424 Sitzung vom 3. Der Herr Bürgermeiſter hat inſofern Unrecht, als er ſagte, daß ſich die Stadtverordnetenverſammlung ſtets auf den Standpunkt, den Herr Kollege Scharnberg heute eingenommen hat, geſtellt hätte. Ich habe den ſtenographiſchen Bericht über die Verhandlungen der Stadtverordnetenverſammlung vom 20. März 1912 vor mir, in dem ausdrücklich die Petition dem Magiſtrat als Material überwieſen und über ſie nicht zur Tages⸗ ordnung übergegangen iſt. (Die Verſammlung beſchließt unter Ablehnung des Ausſchußantrages mit großer Mehrheit nach dem Antrage des Stadtv. Erdmannsdörffer die Ueber⸗ weiſung der Petitionen an den Magiſtrat als Material, wodurch ſich der von dem Stadtv. Scharnberg geſtellte Antrag auf Übergang zur Tagesordnung erledigt.) Vorſteher Dr Frentzel: ordnung: Bericht des Ausſchuſſes über die Vorlage betr. Verſor⸗ gung von Hinterbliebenen unverheirateter ſtädtiſcher Bedienſteten. — Druckſachen 224, 312. Stadtv. Dr Stadthagen (zur Geſchäftsordnung): Ich möchte Sie im Namen meiner Freunde bitten, dieſen Punkt der Tagesordnung für heute abzuſetzen. Bei der vorgerückten Zeit möchte ich mir eine weitere Begründung erſparen. Vorſteher Dr Frentzel: Ich darf annehmen, daß der Antrag in Übereinſtimmung mit dem Herrn Refe⸗ renten erfolgt. Punkt 11 der Tages⸗ (Zuſtimmung.) (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Stadtv. Dr. Stadthagen.) Punkt 12 der Tagesordnung: Bericht des Ausſchuſſes über den Antrag der Stadtv. Zietſch und Gen. betr. Tarifvertrag. — Druckſachen 108, 3413. Berichterſtatter Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Der Antrag lautet — ich darf mir erlauben, ihn zu wiederholen, da ja ſeit der diesbezüglichen Verhandlung in der Stadtverordnetenverſammlung ein halbes Jahr vergangen iſt —: Der Magiſtrat wird erſucht, erneut mit den in Betracht kommenden Arbeiterverbänden über den Abſchluß eines kollektiven Arbeitsvertrages (Tarifvertrag) für die ſtädtiſchen Arbeiter und Angeſtellten in Verhandlung zu treten. Da in jener Verſammlung ausführlich die Gründe und Gegengründe hervorgehoben worden ſind, ſo darf ich mich als Berichterſtatter begnügen, nur die weſentlichen Gründe der Antragſteller und die hauptſächlichen Gegengründe zu kennzeichnen. Die Herren Antragſteller wünſchen einen kollek⸗ tiven Arbeitsvertrag, einen Tarifvertrag, zwiſchen dem Magiſtrat und den ſtädtiſchen Arbeitern haupt⸗ ſächlich deshalb, weil es als erforderlich angeſehen wird, daß an die Stelle des einen Arbeiters eine Gemein⸗ ſchaft von Arbeitern geſetzt wird, die als wirkſames Gegengewicht gegen den ohnedies viel ſtärteren Un⸗ ternehmer, ſei er privater oder gemeindlicher Art, auftreten kann. Die Antragſteller machen alſo in dieſer Beziehung bei ihrer Motivierung keinen Unter⸗ Dezember 1913 ſchied, ob es ſich um einen Privatbetrieb oder einen Gemeindebetrieb handelt. Es ſoll daher — und das iſt das weſentliche Motiv der Antragſteller — die Arbeiterſchaft bei dem Abſchluß des Arbeitsvertrages als gleichwertiger Kontrahent angeſehen und behandelt werden. Schließlich iſt ein weſentlicher Grund für die Herren Antragſteller der geweſen, daß die Ge⸗ meinde wirtſchaftlich viel mächtiger wäre als die Ar⸗ beiterſchaft und noch weit mächtiger als der Privat⸗ unternehmer. Meine Herren, im Ausſchuß ſind, wie geſagt, we⸗ ſentlich neue Geſichtspunkte nicht hervorgetreten. Ich begnüge mich daher, auch nur kurz zu präziſieren, was die Mehrheit des Ausſchuſſes veranlaßt hat, dem An⸗ trag nicht zuzuſtimmen, demnach alſo dem Magiſtrat nicht zu empfehlen, kollektive Arbeitsverträge mit den ſtädtiſchen Arbeitern abzuſchließen. Es wird von allen Seiten zugegeben, daß ſich im Privatbetriebe der kollektive Arbeitsvertrag als ſegensvoll erwieſen hat, indem nicht nur die Arbei⸗ terſchaft an dem Zuſtandekommen des Arbeitsver⸗ trages mitwirkt, ſondern weil auch in wirtſchaftliche Beziehung der Zweck und die Bedeutung des kollek⸗ tiven Arbeitsvertrages der iſt, daß die Sicherheit der Arbeitsbedingungen für längere Zeit gewährleiſtet und der Frieden im Wirtſchaftsleben für eine Periode geſichert wird. Nun, meine Herren, ſteht der Lohn reſp. auch der durch den Arbeitsnormenvertrag geſicherte Lohn⸗ tarif des Privatbetriebs in gewiſſen Beziehungen zu dem Preiſe des Arbeitsproduktes. Das hat auch der verſtorbene Kollege Zietſch in ſeiner Rede vom 23. April hervorgehoben, indem er ſagte: der Arbeit⸗ geber kauft die Arbeitskraft, der Arbeitnehmer ver⸗ kauft ſie, und beide, Käufer wie Verkäufer, ſollen als gleichberechtigte, gegenſeitig ſich anerkennende Kontra⸗ henten gegenüberſtehen und den Vertrag vollziehen. — Nun iſt aber der Arbeitsvertrag, der zwiſchen einer Gemeinde und der Arbeiterſchaft abgeſchloſſen werden würde, von einem ganz andern Charakter als der Kollektivarbeitsvertrag im Privatbetriebe. Wir haben bekanntlich für die ſtädtiſchen Arbeiter einen Normallohnplan, in dem die Löhne für die Zeit bis zur neuen Reviſion des Normaletats beſtimmt ſind, in dem eine Skala feſtgeſetzt wurde, ſo daß der auch im Dienſt Aeltere eine höhere Einnahme hat als der Jüngere. Es wird Ruhelohn gewährt und dergleichen, Familienzulage und allerlei beamtenähnliche Vorteile, die der Herr Bürgermeiſter in ſeiner Rede vom 23. April ſchon in ausführlicher Weiſe ſchilderte. Der Normallohnplan, der für die ſtädtiſchen Arbeiter gilt, hat im Gegenſatz zu dem Lohntarif im Privatbetriebe abſolut keine Beziehungen zu dem Preiſe, dem Ver⸗ kaufswerte des Arbeitsproduktes; der Normallohn⸗ plan ſtellt vielmehr lediglich eine Alimentierung dar, hat den Charakter einer Beamtenverſorgung, einer be⸗ amtenähnlichen Alimentierung, verbunden mit all den Vorrechten, auf die ich vorhin ſchon hingewieſen habe. Das Arbeitsverhältnis des ſtädtiſchen Arbeiters in der Gemeinde kann man alſo nahezu als ein kommu⸗ niſtiſches Arbeitsverhältnis anſehen, im Gegenſatz zu dem Arbeitsvertrage im Privatbetriebe, der im wirt⸗ ſchaftlichen Kampfe ſteht. 2 Nun wollen die Antragſteller, daß die Arbeiter⸗ ſchaft als ſolche, vertreten durch ihre Verbände, an dieſem Normallohnplan bzw. an der Feſtſetzung der Löhne mitarbeitet; ſte verlangen eine Mitwirkung auf einer rechtlichen Baſts. Als Verbände kommen