Sitzung vom 21. Jannar 1914 meine politiſchen Freunde es lieber geſehen hätten, daß der Herr Oberbürgermeiſter, wenn er ſich abſolut an dieſer Abſtimmung beteiligen wollte, mit Nein geſtimmt oder aber vielleicht vorgezogen hätte, ſich der Abſtimmung zu enthalten. Ich weiß nicht, ob über den Kreis meiner Freunde hinaus dieſe An⸗ ſchauung in der Stadtverordnetenverſammlung ge⸗ teilt wird; aber nach unſerer Kenntnis der An⸗ ſchauungen der Charlottenburger Bürgerſchaft glaube ich verſichern zu dürfen, daß die Mehrheit der Char⸗ lottenburger Bürgerſchaft ebenfalls durch die Ab⸗ ſtimmung des⸗ Herrn Oberbürgermeiſters überraſcht worden, dieſe Ueberraſchung aber keine freudige ge⸗ weſen iſt. Ich habe hier den ſtenographiſchen Bericht über die Verhandlungen des Herrerhauſes, und da ſind die Namen der 184 Herren zuſammengeſtellt, die für den Antrag Yorck von Wartenburg geſtimmt haben. — 8 Vorſteher Dr Frentzel (unterbrechend): Herr Kollege Otto, darf ich Sie darauf aufmerkſam machen, daß Sie meiner Meinung nach etwas weit vom Thema abſchweifen. Stadtv. Otto (fortfahrend): Ich will mich ganz kurz faſſen und möchte auch ein Goetheſches Wort an⸗ führen, wie das Herr Kollege Dr Borchardt heute ſchon getan hat: Es tut mir in der Seele weh, daß ich unſeren Herrn Oberbürgermeiſter in der Geſell⸗ ſchaft ſeh⸗ Wenn ein erlauchter und edler Herr ſeinen Herrenſtandpunkt in dieſer Weiſe zum Aus⸗ druck bringt, ſo habe ich dafür Verſtändnis. Ich glaube, unſer Herr Oberbürgermeiſter iſt ſtolz dar⸗ auf, auch ein Bürger zu ſein, und ich hoffe — und damit komme ich nun, Herr Vorſteher, zum Tlfema zurück —, daß dieſer Bürgerſinn, wenn unſere Eingabe im Herrenhauſe zur Verhandlung kommen ſollte, ſich ſo betätigen wird, daß der Herr Ober⸗ bürgermeiſter für dieſe Eingabe eintritt. Ich möchte bei dieſer Gelegenheit noch eins ausdrücklich hinzufügen und glaube, daß meine Freunde, ohne daß ich mich vorher mit ihnen dar⸗ über verſtändigt habe, dem zuſtimmen. Es könnte ſein, daß der Magiſtrat — für den Fall, daß der An⸗ trag der Sozialdemokraten angenommen wird — den Wunſch hat, ſich zunächſt auch mit dem Vor⸗ ſtande des preußiſchen Städtetages dieſer Frage wegen in Verbindung zu ſetzen. Dagegen haben meine rreunde nichts einzuwenden, allerdings unter der Vorausſetzung, daß, wenn beim Vorſtande des preußiſchen Städtetages keine Geneigtheit vorhanden iſt, auf den Boden unſeres Antrages zu treten, von de: Stadt Charlottenburg allein eine entſprechende Eingabe an das Abgeordnetenhaus und an das Herrenhaus gerichtet wird. (Lebhafter Beifall bei den Liberalen.) Oberbürgermeiſter Dr. Scholz: Meine Herren! Ich möchte dieſe erſte Gelegenheit nicht vorübergehen laſſen, obgleich es mir nicht angenehm iſt, ohne hier ganz dezidiert zu erklären, daß mir eine Kritik der Stadtverordnetenverſammlung oder einzelner ihrer Mitglieder über Abſtimmungen, die ich in anderen vollziehe, durchaus unzuläſſig er⸗ heint. (Sehr richtig! bei der Vereinigten alten Fraktion.) 19 Ich möchte mir geſtatten, den gütigen Rat, den der Herr Vorredner mir gegeben hat, in dieſer Beziehung an die Stadtverordnetenverſammlung zurückzu⸗ geben — ich glaube, es wird das nur zur Förde⸗ rung des guten Verhältniſſes zwiſchen Magiſtrat und Stadtverordnetenverſammlung dienen —, ſich in dieſer Beziehung abſolute Zurückhaltung in der Zu⸗ kunft aufzuerlegen. (Bravo! bei der Vereinigten alten Fraktion.) Stadtv. Panſchow: Meine Herren! Ich bean⸗ trage, die Abſtimmung über den Antrag zu teilen, und zwar einmal über die geheime Stimmabgale und zum anderen über das Hausbeſitzerprivileg ab⸗ ſtimmen zu laſſen. Meine Freunde ſind der Anſicht, daß gegen die Einführung der geheimen Stimmab⸗ gabe hier im Hauſe kaum Widerſpruch erhoben wer⸗ den wird. Dagegen haben wir bis auf eine ganz kleine Minderheit zurzeit keine Veranlaſſung, uns einer bloßen, zugegebenermaßen erfolgloſen Demon⸗ ſtration wegen damit einverſtanden zu erklären, daß durch den Antrag. auf Aufhebung des Haus⸗ beſitzerprivilegs in den beteiligten Kreis, der durch die außerordentlichen von ihm zu tragenden Laſten mit Recht ſchon unzufrieden iſt, aufs neue Unruhe und Mißſtimmung getragen wird. Stadtv. Jolenberg: Meine Herren! Nach den Erklärungen des Herrn Vorſitzenden meiner Frak⸗ tion in bezug auf den ſozialdemokratiſchen Antrag werde ich mich nur noch zur Frage des Hausbeſitzer⸗ privilegs äußern. So lange ich mich mit kommunalen Ange⸗ legenheiten beſchäftige, war ich ſtets von der Anſchauung durchdrungen, daß das Gedeihen der Kommune in hohem Grade vom wirtſchaftlichen Wohlbefinden der Hausbeſitzer abhängig iſt. Der Haus⸗ und Grundbeſitz iſt das Rückgrat für die kom⸗ munalen Steuern; (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Beweis dafür iſt das Kapitel XV unſeres Etats. Meine Herren, in Charlottenburg wird annähernd die Hälfte ſämtlicher Steuern von den Haus⸗ und Grundbeſitzern aufgebracht. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Außerdem aber ſind die Hausbeſitzer ſehr bedeutende und anſehnliche Konſumenten für Gas, Elektrizität und Waſſer, d. h., ſie ſorgen dafür, daß dieſe indu⸗ ſtriellen Unternehmungen durch ihre Bezüge Ueber⸗ ſchüſſe abwerfen, und ſie dienen auch damit der Allge⸗ meinheit. (Sehr richtig! bei den Liberalen und der Vereinigten alten Fraktion.) Ferner ſind die Hausbeſitzer diejenigen, die die Ka⸗ naliſation und die Müllabfuhr bezahlen; ſie ſorgen alſo auch für die Allgemeinheit in bezug auf die hygieniſchen Zuſtände in hohem Grade. Mit der wirtſchaftlichen Schwächung des Hausbeſitzes muß ſich daher die Leiſtungsfähigkeit der Kommune ver⸗ ringern, und wir nützen ſomit der Allgemeinheit, wenn wir den Hausbeſit vor Ueberlaſtung ſchützen und leiſtungsfähig erhalten.