen dürfen, gewerbepolitiſche Tendenzen damit irgendwie zu verfolgen; damit würde nach Dezember 1913 421 meinem Dafürhalten die Rechtsgrundlage verſchoben ſein. Da wir pflichtgemäß natürlicherweiſe die Ge⸗ ſetze auszuführen haben, ſo ergibt ſich unſer Stand⸗ punkt von ſelbſt. Es bleibt meiner Anſicht nach voll⸗ ſtändig gleichgültig, ob dieſer Standpunkt an ſich für das hieſige Gewerbe förderlich iſt oder nicht; denn wir haben nicht die Geſetze zu machen, ſondern ſie nur zur Anwendung zu bringen. Stadtv. Braune: Meine Herren! Die ſchwierige Lage der hieſigen Handelsgewerbetreibenden, hervor⸗ gerufen durch die große Konkurrenz der Warenhäuſer, die die Konſumartikel gewiſſermaßen als Lockſpeiſe benutzen, indem ſie dieſelben teilweiſe zum Einkaufs⸗ preis verkaufen, um ihre nutzbringenden Artikel beim Publikum unterzubringen, wie auch die ſchwierige Lage unſerer hieſigen Gewerbetreibenden durch die Konkur⸗ renz der Straßenhändler veranlaßt mehrere meiner Freunde und mich, dem Vorſchlage des Herrn Refe⸗ renten, Einſchränkungen des Straßenhandels min⸗ deſtens dahin vorzunehmen, daß der Verkehr mit Wa⸗ gen unterſagt und der Handel nur in kleineren Behäl⸗ tern zugelaſſen wird, zuzuſtimmen. Meine Herren, wir müſſen für die Hunderte von hieſigen Gewerbetreibenden, deren Exiſtenz mit ihren oft zahlreichen Familienmitgliedern durch dieſe ruinierende Konkurrenz aufs ſchwerſte geſchädigt wird, auch ein Herz haben. Deshalb empfehle ich dringend, baldigſt eine Einſchränkung des Straßen⸗ handels in dem Umfange vorzunehmen, wie ſie be⸗ reits andere Orte wie Wilmersdorf, Schöneberg (wo⸗ rüber ich ein amtliches Straßenverzeichnis beſitze, wel⸗ ches faſt alle dortigen Straßen enthält), Neukölln, Lichtenberg und Weißenſee auch nach den Ausführun⸗ gen des Herrn Referenten tatſächlich zur Durchführung gebracht haben durch polizeiliches Verbot des Straßen⸗ handels in ihren Hauptverkehrsſtraßen und faſt aller Nebenſtraßen im Stadtinnern. Stadtv. Granitza: Meine Herren! Eine Anzahl meiner Freunde ſteht an ſich durchaus auf dem Stand⸗ punkt des Petitionsausſchuſſes. Nun bin ich aller⸗ dings durch den Herrn Bürgermeiſter darüber belehrt worden, daß der Abſchaffung des Straßenhandels ge⸗ ſetzliche Beſtimmungen entgegenſtehen. Ich muß daher meine Ausführungen dahin einſchränken, daß ich bitte, den Antrag des Petitionsausſchuſſes ſoweit zu berück⸗ ſichtigen, wie es das Geſetz irgend zuläßt; denn gerade weil wir für den kleinen Mann eintreten, ſchließen wir uns dieſem Antrag an. Es gibt eine unendliche Menge kleiner Gewerbetreibenden, die ihre Waren in kleinen Läden feilhalten und alle durch dieſen Straßenhandel tot gemacht werden. Es kommt dazu, daß ſich auch aus hygieniſchen Gründen der Straßenhandel wenig empfiehlt. Die Polizei kann dieſe Waren garnicht ſo kontrollieren, wie es ihr möglich iſt, wenn ſie in einem feſten Laden feilgeboten werden. Ich ſehe nicht ein, warum gerade von der linken Gruppe hiergegen Stel⸗ lung genommen wird. Außerdem ſchädigen wir auch inſofern unſer Städtebild, als reichlich Schmutz in die Straßen gebracht wird, unter dem nicht nur die Haus⸗ beſitzer, ſondern auch die Mieter leiden. Ich ſtelle daher den Antrag auf Berückſichtigung, wie es hier in den Petitionen zum Ausdruck gebracht iſt. Stadtv. Dr Borchardt: Meine Herren! Vor einigen Jahren ereignete es ſich in Charlottenburg, daß von vollkommen menſchenleeren Straßen Leute im ſo⸗ genannten Verkehrsintereſſe ſeitens der Polizei weg⸗