Sitzung vom 21. Januar 1911 — Inhaber von Häuſern geworden ſind, ſo liegt das nicht daran, daß einzelne Perſonen in geringerem Maße Häuſer erworben haben. Das iſt lediglich durch die ſchlechten Verhältniſſe bedingt, in denen ſich der Grundbeſitz heutzutage befindet. (Sehr richtig!) Daher rühren die 180 Häuſer, die hier erwähnt wor⸗ den ſind. Es ſind in ihrer überwiegenden Mehrzahl die Häuſer, die durch Subhaſtation erworben ſind, und da hat man denn G. m. b. H.s gegründet. Damit wird durchaus nicht der Beweis erbracht, daß in neuerer Zeit Geſellſchaften Häuſer erwerben, um ſie zu be⸗ wirtſchaften. Laſſen Sie nur den Geldmarkt und die Hypothekenverhältniſſe erſt wieder beſſer werden, dann werden Sie ſehen, daß dieſe Geſellſchaften m. b. H. langſam abgelöſt werden durch einzelne Perſonen, durch einzelne Menſchen, die dieſe Häuſer erwerben, entweder zu dem Zwecke, um überhaupt ein Haus zu beſitzen oder um darin ein Gewerbe zu treiben. Wenn Herr Kollege Otto mehr in Grund⸗ und Hausbeſitzerverſammlungen gehen würde — ich ſelbſt bin nicht Hausbeſitzer, und wenn ich dorthin gehe, bin ich auch nur Gaſt —, ſo wird er ſehen, daß ſich unter dieſen nach Hunderten, ich glaube, gar nach Tauſenden zählenden Mitgliedern ein unge⸗ heurer Prozentſatz von Leuten befindet, die ſeit Jahren und Jahrzehnten Hausbeſitzer ſind, die ihre Häuſer von den Eltern ererbt haben. Man muß bei Behandlung dieſer Frage von der Vorausſetzung ausgehen, daß die Stadtverord⸗ netenverſammlungen, daß überhaupt kommunalpoli⸗ tiſche Körperſchaften nicht einzig ein Parlament dar⸗ ſtellen — ich glaube, ich mache mir ein Wort zu eigen, das vor kurzem ein liberaler Parlamentarier gebraucht hat —, ſondern daß ſie mehr eine Ver⸗ mögensverwaltungsſtelle ſind. Deshalb muß man fragen: was zahlen die Hausbeſitzer in dieſe Ver⸗ mögensverwaltungsſtelle hinein? Gegenüber den ca. 10 bis 11 Millionen betragenden Einkommen⸗ ſteuern, die in unſerer Kommune aufgebracht werden, befinden ſich ca. 5 Millionen, die von den Haus⸗ beſitzern für Grund⸗ und Gebäudeſteuern gezahlt werden. (Zurufe.) — Das können Sie doch nicht beſtreiten; das ſind Zahlen, die feſtſtehen! „ (Stadtv. Hirſch: Sie legen doch bloß aus!) — Sie zahlen jedenfalls dieſe Summe, und der⸗ jenige, der in einer Kommune in ſtärkerem Maße mittatet, ſoll auch in ſtärkerem Maße mitraten. Wenn die Herren auf der äußerſten Linken aus politiſchen Gründen nicht dafür ſind, ſo kann ich es wohl ver⸗ ſtehen, daß ſie das Hausbeſitzerprivileg als über⸗ flüſſig bezeichnen. Wenn man aber lediglich prak⸗ tiſchen, wirtſchaftlichen Erwägungen folgt, wie der Herr Kollege Otto, ſo muß man zu der entgegen⸗ . Anſchauung kommen, wie er ſie bekun⸗ det hat. Will man ſolch ein Privileg abſchaffen, ſo muß man ſich anderſeits nicht bloß fragen: iſt es etwas Altes? Aus der Tatſache heraus, daß etwas 21 100 Jahre alt iſt, können wir doch nicht ſchließen, daß es etwas Schlechtes iſt! (Sehr richtig!) Ich kenne ſehr viel Neues und Modernes, das viel ſchlechter iſt als das Hausbeſitzerprivileg. (Sehr richtig!) Man muß fragen: wie hat das Hausbeſitzerprivileg gewirkt? Hat man in großen Kommunen die Er⸗ fahrung gemacht, daß man die Hausbeſitzer als ſolche in zu ſtarkem Maße geſchützt hat in ihren Zuſchüſſen, die ſie der Kommune gemacht haben? (Zuruf: Jawohl!) — Wenn Sie das gefunden haben, — ich habe das nicht gefunden; im Gegenteil, man hat jedesmal die Grund⸗ und Bodenſteuer heraufgeſetzt, um die Ein⸗ kommenſteuer nicht heraufſetzen zu müſſen. (Sehr richtig!) Die Grundbeſitzer ſind es immer geweſen, die ge⸗ blutet haben, und es war vielleicht ein ſchweres Un⸗ recht, das man ihnen angetan hat. Man war dazu leicht geneigt, weil ſich gerade im Haus⸗ und Grund⸗ beſitz in den letzten 10 bis 20 Jahren eine ungeheuer ſtarke Hochkonjunktur gezeigt und weil man an⸗ genommen hat, ſie würde niemals ein Ende nehmen. Nun hat ſie ein Ende genommen und befindet ſich im Heruntergehen, und da ſind es die jetzigen Haus⸗ und Grundbeſitzer, die darunter in erſter Linie leiden müſſen. Ich kann verſichern, daß ſich ein großer Teil der Haus⸗ und Grundbeſitzer Charlottenburgs in ſeinen Vermögensverhältniſſen verblutet hat oder in ſeinem Vermögen rapide zurückgegangen iſt. Das iſt durch die ſchlechte Konjunktur herbeigeführt. Außerdem hat die Geſetzgebung ſoviel geſchaffen, daß die Häuſer gar nicht mehr als ſolche zu Spekulationszwecken ver⸗ wendet werden können. Alle dieſe Gründe, meine Herren, können uns nicht bewegen, das Hausbeſitzerprivileg abzuſchaffen; im Gegenteil, wir ſind durch die Erfahrungen der letzten Jahre davon überzeugt worden, daß wir in ſtärkerem Maße für dieſes Privileg eintreten müſſen. Die Sozialdemokratie wollen wir damit nicht be⸗ kämpfen; die muß mit ganz anderen Mitteln bekämpft werden. Stadtv. Hirſch: Meine Herren! Zu der Frage des geheimen Wahlrechts brauche ich nicht zu ſprechen; es gibt ja keinen in dieſer Verſammlung, der ein Gegner der Einführung der geheimen Stimmabgabe wäre. Ich darf in Anknüpfung an die Ausführungen meines Freundes Dr. Borchardt erklären, daß er ſich nur deshalb über die Frage des Erſatzes der öffent⸗ lichen Stimmabgabe durch die geheime nicht verbreitet hat, weil er von vornherein nicht annahm, daß hier im Hauſe noch irgend jemand ſo rückſtändig wäre, für die öffentliche Stimmabgabe einzutreten. (Lachen.) Was nun die Frage des Hausbeſitzerprivilegs be⸗ trifft, ſo kann ich das, was Herr Kollege Otto namens des übergroßen Teiles ſeiner Freunde geſagt hat, bis