Sitzung vom 21. Januar 1914 herrſcht und damit auf dieſem Gebiete die Möglichkeit freier Entfaltung gegeben iſt. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Vorſteher Dr. Frentzel: Ehe ich dem zunächſt notierten Herrn das Wort gebe, möchte ich mitteilen, daß zu der Angelegenheit, die uns eben beſchäftigt, ein Antrag auf namentliche Abſtimmung eingegangen iſt, der von den Herren Granitza, Dr. Genzmer, Neu⸗ mann, I)r Byt, Ir Stadthagen, Weiſe, Rieſenberg, Wenzte, Hirſch und Vogel unterzeichnet iſt. Stadtv. Otto: Meine Herren! Ich werde dem Herrn Kollegen Ir Borchardt auf das politiſche Ge⸗ biet, das er beſchritten hat und das man wohl am beſten überſchreibt: Die Bekämpfung der Sozialdemo⸗ kratie, nicht folgen. Ich werde zwar in meinen Aus⸗ führungen auch an einer Stelle politiſch werden; aber ich glaube, daß ſich das aus dem organiſchen Zu⸗ ſammenhang mit der Frage, die uns vorliegt, ergibt. Ich habe weiter zu erklären, daß wir die Anträge der Herren Kollegen I)r. Borchardt und Gen. auch nicht unter dem Geſichtswinkel der Bekämpfung der Sozial⸗ demokratie betrachten, ſondern ſie an ſich und rein ſachlich beurteilen. (Sehr wahr! bei den Liberalen.) Der ſozialdemokratiſche Antrag zerfällt in zwei Teile. Der erſte Teil wünſcht die Einführung der geheimen Stimmabgabe bei den Stadtverordneten⸗ wahlen, u9 den zweite Teil fordert die Aufhebung des bis jetzt beſtehenden Hausbeſitzerprivilegs. Herr Kollege Dr Borchardt hat zu dem erſten Teil des Antiags, ſoweit ich ſeine Ausführungen habe ver⸗ folgen können, nichts geſagt. Ich weiß nicht, ob das abſichtlich oder zufällig geſchehen iſt. Vielleicht hat Herr Kollege Dr Borchardt angenommen, daß über die Forderung der Einführung der geheimen Stimm⸗ abgabe bei den Stadtverordnetenwahlen in dieſer Verſammlung nur eine Meinung ſei. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) auch glauben und habe deshalb im Namen meiner Freunde zu erklären, daß wir dieſen Teil des Antrags einſtimmig annehmen werden. Wir handeln ja dabei im Einvernehmen mit der⸗ jenigen Partei, der ſich der größte Teil der Mit⸗ glieder der liberalen Fraktion zurechnet, mit der fort⸗ ſchrittlichen Volkspartei, die einen entſprechenden An⸗ trag in dieſen Tagen im Abgeordnetenhauſe ein⸗ gebracht hat. 1 Trotzdem über dieſen Punkt der Einführung der geheimen Stimmabgabe von Herrn Kollegen Dr Bor⸗ chardt nicht geſprochen worden iſt, glaube ich doch im Rechte zu ſein, wenn ich ihn als den wichtigeren und als einen grundſätzlichen Teil des Antrags bezeichne. Ich möchte das (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Die grundſätzliche Bedeutung, die die geheime Stimm⸗ abgabe hat, kann die Abſchaffung des Hausbeſitzer⸗ privilegs nicht für ſich beanſpruchen, (Stadtv. Hirſch: Oho!) — auch wenn Herr Kolle e Hirſch Oho dazwiſchen ruft. Meine Freunde deben auch zu dieſem zweiten 17 Teil des Antrags Stellung genommen und ſind hier nicht einſtimmig, ſondern nur mit einer recht erheb⸗ lichen Mehrheit dahin einig geworden, auch für dieſen zweiten Teil zu ſtimmen. Herr Kollege Ir Borchardt hat in einer Anrede an mich den Wunſch ausgeſprochen, ich möchte ein vollkommenes, freimütiges Bekenntnis ablegen. Nun glaube ich, daß das Bekenntnis, das ich ablege, in ſeinen Augen inſofern nicht vollkommen iſt, als ich ihm nicht zuſichern kann, daß meine Freunde ein⸗ ſtimmig für dieſen zweiten Teil ſtimmen. Freimütig ſoll es inſofern ſein, als ich perſönlich gar keinen Anſtand nehme, zu erklären, daß meine Anſchauung über dieſen Teil des Antrags — er hat uns ja ſchon öfter in der hieſigen Stadtverordnetenverſammlung beſchäftigt — im Laufe der Zeit eine andere ge⸗ worden iſt. (Stadtv. Hirſch: Bravo!) Hören Sie die Gründe! Sollten Sie auch dann noch Bravo rufen, Herr Kollege Hirſch, ſo werde ich das über mich ergehen laſſen. (Heiterkeit.) Ich habe in der Verhandlung über einen erwas weitergehenden Antrag der Sozialdemokratie, die wir am 7. September 1904 in dieſem Hauſe gehabt haben, den damaligen Standpunkt der Mehrheit meiner Freunde vertreten, für eine Einſchränkung des Haus⸗ beſitzerprivilegs in ſeiner jetzigen Ausdehnung ein⸗ zutreten. Ich habe das im weſentlichen damit be⸗ gründet, daß eine Aenderung eines Geſetzes wie die Städteordnung natürlich für die geſamte Monarchie Geltung hat, daß aber gerade in der Frage des Haus⸗ beſitzerprivilegs die Verhältniſſe in der geſamten Mo⸗ narchie durchaus verſchieden liegen. Das Hausbeſitzer⸗ privileg het in kleinen und auch in manchen mittleren Städten eine ganz andere Bedeutung als in Großſtädten, wie Charlottenburg eine iſt. Ich habe ſchon damals keinen Zweifel daran gelaſſen, wenn ich es auch mehr zwiſchen den Zeilen habe erraten laſſen, daß freilich die Aufrechterhaltung des Hausbeſitzer⸗ privilegs in einer Großſtadt wie Charlottenburg logiſch und ſachlich ſehr ſchwer zu begründen iſt, daß aber die Verhältniſſe in kleinen und mittleren Städten ganz anders lägen. Wenn ich nun heute die Gründe, die ich damals entwickelt habe, nicht mehr ſo auf mich wirken laſſe, ſo hat mich dazu in erſter Linie die tatſächliche Entwicklung der Verhältniſſe gebracht. 4 Meine Herren, ich habe verſucht, aus dem Jahre 1904 für die Stadt Charlottenburg eine Einteilung der Hausbeſitzer zu bekommen, die nach folgenden drei Geſichtspunkten aufgeſtellt wäre: erſtens: wer iſt Hausbeſitzer und zugleich Charlottenburger Bürger, zweitens: wer iſt Hausbeſitzer, aber nicht Charlotten⸗ burger Bürger, und drittens: wer iſt Hausbeſitzer, ohne Bürger zu ſein, alſo für die Stadtverordneten⸗ wahlen nach der paſſiven Seite hin nicht in Frage zu kommen. Leider iſt es, da die Trennung der Kartenblätter nach dieſen Geſichtspunkten im Jahre 1904 in unſerer Verwaltung noch nicht erfolgt war, nicht möglich geweſen, eine Aufſtellung aus dieſem Jahre zu machen. Dieſe Trennung der Kartenblätter iſt erſt im Jahre 1908 erfolgt, und ſo bin ich nur in der Lage, heute die entſprechenden Verhältniſſe aus dem Jahre 1908 und diejenigen aus dem Jahre 1913 gegenüberzuſtellen.