438 Sitzung vom 3. Meinung, daß eine derartige Klauſel nicht nur in dieſer Zeit in die Verträge hineingehört, ſondern dauernd darin enthalten ſein ſollte, damit ſtets Charlottenburger Arbeiter ſoweit wie möglich bei dieſen Arbeiten be⸗ rückſichtigt werden. Stadtbaurat Bredtſchneider: Der Herr Redner be⸗ findet ſich in einem Irrtum, wenn er behauptet, daß es der Unternehmer Fiebig ſei, der nicht genügend Arbeiter beſchaffen kann. Wenn wir ſchon zwiſchen den beiden Unternehmern in bezug auf die Be⸗ ſchaffung von Arbeitern einen Unterſchied machen wollen, dann müſſen Sie umgekehrt ſagen: die Ver⸗ einigte Eiſenbahnbau⸗ und Betriebsgeſellſchaft iſt die⸗ jenige, die nicht genügend Arbeiter heranbekommen kann. Fiebig hat immer genug Arbeiter gehabt. Woher das kommt, laſſe ich dahingeſtellt. Es kommt vielleicht daher, daß Fiebig ſeit längeren Jahren ausſchließlich in der Umgegend von Berlin arbeitet, während die Eiſenbahnbau⸗ und Betriebsgeſellſchaft mehr außerhalb beſchäftigt war. Was nun die Löhne anlangt, ſo habe ich darüber in der Kanaliſationsdeputation nähere Ausführungen gemacht. Ich habe mich an Ort und Stelle davon überzeugt, daß bei der Eiſenbahnbau⸗ und Betriebs⸗ geſellſchaft 40 Pf. nur ſehr wenige Arbeiter erhal⸗ ten; die meiſten beziehen einen Lohn von 45, 50 und 60 Pf. Außerdem mache ich darauf aufmerkſam, daß bei der Eiſenbahnbau⸗ und Betriebsgeſellſchaft ein Akkord überhaupt noch nicht geleiſtet worden iſt, die Geſellſchaft vielmehr die Arbeiten ausſchließlich im Tagelohn machen läßt. (Hört! Hört!) Der Unternehmer Fiebig allerdings hat einige Leute im Akkord beſchäftigt, namentlich ſolche Leute, die mit Drainagearbeiten beſchäftigt werden, wobei ſich ein Akkord leicht berechnen läßt. Hierbei verdienen die Leute 5 ℳ bis 5,50 ℳ. pro Tag. Wenn Sie be⸗ denken, daß der Arbeitstag nur 8 Stunden hat, dann iſt nach meiner Auffaſſung — und darin werden Sie mir beiſtimman — ein Lohn von 5 bis 5,„50 für einen ungelernten Arbeiter ein auskömmlicher Verdienſt. Es kann alſo nicht daran liegen, daß die 1316 zu wenig verdienen, daß der Lohn zu gering iſt. Ich habe in meinen erſten Ausführungen nicht behauptet, es läge daran und daran, ſondern ich habe nur Vermutungen ausgeſprochen, und wenn meine Vermutungen nicht zutreffend ſind, dann bitte ich um Entſchuldigung: aber Behauptungen über die Urſachen habe ich nicht aufgeſtellt. Wenn Herr Stadtv. Gebert auf Außerungen in der Kanaliſationsdeputationsſitzung hingewieſen hat, ſo muß ich allerdings ſagen, daß dort einige Stimmen laut geworden ſind, die dahingehen, der Charlottenburger Arbeiter könne die Erdarbeiten nicht machen, er ſei nicht daran gewöhnt, ſie ſeien für ihn zu ſchwer: das könnten nur Leute tun, die aus der Provinz ſtammten. Ich möchte bemerken, daß ich hier zufällig eine Liſte habe, aus der hervorgeht, woher die Leute ſtammen. Danach ſind 31 aus Maſen, 39 aus Schleſten, 13 aus Weſtpreußen, 19 aus Oſtpreußen; 100 ſind aus Charlottenburg, See⸗ / Dezember 1913 burg und Spandau. Alſo 102 ſind von außerhalb und 100 aus der Umgegend, davon aus Charlotten⸗ burg nur 5. Von dem anderen Unternehmer kann ich Ihnen im Augenblick die Daten nicht geben; aber die Verhältniszahl wird ungefähr die gleiche ſein. Alſo ſie ſehen, es iſt beim beſten Willen nicht möglich geweſen — und Sie werden bei mir nicht zweifeln, daß ich den beſten Willen gehabt habe —, dort Charlottenburger Arbeiter zu beſchäftigen. Des⸗ halb muß ich einer Behauptung, die der Auffaſſung Ausdruck gibt, daß die Bauverwaltung nicht genug getan habe, ganz energiſch entgegentreten. Stadtv. Wagner: Die meiſten Herren in der Kanaliſationsdeputation haben den Eindruck ge⸗ wonnen, daß die Verwaltung in dem Fall ſicher ge⸗ tan hat, was ſie tun konnte, aber zweifellos von vorn⸗ herein in dem Gefühl, daß das, was ſie getan hat, von Anfang an vergebens iſt. Deshalb iſt es beſonders anzuerkennen, daß in dieſer Weiſe gerade hier und trotzdem mit dem Arbeitsnachweis von ihr vor⸗ gegangen wonden iſt. Ich glaube aber, meine Herren, daß wir den Kern der Sache nicht ganz treffen, wenn wir bei dieſer Gelegenheit überhaupt von Notſtandsarbeiten reden; das ſind keine Notſtandsarbeiten, ſondern Tiefbauſpezialarbeiten. Wenn ſich die Herren einen Galizier anſehen wollen, wie er ein Schippe Sand 5 Meter in die Höhe wirft, ohne daß ein Körnchen vorbeifliegt, ſo werden Sie einſehen, daß das z. B. kein Kupferſtecher fertig bekommt, der gerade Arbeit ſucht und zu derſelben Arbeit die doppelte Zeit ge⸗ brauchen würde. Weiter darf nicht vergeſſen werden, daß gerade dieſe Leute, die Galizier, beſonders be⸗ dürfnislos und durch ihre robuſte Geſundheit ge⸗ eignet ſind. Alſo es handelt ſich hier um Spezial⸗ arbeiten, zu denen gerade Polen und Galizier ge⸗ eignet ſind, wie auch damals bei dem Nord⸗Oſtſee⸗ Kanal ſtatiſtiſch feſtgeſtellt iſt, daß nur mit dieſen Leuten wirklich gut vorangearbeitet wurde. Und das ſind hier eben auch Arbeiten, die ſchnell bewältigt werden müſſen. Jedenfalls hat die Mehrzahl der Mitglieder der Deputation den Eindruck gehabt, daß die Verwaltung getan hat, was ſie irgend tun konnte. Daß es an und für ſich nicht gut iſt, wenn ausländiſche Arbeiter in das Land hineinkommen, darin ſtimme ich mit Herrn Wilk durchaus überein; aber hier iſt das eine andere Sache und nicht die Gelegenheit, dieſe ganze Frage aufzurollen. (Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird ab⸗ gelehnt.) (Stadtv. Gebert: Ich verzichte!) Vorſteher Dr. Frentzel: Jetzt ſteht kein Redner mehr auf der Rednerliſte. Damit iſt die Angelegen⸗ heit erledigt. Ich ſchließe die öffentliche Sitzung. (Schluß der Sitzung 10 Uhr 57 Minuten.)