2 Sitzung vom 7. Januar 1914 Scharnberg, — Ingenieur Wagner, — Geheimer Baurat Wolffenſtein; — und neugewählt ſind die Herren: Architekt Heidenreich, — Oberpoſtſetretär Kantzenbach. — Meine ſehr geehrten Herren! Die Bürgerſchaft unſerer Stadt hat Sie zu dem höchſten Ehrenamte berufen, das ſie zu vergeben hat, in dem Vertrauen, daß Sie dieſes Amt ausüben werden niemand zuliebe, niemand zuleide, allein zum Wohle der Geſamtheit und nicht im Intereſſe einzelner Perſonen oder ein⸗ zelner Kreiſe der Bevölkerung. Sie treten am heuti⸗ gen Tage wieder bzw. neu ein in die Organiſation der Selbſtverwaltung als vollwichtige Glieder, in die Organiſation derjenigen Selbſtverwaltung, die in nunmehr über 100jähriger Wirkſamkeit Preußens und Deutſchlands Städte groß gemacht hat. Wie in den Zeiren der Städteblüte des Mittelalters, ſo ſind auch heute wieder unſere Städte zu wahren Mittel⸗ punkten der geiſtigen Kultur geworden, von denen reiche Anregung und Erfüllung hinausgeht in unſer ganzes Vaterland. Dürfen wir dies einerſeits mit dem Gefühle berechtigten Stolzes feſtſtellen, ſo liegt uns anderſeits die heilige Pflicht ob, die Selbſt⸗ verwaltung, der wir ſo Großes verdanken, zu ſchützen gegenüber allen Angriffen, die doch immer wieder hie und da gegen ſie gerichtet werden. Deshalb, meine Herren, begrüße ich Sie in erſter Linie als Mitſtreiter für das uns anvertraute köſtliche Gut der Selbſt⸗ verwaltung, das wir rein und unangetaſtet erhalten wollen nicht nur zum Wohle unſerer Städte, ſondern indirekt auch zum Wohle unſeres geſamten Vater⸗ landes. Der Aufgaben, die uns in der nächſten Zeit owohl in unſerer engeren Gemeinde als in Groß⸗ erlin erwarten, ſind nicht wenige. Zunächſt wird die Feſtſetzung des Haushaltsplanes Ihre Kräfte ſtark in Anſpruch nehmen. Wir teilen mit faſt allen in kraft⸗ voller Entwicklung ſtehenden Städten die Erfahrung, daß die Deckung der Ausgaben für die von uns, ſei es auf Grund des Geſetzes, ſei es freiwillig, über⸗ nommenen Kulturaufgaben von Jahr zu Jahr ſchwieriger erſcheint. Auch im übrigen habe ich Grund, anzunehmen, daß die nächſte Zeit uns vor ſchwere, bedeutungsvolle und für die Zukunft unſerer Stadt ſchwerwiegende Fragen ſtellen wird. Ich hege volles Vertrauen, daß die Löſung dieſer Fragen Ihnen gelingen wird in ruhiger, zielbewußter ge⸗ meinſchaftlicher Arbeit mit dem Magiſtrat, in einer Arbeit, die uns einig finden wird, weil es e in Ziel iſt, das wir alle verfolgen: die Wohlfahrt unſerer Bürgerſchaft, die Blüte unſerer ſchönen Stadt. In dieſem Wunſche und in dieſer Hoffnung heiße ich Sie, die bewährten Kämpen der Selbſtverwaltung, und Sie, die friſchen Erſatztruppen, willkommen mit einem herzlichen Glückauf zu freudiger und, wie wir hoffen, erfolgreicher Arbeit im Dienſte des Gemein⸗ wohles! Nunmehr bitte ich Sie, meine verehrten Herren, vorzutreten und mir durch Handſchlag treue und ge⸗ wiſſenhafte Führung Ihres Amtes zu geloben. (Geſchieht.) Vorſteher Dr Frentzel: Meine ſehr verehrten Herren Kollegen! Nachdem Sie ſoeben dem Herrn Oberbürgermeiſter die treue und gewiſſenhafte Führung Ihres Amtes gelobt haben und durch dieſen Akt Ihr Amt nunmehr definitiv angetreten haben, liegt es mir als dem bisherigen Leiter der Verſamm⸗ lung ob, Sie als Mitglieder neu und wiederum zu begrüßen. Allerdings haben die Verhältniſſe es ſo gefügt, daß die große Anzahl von Ihnen uns allen altbekannte und gute Freunde ſind, mit denen wir nichts anderes feiern als ein frohes Wiederſehen. Viele von Ihnen ſind bereits recht lange in unſerer ſtädtiſchen Verwaltung tätig. Aber Sie geſtatten mir, daß ich aus der Zahl der wieder eingeführten Herren einen, nämlich unſeren Senior, herausgreife, der in dieſen Tagen das 50jährige Jubiläum ſeiner Stadt⸗ verordnetentätigkeit feiert und den wir alle deswegen hier beſonders herzlich begrüßen. Wir werden ja dieſer Tatſache noch beſonders in einer Feier ge⸗ denken; aber ich wollte es mir nicht verſagen, auch hier vor der Oeffentlichkeit den Ausdruck des Dankes und des Glückwunſches unſerm verehrten Senior dar⸗ zubringen. Daß ſo viele von Ihnen wieder an die Stätten ihrer alten Wirkſamkeit zurückgekehrt ſind, das halte ich aus zwei Rückſichten für ein erfreuliches Ereignis: erſtens weil es zeigt, daß das Vertrauen der Bürger⸗ ſchaft bei Ihnen geweſen iſt und daß es Ihnen und Ihren Mitkämpfern und Mitſtreitern gelungen iſt, ſich dieſes Vertrauen wieder von neuem zu erwerben; zweitens aber glaube ich auch, daß es im Intereſſe unſerer Stadt iſt, wenn ſo viele erfahrene und mit unſeren Verhältniſſen vertraute Herren ſich wieder an der Arbeit beteiligen, weil dadurch eine Stetigkeit geſichert und garantiert iſt, die nur zum Beſten des Ganzen ſein kann. Deswegen dürfte es auch wohl angebracht ſein, denjenigen Herren, die wieder von neuem das Amt eines Stadtverordneten übernommen haben, den ganz beſonderen Dank auszuſprechen, in der Hoffnung, daß ihre Arbeit ebenſo wie bisher von Erfolg gekrönt ſein möge, und in dem Wunſche, daß ſie aus ihr dasſelbe reiche Maß an Befriedigung und innerer Genugtuung finden mögen, wie ſie es bisher gefunden haben. Die Möglichkeiten hierzu liegen — das möchte ich namentlich den neuen Herren zu⸗ rufen — in ganz beſonders reichem Maße vor. Die Arbeit, die wir zu leiſten haben, iſt nicht immer leicht, und die Entſchlüſſe, die wir zu faſſen haben, erfordern ſehr oft das volle Einſetzen der angeſpannten Geiſteskräfte und das ſtark ausgebildete Verant⸗ wortungsgefühl eines ganzen Mannes. Aber dieſes einſetzen zu müſſen, das Bewußtſein, es eingeſetzt zu haben unter der oberſten Kontrolle des eigenen Ge⸗ wiſſens, das wird jedem die innere Freude, Befriedi⸗ gung und Genugtuung verleihen, die eine jede tüchtige Tat dem Manne gewährt, der ſie geleiſtet hat. In dieſem Sinne heiße ich Sie noch einmal in dieſem Saale als Kollegen herzlich willkommen. Wir kommen nun zum 2. Punkte der Tages⸗ ordnung: Wahl der Mitglieder des Vorſtandes der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung (Vorſteher, deſſen Stellvertreter und 4 Beiſitzer). Ich bitte den Herrn Alterspräſidenten Dr. Frank, die Wahl des Vorſtehers zu leiten. 2 Altersvorſteher Dr Frank (den Vorſitz überneh⸗ mend): Meine Herren! Ich bin am 20. Januar 1834 geboren und wohl das älteſte Mitglied der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung. Das gibt mir die Qualifikation, als Alterspräſident die Wahl zu leiten.