Sitzung vom 17. Zu dieſem Antrag kann ich mich lediglich auf die Aus⸗ führungen des Herrn Referenten beziehen und Sie bitten, dem Vorſchlage des Ausſchuſſes zu folgen; denn ſonſt würde tatſächlich die ganze Vorlage gegen⸗ ſtandslos ſein. Sie würde nach meinem Dafürhalten in ihren weſentlichſten Wirkungen aufgehoben, wenn dieſer Zuſatz angenommen würde. (Stadtv. Dr Stadthagen zieht den von ihm ge⸗ ſtellten Antrag zurück.) Stadtv. Dr Liepmann: Auch ich ziehe nach der authentiſchen Interpretation, die der Herr Bürger⸗ 10 gegeben hat, die Nr. 2 und 3 meines Antrages zurü Zunächſt möchte ich bemerken, meine Herren, daß mein Antrag nur ein Eventualantrag iſt; denn ich und ein Teil meiner Freunde ſind, trotzdem wir das fürſorgende und ſoziale Moment, das in dieſer 100e. e liegt, durchaus anerkennen, Gegner der Vor⸗ age. (Semew. Erdmannsdörffer: Hört! hört!) Wir ſind es deshalb, weil wir in dieſer Vorlage eine grundſätzliche Umwälzung der Prinzipien, die bisher über das Verſorgungsweſen in allen größeren Gemein⸗ ſchaften gelten, ſehen, und weil wir eine große Ge⸗ fahr darin erblicken, wegen eines beſtimmten Falls zu verallgemeinern und die Klinke der Geſetzgebung in die Hand zu nehmen. Meine Herren, bedenken Sie dann, von welcher weittragenden Bedeutung dieſe Vorlage auch für andere Kommunen und Verbände iſt, in denen natürlich von den beteiligten Kreiſen verlangt werden wird, daß man das Charlottenbur⸗ ger Beiſpiel nachahmi. Stellt man ſchließlich, was ſicher geſchehen wird, die gleiche Forderung auch für den Staat auf, ſo ſo ſehen Sie, zu welchen Konſequen⸗ zen man durch die Vorlage kommen kann. Es iſt ja richtig, daß der finanzielle Effekt augenblicklich vielleicht noch kein ſehr großer ſein wird; jedenfalls iſt er aber vorläufig noch unklar, und wie die Wir⸗ kung ſein wird, wenn erft eine derartige Regelung, die vorläufig allein für Charlottenburg gegeben iſt, in weiten Kreiſen bekannt wird, ob nicht gerade dieſe Kreiſe einen gewiſſen Anreiz verſpüren werden, in hieſige ſtädtiſche Dienſte zu treten, das läßt ſich nicht überſehen. — Ja, wenn auch der Kollege Otto lächelt, ich glaube doch, daß manche Beamten hierin eine große Verlockung ſehen werden, nunmehr entweder eine Schweſter oder eine Schwägerin ins Haus zu nehmen oder aber hierher zu ziehen, wenn man als Witwer mit einer Schwiegermutter begabt iſt. (Heiterkeit.) Meine Herren, iſt es geraten, daß wir mit dieſer Aenderung den Anfang machen ſollen, in einer Zeit der allgemeinen Geldknappheit, wo wir beſonders hier in Charlottenburg die Steigerung des Steuer⸗ bedarfs doch ſehr fühlen werden? — Ich wäre er⸗ freut, Herr Oberbürgermeiſter, wenn ich Ihr Kopf⸗ ſchütteln dahin deuten könnte, daß wir fernerhin mit der Einkommenſteuer ſicher auskommen werden; (Heiterkeit) aber ich glaube, das wollten Sie damit nicht beſagen. (Erneute Heiterkeit.) Dezember 1913 455 In einer Zeit, wo wir alle den Wunſch haben, mög⸗ lichſt bald einer Reviſion des Normalbeſoldungsetats mit einer Erhöhung der Bezüge unſerer Beamten näherzutreten, da ſollten wir doch in dieſen Dingen recht vorſichtig ſein. Bei allen dieſen Erwägungen würde ich trotzdem für die Vorlage ſein, wenn ich mir ſagen müßte: eine derartige Aenderung iſt notwendig, und die Aende⸗ rung, wie ſie uns hier vorgelegt iſt, enthält eine gute und gerechte Begrenzung. Aber beides und insbe⸗ ſondere den letzten Punkt muß ich leugnen. Ich und ein Teil meiner Freunde ſind der Meinung, daß die Vorlage in mancher Beziehung viel zu weit geht und in mancher Beziehung wieder viel zu eng iſt. Nach einigen Richrungen geht ſie nicht weit genug. Neh⸗ men Sie z. B. an, daß man eine ſehr treue und gute HSauhälterin, eine nicht ganz nahe Verwandte, angenommen hat: die geht dann nach der Vorlage als Hinterbliebene leer aus. Ebenſo liegt der Fall, wenn man dauernd, um eine kranke Frau zu pflegen, ge⸗ nötigt iſt, eine nahe Verwandte anzunehmen; auch da würde eventuell die herangezogene Verwandte, der nun nach dem Ableben des Beamten noch die Pflicht auferlegt iſt, die hinterbliebene kranke Frau weiter zu verſorgen und zu verpflegen, nicht bedacht werden. Schließlich denke ich an die Fälle, da man eine Ver⸗ wandte ins Haus nimmt, die unter dieſe Vorlage fallen würde, wenn die Verpflegung nicht ganze zehn Jahre dauert, obgleich ſie aufopfernd und während langer Zeit ausgeübt worden iſt. Alſo, wie geſagt, es ſind viele Fälle, die hier nicht erfaßt werden und die man gern erfaßt ſehen möchte. Nun geht die Vorlage aber entſchieden auch viel zu weit. Zunächſt möchte ich mich da an die Worte halten: „Gewährung von Wohnung und Unterhalt“. Damit ſoll anſcheinend auch die entgeltlich e Ge⸗ währung von Wohnung und Unterhalt mit begriffen ſein. Ja, ich glaube doch, wenn hier ſtatt des Verſtor⸗ benen die Anſtellerin, die Stadt bei der Hinterblie⸗ benenfürſorge eintreten ſoll, ſo kommt es viel mehr auf die Frage an: was hat die Verwandte dem ver⸗ ſtorbenen Beamten oder Bedienſteten geleiſtet, als darauf: was leiſtete der verſtorbene Beamte ſeiner Angehörigen. Deshalb geht es mir viel zu weit, wenn auch eine entgeltliche Gewährung von Unterhalt und Wohnung als ein Grund angeſehen wird, daß nun die Stadt eintreten ſoll. Denken Sie ſich weiter den Fall, daß eine An⸗ gehörige, die Unterhalt bekommt, einen ſehr lohnen⸗ den Nebenverdienſt hat: ſoll dieſe auch Hinterbliebe⸗ nenunterſtützung erhalten? Ferner — und da kommt der wichtigſte Punkt, gegen den ſich meine Beden⸗ ken richten —, wie ſoll es bei vermögenden Leuten gehalten werden, wenn entweder der Bedienſtete ein größeres Vermögen hinterläßt oder wenn die An⸗ gehörige vermögend iſt? Wollen Sie, um den Kon⸗ trollſchwierigkeiten zu entgehen, um ſich nicht „Sche⸗ rereien“ zu machen, hier ganz gleichmäßig Ihren Se⸗ gen ausſchütten, ob arm oder reich? Das geht meiner Anſicht nach viel zu weit. (Stadtv. Erdmannsdörffer: Doch nur, wenn ein Antrag vorliegt!) — Der Antrag würde unter Umſtänden auch von wohlhabenden Leuten geſtellt werden, und man ſollte meiner Anſicht nach doch einen grundſätzlichen Unter⸗ ſchied machen in den Fällen, wo keine Unterſtützung notwendig iſt. Nehmen Sie z. B. an, die Hinter⸗