20 Meine Herren, von der Bedeutung des Haus⸗ befitzes für die Leiſtungsfähigkeit der Kommune aus⸗ gehend, hat die Städteordnung beſtimmte Vortechte für die Hausbeſitzer feſtgeſetzt, und zwar Vorrechte in bezug auf die Erwerbung des Bürgerrechts und in bezug auf das paſſive Wahlrecht, das Hausbeſitzer⸗ privileg. Wir haben zu unterſuchen, wie ſich das Hausbeſitzerprivileg in den Jahren ſeines Beſtehens bewährt hat, (Sehr richtig! bei der Vereinigten alten Fraktion.) und ich habe die Unterfrage zu ſtellen: deckt ſich dieſes Vorrecht eines Standes mit den Intereſſen der Allgemeinheit? Und ich frage ferner: gereicht das Vorrecht den Hausbeſitzern ſelbſt zum Vorteil? Meine Herren, ich komme zur Verneinung bei⸗ der Fragen. Deckt ſich das Vorrecht eines Standes mit den Intereſſen der Allgemeinheit? Wir ſehen — vielleicht nicht hier in unſerer Kommune —, aber wir ſehen doch die Möglichkeit, daß bei der Auswahl der Vertreter der Bürgerſchaft infolge des Haus⸗ beſitzerprivilegs der Geſichtspunkt als erſter für die Hälſte der Stad verordneten maßgebend iſt, ob der Mann Hausbeſitzer iſt oder nicht, und dann kommt erſt als zweiter: eignet er ſich überhaupt für das Amt, das man ihm übertragen will? Es läßt ſich ſehr wohl der Fall konſtruieren, daß jemand in ſeiner Eigenſchaft als Hausbeſitzer in die Stadtverordneten⸗ verſammlung gelangt, ohne daß er ſich ſonſt für dieſes Amt eignet. Dadurch würde die Zuſammen⸗ ſetzung der Stadtverordnetenverſammlung leiden und der Allgemeinheit Schaden zugefügt werden, und aus dieſem Grunde iſt meiner Anſicht nach die erſte Frage zu verneinen. Nun die zweite Frage: Gereicht das Vorrecht den Hausbeſitzern ſelbſt zum Vorteil? Meine Her⸗ ren, wir haben es hier in unſerer Stadtverordneten⸗ verſammlung erlebt, daß es gerade die Hausbeſitzer mit Aengſtlichkeit vermeiden, für die Intereſſen des Hausbeſitzes einzutreten. (Sehr richtig! bei der Vereinigten alten Fraktion.) Sie müſſen immer befürchten, daß ihnen die Oeffent⸗ lichkeit Motive unterſchiebt, die ſie vielleicht nicht haben, nämlich, daß ſie Intereſſen des Hausbeſitzes verfechten, die nicht gleichzeitig die Intereſſen der Allgemeinheit bedeuten. Die Folge davon iſt, daß die Hausbeſiter. um nicht Mißtrauen zu erwecken, ſich in Hausbeſitzerfragen außerordentlich zurückhal⸗ tend benehmen. Meine Herren, wir haben es ja erlebt, daß manch einem, der die beſte Abſicht hatte, nur im Intereſſe der Allgemeinheit zu wirken, das ver⸗ letzende Wort Hausagrarier zugerufen worden iſt. Und wer aus unſerer Mitte hat denn für die Haus⸗ beſitzer manches erreicht? Die Hausbeſitzer durch ihre Anträge doch ſicher nicht! Wer für die Haus⸗ beſiteer und damit zugleich für die Allgemeinheit ge⸗ wirkt hat, das waren immer nur ſolche Herren, die keinen Hausbeſitz haben. Ich erinnere Sie nur an die zweite Hypotheken⸗Anſtalt und an die wirkſamen Erklärungen, daß der Hausbeſitz keine weitere Be⸗ laſtung erdulden kann, — alles das iſt nicht von Hausbeſitzern angeregt worden. Aus dieſen Gründen ſcheint mir auch die zweite Frage verneint werden zu ſollen. Sitzung vom 21. Januar 1914 Meine Herren, der Stadtverordnete darf nicht die Intereſſen eines einzelnen Standes zum Nachteil oder auf Koſten der Geſamtheit vertreten. Wie ſagt doch der Verfaſſer der Städteordnung von den Stadt⸗ verordneten? Ihre Ueberzeugung und ihre Anſicht vom gemeinen Beſten der Stadt iſt ihre Inſtruktion, ihr Gewiſſen aber die Behörde, der ſie deshalb Rechenſchaft zu geben haben. Meine Freunde wer⸗ den, wie Herr Kollege Otto ſchon erklärt hat, in ihrer großen Mehrheit für den ſozialdemokratiſchen An⸗ trag ſtimmen. (Bravol) Stadtv. Neumann: Meine Herren! Wir haben den Antrag auf namentliche Abſtimmung geſtellt, damit das freimütige Bekenntnis, von dem der Herr Redner der ſozialdemokratiſchen Fraktion ſprach, auch voll und ganz zum Ausdruck kommt und doku⸗ mentiert wird. Wir wünſchen ebenſo wie der Herr Kollege Panſchow, daß dieſer Antrag in zwei Teile geteilt wird, weil wir mit dem Herrn Kollegen Otto darüber übereinſtimmen, daß wohl die überwiegende Majorität des Hauſes der Anſicht iſt, daß das ge⸗ heime Wahlrecht auch für die Kommunen das beſſere Wahlrecht iſt. Ich halte es nicht für nötig, dies noch des Näheren zu begründen; dieſe Gründe liegen in der Natur der Dinge, in der allgemeinen Verän⸗ derung der ſozialen Verhältniſſe, die im letzten Jahr⸗ hundert vor ſich gegangen iſt. Was die Frage der Aufhebung des Hausbeſitzer⸗ privilegs anbelangt, ſo können ſich meine Freunde nicht dazu entſchließen, dieſes Privileg aufzugeben reſp. für eine Petition an den Landtag ſich zu er⸗ klären, in der um Aufhebung des Hausbeſitzerprivi⸗ legs gebeten werden ſoll. Herr Kollege Otto hat ſich bemüht, nicht politiſche Geſichtspunkte, nicht theore⸗ tiſch liberale Gründe für ſeine jetzige Stellungnahme anzuführen, ſondern in der richtigen Erkenntnis, daß man dieſe kommunale Angelegenheit vielleicht über⸗ haupt nicht vom politiſchen, ſondern vom praktiſchen Standpunkt aus anſehen müßte, die Gründe hervor⸗ gehoben, die die veränderten Verhältniſſe bedingen ſollten. Aber nach den Zahlen des Herrn Kollegen Otto bin ich zu der entgegengeſetzten Anſicht ge⸗ kommen wie er. Sehr richtig! und Zurufe: Nanu!) Herr Kollege Otto hat geſagt, im Jahre 1908 befanden ſich 333 Häuſer in den Händen von Geſell⸗ ſchaften und im Jahre 1913 ſeien es 525 Häuſer geweſen; das bedeute ungefähr in 5 Jahren eine Zu⸗ nahme von 50%. (Zuruf: 56% 1) 2 — Ja, 56%. Dieſe ungeheuerliche Zahl, ſagt nun Herr Kollege Otto, liefere doch den Beweis, daß die Städteordnung nicht zur Geltung komme, nach der der fundierte eingeſeſſene Grundbeſitz ein gewiſſes höheres Anrecht haben ſoll, in den Stadtparlamenten mitzutaten. Dieſe Anſicht halte ich für irrig, und zwar aus folgenden Gründen. Wenn in den letzten 5 Jahren — wahrſcheinlich wird das in den letzten zwei oder drei Jahren ge⸗ weſen ſein — in ſtärkerem Maße als früher Geſell⸗ ſchaften — meiſtens ſind es Geſellſchaften m. b. H.