426 Sitzung vom 3 ſo irrt er ſich. Mindeſtens aber ſtimmt die Statiſtik nicht; ich kann dem Berichterſtatter mitteilen, daß in den hieſigen Betrieben weit über 1000 Arbeiter beſchäf⸗ tigt ſind, die organiſiert ſind. Darin hat der Bericht⸗ erſtatter allerdings recht: nur für eine einzige Orga⸗ niſation kommen über 500 organiſierte Arbeiter in Frage. Weiter iſt hier angeführt worden, daß bei der Kommune die Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen geregelt ſeien, daß die Exiſtenz der Arbeiter Zeitlebens geſichert ſei, daß ſie einen auskömmlichen Lohn hätten uſw., und es läge eine gewiſſe Gefahr vor — wenigſtens ſo habe ich es verſtanden —, daß, wenn Tarifverträge be⸗ ſtänden, dieſe Exiſtenz unter Umſtänden gefährdet ſein könne. Nun, meine Herren, wie ſieht es denn mit der Exiſtenz hier in Charlottenburg aus? Durch die Statiſtik iſt feſtgeſtellt, daß beiſpielsweiſe im Monat Dezember Arbeiter hier vorhanden ſind, die mit einem Tagelohn von 3,15 % nach Hauſe gehen müſſen. Da frage ich den Berichterſtatter, ob das denn unter den heute gegebenen Verhältniſſen ein auskömmlicher Lohn iſt! Aber weiter: wir müſſen konſtatieren, daß der tägliche Lohn bei einem Teil der Arbeiter nur 3,60 ℳ ausmacht, daß alſo unter Um⸗ ſtänden, wenn die Sonn⸗ und Feiertage nicht mitbe⸗ zahlt werden, der Wochenlohn ſich auf 18 ℳ beläuft. Nun frage ich Sie: wo iſt denn da der auskömmliche Lohn? Er verſchwindet ohne weiteres. Und ſeien wir gerecht: die vertraglichen Abſchlüſſe mit anderen Kommunen haben ja den Beweis erbracht, daß der Arbeiter nicht nur allein durch die Regelung eines Normaletats geſichert iſt, ſondern daß durch die Mit⸗ beratung der Gewerkſchaften dem Magiſtrat manche unliebſame Seite der Sache abgenommen wird und daß ſich dabei eine ganz andere Regelung ergibt. Wenn der Berichterſtatter ferner ſagt, der Staats⸗ und (Gemeindearbeiterverband ſei keine Fachorganiſa⸗ tion, ſo irrt er auch hierin. Ich kann mitteilen, daß dieſer Verband ſich durchweg aus Arbeitern in Gas⸗ anſtalten, in Parkanlagen und aus allen Kategorien von Arbeitern zuſammenſetzt, die wir in der Stadt haben. Alſo da iſt ohne weiteres der Fachmann vor⸗ handen, und auch die an der Spitze ſtehenden Arbeiter ſind Fachleute. Wir haben alſo tatſächlich mit einer Fachorganiſation zu rechnen, und dieſe weiß wohl ohne weiteres zu ermeſſen, was recht und billig iſt. Meine Herren, weiter wird geſagt, daß beiſpiels⸗ weiſe Differenzen entſtehen könnten, wenn der Tarif abläuft und die Einigung ſich nicht erzielen läßt. Auch hier ſieht ja der Tarifvertrag beſtimmte Inſtanzen vor, oder es laſſen ſich in den Tarifvertrag gewiſſe Beſtim⸗ mungen hineinbringen, auf Grund deren alle dieſe Differenzen leicht beſeitigt werden können. Aber nun die Gefahr, daß die Stadt eines guten Tages eventuell kein Licht oder kein Waſſer haben könnte! Ja, das liegt dann doch meines Erachtens lediglich in der Auf⸗ faſſung der in Betracht kommenden Gegenſätze, und da behaupte ich ohne weiteres: bei gutem Willen läßt ſich das alles vermeiden. (Zuruf: J Gott bewahre!) Lieber Kollege Münch, ich ſage: bei gutem Willen läßt ſich das vermeiden, und wir haben doch heute am Anfang unſerer Tagesordnung gehört, wie weit wir mit unſeren Einrichtungen bis jetzt ge⸗ kommen ſind, wie ſich die Verhältniſſe in dieſer Rich⸗ tung entwickelt haben; wir haben heute Arbeiteraus⸗ ſchüſſe uſw. In der damaligen Plenarſitzung haben geſtellten Antrage nicht Dezember 1913 wir ja gehört, daß der Magiſtrat ſagte, die Arbeiter ſeien doch vertreten. Nun hat ſich aber herausgeſtellt, wie weit dieſe Vertretung geht; es iſt keine durchgrei⸗ fende Vertretung. Ich will noch auf einen weiteren Punkt aufmerkſam machen: bei Beratung des Normal⸗ etats haben wir tatſächlich gefeilſcht und feilſchen müſ⸗ ſen um einen Pfennig Lohnerhöhung. Als wir da⸗ mals dieſe Etatsberatung hatten, da wurde ja mit großem Tamtam in die Welt geſetzt: eine Million haben wir für die Erhöhung der Löhne bewilligt. Aber das Syſtem, das wir bedauerlicherweiſe noch in Char⸗ lottenburg haben, das Syſtem der ſtändigen und nicht⸗ ſtändigen Lohnarbeiter, hat uns bewieſen, daß wir da⸗ mit nicht zurecht kommen. Alſo das iſt nicht die Ge⸗ währ, die wir bieten müſſen, und aus allen dieſen Gründen, um dem Arbeiter eine rechtliche Gewähr zu bieten, erachte ich es für notwendig, Kollektivverträae abzuſchließen. Meine Herren, wir vergeben uns damit aber auch gar nichts. Der Magiſtrat ſowohl wie die Stadtver⸗ ordnetenverſammlung wird ſtets das Recht haben, mit dreinzureden, Beſchlüſſe zu faſſen und mit den in Frage kommenden Korporationen oder Organiſationen wei⸗ tere Verhandlungen zu pflegen. Ich meine, das ſind auch alles Fragen, die ſich ohne weiteres in einem fer⸗ tigen Vertrage feſtlegen laſſen. Ich möchte ferner an Stettin erinnern: wie weit iſt Stettin in dieſem Jahre mit ſeinem Streik gekommen? Infolge Nichtachtung der ſich dort ergebenden Verhältniſſe brach der Kampf aus. Hätte der Magiſtrat von Stettin den richtigen Weg eingeſchlagen, mit den Organiſationen in Ver⸗ handlungen einzutreten, dann, behaupte ich, wäre der Streik gar nicht ausgebrochen. Alſo gerade das Gegen⸗ teil von Sicherung tritt ein; wenn die Stadt ſich ſichern will, dann iſt es das Beſte, wenn ſie mit den Organi⸗ ſationen Tarifverträge abſchließt. Sodann wird geſagt, den Nichtorganiſierten ge⸗ genüber ſei eine gewiſſe Ungerechtigkeit vorhanden. Nun, ich behaupte: die Nichtorganiſierten werden recht bald einſehen, wie notwendig es iſt, ſich der Organiſa⸗ tion anzuſchließen. (Ahal) — Ja, meine Herren, Sie rufen „Aha“! Erſt kürzlich hat hier in Charlottenburg eine andere Richtung von Arbeitern getagt, und da haben Sie alle den Organi⸗ ſationsbeſtrebungen dieſer in anderer Richtung ſich be⸗ wegenden Organiſation zugejubelt. (Widerſpruch.) — Sie haben dem zugejubelt, daß die national ge⸗ ſinnten Arbeiter Organiſation betreiben. Das ſind doch Ihre Freunde, und es freut mich, daß Sie denen Ihre Unterſtützung angedeihen laſſen. Aber das Recht, das dieſe Arbeitergruppe für ſich in Anſpruch nimmt, werden andere Gruppen ebenfalls in Anſpruch nehmen, und da wird der Magiſtrat ſich nichts vergeben, wenn er mit dieſen Tarifverträge abſchließt. Alſo die Aengſtlichkeit, die ſich heute bedauer⸗ licherweiſe immer noch zeigt, daß man mit den Arbei⸗ tern nicht in tarifvertragliche Beziehungen eintreten will, iſt meines Erachtens nicht am Platze; wir können ruhig das tun, was hier mehrfach als Wunſch der Arbeiter zum Ausdruck gekommen iſt. Ich bedaure alſo lebhaft, daß der Ausſchuß beantragt, dem von uns olge zu geben.