456 Sitzung vom 17 bliebene iſt eine 28jährige junge Dame, die noch durchaus arbeitsfähig iſt und ſehr wohl ihrem Erwerb nachgehen kann, als Lehrerin oder wie Sie wollen: nun ſoll ſie Koſtgängerin der Stadt werden! Dazu ſehen wir nicht die geringſte Veranlaſſung. Es würde ja gerade das Gegenteil einer Junggeſellenbeſteu⸗ erung herauskommen, wenn Sie hier Ihre Renten auf arm und reich gleichmäßig ausſchütten. (Berichterſtatter Stadtv. Dr. Rothholz: Es iſt ja von Witwern uſw. die Rede!) — Nur zum Teil, aber zum Teil auch von Jung⸗ geſellen. Ich will Ihnen die weiteren Konſtellationen, die denkbar ſind, gar nicht alle ausführen. Wir glauben, daß die jetzige Behandlung von Fall zu Fall jeden⸗ falls eine gerechtere Würdigung aller in Betracht kommenden Verhältniſſe ermöglicht. Wir glauben ferner, daß, wenn kein Anſpruch gegeben iſt, ſondern wenn ein ſolcher nur bei beſonderen Verhältniſſen zu⸗ gebilligt werden kann, dadurch das Gefühl der Selbſt⸗ verantwortlichkeit unſerer Beamten und Arbeiter ge⸗ hoben und geſtärkt wird. Deshalb werden wir prin⸗ zipaliter für Ablehnung ſtimmen. Sollte dieſe aber nicht beliebt werden, ſo bitte ich, zunächſt mein Amende⸗ ment 1 anzunehmen, das eben darauf geht, daß bei Vorhandenſein eines größeren Vermögens oder bei der Möglichkeit eines eigenen ausreichenden Erwerbs die Hinterbliebenenverſorgung zurücktritt. Meiner Anſicht nach kann dagegen nicht in Betracht kommen, daß die Kontrolle etwas mehr Arbeit macht, und daß ſich die Hinterbliebenen etwas in ihre Verhältniſſe hineinſehen laſſen müſſen. Ja, dafür verlangen ſie ja auch eine Leiſtung, die unter Umſtänden lang⸗ dauernd und recht läſtig für die Gemeinde ſein kann; da ſollte man ſich auch eine Kontrolle ſehr wohl ge⸗ fallen laſſen. Das Amendement 4, das ich aufrechterhalte, geht ſodann darauf, daß hier eine ähnliche Beſtimmung vor⸗ handen ſein muß wie in unſerem Ortsſtatut über die Gewährung von Witwen⸗ und Waiſengeldern. Da iſt in § 8 dieſelbe Beſtimmung getroffen, wonach die Ehe nur gerechnet wird, ſoweit ſie in die aktive Dienſt⸗ zeit fällt. Nach unſerer Anſicht müſſen eben dieſe 10 Jahre der Pflege, der Gewährung des Unterhalts und der häuslichen Gemeinſchaft in die 10 Jahre der aktiven Dienſtzeit fallen, weil ſonſt ſehr leicht ein ſtarker Anreiz für den Bedienſteten vorliegen kann, ſeinen Haushalt in der letzten Zeit des aktiven Dienſtes ohne zwingenden Grund zu vergrößern, gerade im Hinblick auf die Möglichkeit, einer nahen Verwandten eine Verſorgung durch die Stadt zu ſichern. Zum Schluß möchte ich nur bemerken, daß aus unſerer Stellungnahme nicht herzuleiten iſt, daß wir in dem gedachten Einzelfalle, auf den allein die Vor⸗ lage zuerſt abgeſtellt wurde, es für unangemeſſen an⸗ ſehen würden, eine ausnahmsweiſe Verſorgung zu be⸗ willigen. Denn wir ſchätzen die Verdienſte jenes Be⸗ amten ebenſo hoch wie die anderen Herren, welche hier der Vorlage zuſtimmen; aber wir wünſchen die⸗ ſem Beamten ein ſehr langes Wirken oder ein ſo langes Leben, daß der vorgeſehene Fall vielleicht gar nicht aktuell wird und eben deswegen nicht vorgeſehen zu werden braucht. Jedenfalls ſehen wir keine Ver⸗ anlaſſung, für einen ſolchen Fall ſchon jetzt einen Ge⸗ meindebeſchluß herbeizuführen, noch weniger aber die Klinke der Geſetzgebung in die Hand zu nehmen, um Dezember 1913 ſtatt der Ausnahme eine Regel zu ſtatuieren. Was einem Bismarck verdacht worden iſt, ſollten auch wir Epigonen nicht tun. (Bravo! Sehr richtigl) Stadtv. Erdmannsdörffer: Meine Herren! Ich ſtehe doch auf einem andern Standpunkt als der Herr Vorredner, und ich muß meinem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß er nach den ſehr langen und, wie wir wohl alle zugeben müſſen, zum Teil ſehr ſchwierigen Ausſchußberatungen hier nun noch mit neuen Anträgen kommt, deren Tragweite wir ſchließ⸗ lich in dieſer letzten Stunde nicht voll überſehen können. Ich ſtelle mich auf den Standpunkt des Herrn Referenten und bitte Sie, die Vorlage ſo, wie ſie iſt, ohne jede Aenderung anzunehmen. Der Herr Kollege Liepmann ſah in der Vorlage eine große Gefahr und wollte, daß lediglich von Fall zu Fall entſchieden wird. Meine Freunde ſind an⸗ derer Meinung. Wir wollen eben gerade nicht, daß es mehr oder minder der Latitüde des Magiſtrats überlaſſen wird, ob in einem der in Betracht kom⸗ menden Fälle eine Gewährung von Rente ſtattfindet oder nicht, ſondern wir wollen, daß wir hier ein ge⸗ wiſſes Verfügungsrecht mit darüber haben und duß eine generelle Regelung der Angele⸗ genheit ſtattfindet. (Sehr richtigl) Ich kann auch, wie geſagt, in einer ſolchen Vor⸗ lage keine große ſozialpolitiſche Gefahr erblicken. Meine Herren, die Fälle werden außerordentlich ſel⸗ ten vorkommen, und wenn wir durch einen derartigen ſozialpolitiſchen Schritt, den wir durch die Vorlage nach vorwärts machen, vielleicht andere Gemeinden oder ſogar den Staat an⸗ regen, uns auf dieſer Bahn zu folgen —, nun, ſo glaube ich, das wäre eine Anregung, der wir ganz gern unſere Sanktion erteilen würden. Das kann mich jedenfalls nicht abhalten, der Vorlage zuzuſtim⸗ men, wenn ich ſie ſonſt für richtig halte, weil die „Gefahr“ vorhanden iſt, daß andere uns auf dieſem Gebiete folgen könnten. Es iſt ja zweifellos richtig, was Herr Kollege Liepmann wieder nach der andern Seite hin geſagt hat, daß die Vorlage nicht alle denkbaren Fälle er⸗ faßt. Aber wir waren uns im Ausſchuß vollſtändig darüber klar, daß hier kein vollendetes Werk geſchaffen werden kann, ſondern daß es ſich hier nur um einen Anfang handelt. Es iſt eine völligneue Ma⸗ terie, in die wir hier hineingehen. Natürlich kön⸗ nen wird durch eine Vorlage, die jetzt herauskommt, nicht alle denkbaren, möglichen und eventuell in Er⸗ wägung zu ziehenden Fälle erfaſſen. Aber indem wir die Vorlage nicht nur auf die hinterbliebene Schweſter des Beamten bezogen, ſondern indem wir auch die Mutter der verſtorbenen Frau, indem wir die Schweſter der verſtorbenen Frau, alſo die Schwäge⸗ rin, mit hineinzogen, haben wir geglaubt, eine Er⸗ weiterung der Vorlage zu ſchaffen, die der Sache ein beſſeres Relief gibt. Denn unzweifelhaft liegt eine große Härte vor, wenn in einem ſpeziellen Falle (und in anderen denkbaren Fällen) eine Schwägerin, die einen erheblichen Teil ihres Lebens dem Dienſte des Verwandten hingegeben hat, nun⸗ mehr plötzlich beim Tode des Verwandten vollſtändig leer ausgehen ſoll. (Stadtv. Dr Liepmann: Steht nicht drin!)