458 Dem Bauentwurf für die Altersverſorgungs⸗ anſtalt der Pulsſchen Stiftung auf dem an der Sophie⸗Charlotten⸗Straße gegenüber dem Kran⸗ kenhaus für Geburtshilfe gelegenen Grundſtück, abſchließend mit einer Koſtenanſchlagsſumme von 795 000 %ℳ für das Gebäude einſchließlich Neben⸗ anlagen und 220 000 %%ℳ für das Grundſtück, wird zugeſtimmt. Der Beſchluß über die Belegungsziffer der An⸗ ſtalt bleibt einer beſonderen Vorlage vor⸗ behalten.) Punkt 15 der Tagesordnung: Vorlage betr. Prüfung der Gültigkeit der Stadtverord⸗ netenwahlen und Berichterſtattung des Ausſchuſſes. — Druckſache 334. Berichterſtatter Stadtv. Hirſch: Meine Herren! Dem Antrage des Ausſchuſſes entſprechend erſuche ich Sie, ſämtliche Wahlen für gültig zu erklären. (Die Verſammlung beſchließt die Gültigkeit der am 9., 10. und 11. November 1913 vollzogenen Stadt⸗ verordneten⸗Ergänzungs⸗ und Erſatzwahlen.) Vorſteher Dr Frentzel: ordnung: Punkt 16 der Tages⸗ Antrag der Stadtverordneten Baumann und Gen. betr. Kinderleſehallen. — Druckſache 335. Antragſteller Stadtw. Baumann: Meine Herren! Es gibt Einrichtungen, welche, wenn ſie einmal getrof⸗ fen ſind, ſich mit überraſchender Schnelligkeit einbür⸗ gern, weil ſie einem dringenden Bedürfnis entſprechen. So geht es den Kinderleſehallen, die bereits ſeit langer Zeit in England und Amerika eingeführt ſind. In Deutſchland finden wir ſie zuerſt im Jahre 1910; ſie haben ſich in den vier Jahren ihres Beſtehens in un⸗ ſerm Heimatlande mit überraſchender Schnelligkeit ent⸗ wickelt. Die Kinderleſehallen ſind ein Produkt der ſo⸗ zialen Verhältniſſe. Der Exiſtenzkampf der heutigen Zeit hat es mit ſich gebracht, daß viele Frauen am Er⸗ werbe teilnehmen müſſen, und zwar, wie die Statiſtik zeigt, nicht allein die unverheirateten, ſondern auch die verheirateten Frauen. Der Mann iſt vielfach nicht mehr allein imſtande, den Lebensunterhalt für ſeine Familie aufzubringen; die Frau muß eintreten und mitverdienen. Die Opfer dieſer Verhältniſſe ſind die Kinder, welche ohne mütterliche Pflege den Gefahren der Straße ausgeſetzt ſind. Hier ſollen die Kinderleſe⸗ hallen fördernd und lindernd eintreten und ſich den vorhandenen Einrichtungen anſchließen. Die Kinderleſehallen ſtehen unter dem Zeichen des Kampfes gegen den Schmutz in Wort und Bild. Wie großen Schaden die Schmutzliteratur bei unſerer deut⸗ ſchen Jugend anrichtet, brauche ich in dieſem Kreiſe nicht auszuführen. Sie wiſſen alle, die Sie in der Jugendbewegung ſtehen, mit welcher Kraft und welcher Energie hiergegen angekämpft wird. Es hat ſich er⸗ geben, daß polizeiliche Maßnahmen hier nichts er⸗ reichen können. Beſſerung kann nur von innen heraus erfolgen: die Kinder müſſen von Jugend an dazu er⸗ zogen und gebracht werden, das Gute und Schöne zu ergreifen, das Schlechte und Häßliche zu unterlaſſen. Hier können die Kinderleſehallen mit helfen, um die Kinder dahin zu bringen. Den Kinderleſehallen liegt eine erzieheriſche Aufgabe ob, und zwar ſind ſie gedacht für Knaben und Mädchen aus ſämtlichen Schulen, den Sitzung vom 17. Dezember 1913 höheren, den Mittelſchulen und den Gemeindeſchulen. Wie aber naturgemäß Kinderleſehallen nur in den Gegenden errichtet werden, wo die minder bemittelte Bevölkerung unſerer Stadt wohnt, ſo werden ſich auch hauptſächlich die Kinder aus den Gemeindeſchulen an den Kinderleſehallen beteiligen, und zwar vorzugsweiſe aus den Kreiſen, wo ſie infolge der ſchlechten Wohnungs⸗ verhältniſſe denken wir an die Einzimmerwohnun⸗ gen! — keine Stätte haben, Bücher, die ſie von der Bibliothek mitbringen, zu leſen. Auf die Einzelheiten der Einrichtungen der Kin⸗ derleſehallen will ich mich nicht einlaſſen. Die Ein⸗ richtung hängt lediglich davon ab, wie weit die vorhandenen Mittel reichen und was für Einrich⸗ tungen bereits in der Stadt vorhanden ſind. Die Kinderleſehallen ſollen daher keine neue ſoziale Auf⸗ gabe bilden, ſondern ſie ſollen ſich den vorhan⸗ denen Einrichtungen organiſch und ergänzend an⸗ ſchließen. Sie werden in der Regel im Winter an allen Wochentagen des Nachmittags geöffnet, im Sommer dagegen nur nach Bedarf, und zwar des⸗ wegen, weil von unſeren Pädagogen der Grundſatz aufgeſtellt worden iſt, daß die Kinder bei ſchönem Wetter ins Freie gehören; das iſt auch gewiß zu un⸗ terſchreiben. Wenn ich nun alſo auf die Einzelheiten der Ein⸗ richtung nicht eingehen will, ſo möchte ich doch wenig⸗ ſtens einen Geſichtspunkt hervorheben, nämlich den, daß die Kinderleſehallen nicht zu groß eingerichtet werden, damit das perſönliche Moment in ihnen ge⸗ wahrt bleiben kann. Einzelne Pädagogen erblicken in ihnen eine gewiſſe Gefahr, indem ſie glauben, daß leſewütige Kinder ſich zu ſehr dem Leſen hingeben und ſich dadurch ihren Pflichten gegenüber der Schule und ihren ſonſtigen häuslichen Arbeiten entziehen könnten. Wird eine Kinderleſehalle ſo klein gebaut, daß das perſönliche Moment gewahrt bleibt, ſo würde die Leitung es in der Hand haben, die zu häufig er⸗ ſcheinenden Kinder zurückzuweiſen. In den meiſten Kinderleſehallen wird der Grundſatz aufgeſtellt, daß kein Kind öfter als zweimal in der Woche die Kinder⸗ leſehalle beſuchen darf. In bezug auf die Bücher iſt es Aufgabe der Pä⸗ dagogen und der beſtehenden Jugendſchriftenverbände ihre Meinung hier zum Ausdruck zu bringen. Es ſtehen auch Kataloge von verſchiedenen Leſehallen, die bereits ſeit einigen Jahren eingerichtet ſind, zur Verfügung. Nochmals möchte ich darauf hinweiſen, daß ſich die Leſehallen ſchon in vielen deutſchen Städten, und zwar mit überraſchender Schnelliakeit eingebürgert haben. So hat die Stadt Leipzig ſchon mehr als 12 Leſehallen eingerichtet. Hannover hat die Abſicht, das ganze Stadtgebiet mit Leſehallen zu überziehen. In Schöneberg, in Neukölln, in Pankow beſtehen ſolche. Auch in Berlin hat der Magiſtrat vor eini⸗ gen Jahren Kinderleſehallen eingerichtet und damit derartig gute Erfahrungen gemacht, daß beſchloſſen worden iſt, mit dem weiteren Ausbau von Leſehallen vorzugehen. Wir würden uns alſo mit einem der⸗ artigen Vorgehen nur der Stadt Berlin anſchließen. Meine Herren, ich weiſe darauf hin, daß Sie ja kein Riſiko eingehen, wenn Sie den Antrag annehmen. Sie ſollen ja weiter nichts beſchließen, als den Ma⸗ giſtrat zu erſuchen, der Frage näherzutreten und zu erwägen, ob die ganze Einrichtung auch bei uns durchführbar iſt, und dann auf Grund dieſer Erwä⸗ gungen uns weitere Mitteilungen zu machen. Es handelt ſich alſo nicht um eine neue ſoziale Aufgabe,