Sitzung vom 21. Januar 1914 Herren Redner, die als die Verteidiger des Haus⸗ beſitzerprivilegs hier aufgetreten ſind, geſagt haben. Die Herren Jolenberg und Neumann — namentlich der letztere — haben ja weniger die Berechtigung des Hausbeſitzerprivilegs begründet, als ein Klagelied über die Notlage des Hausbeſitzers angeſtimmt. (Widerſpruch des Stadtv. Jolenberg.) Meine Herren, das wiſſen wir alle, daß es dem Haus⸗ beſitz augenblicklich ſchlecht geht; das wird auch von uns nicht beſtritten; aber daraus kann man doch nicht, wie es Herr Kollege Neumann getan hat, den Schluß ziehen, daß wir das Hausbeſitzerprivileg nicht be⸗ ſeitigen, ſondern erſt recht für ſeine Aufrechterhaltung eintreten müſſen. Herr Kollege Neumann ſtellt ſich auf den veralteten Standpunkt, daß die ſtädtiſchen Körperſchaften eigentlich nichts weiter ſeien als Ver⸗ mögensverwaltungsſtellen, und ſo kommt er zu der ebenſo alten, vielleicht auch noch älteren Anſchauung — er liebt das Alte und ſcheint zu glauben, daß alles, was alt iſt, auch recht und gut iſt —, daß derjenige, der mittatet, auch im ſtärkeren Maße mit⸗ raten ſoll. Leider iſt das in den ſtädtiſchen Ver⸗ waltungen heute ſchon der Fall. Das wird ja Herrn Kollegen Neumann nicht unbekannt ſein, daß wir, ganz abgeſehen von dem Hausbeſitzerprivileg, noch das plutokratiſche Wahlrecht haben. Alſo ſelbſt wenn das Hausbeſitzerprivileg gefallen iſt, Herr Kollege Neumann, dann können Sie, vorausgeſetzt, daß Sie recht viel mittaten, auch in entſprechend hohem Maße mitraten. Aber wir wollen es doch nicht ſo hinſtellen, als ob die Hausbeſitzer es wären, die die Steuern aufbringen. Sie zahlen ſie an die Stadthauptkaſſe, aber nicht aus ihrer Taſche, ſondern aus der Taſche der Mieter. (Lachen und Widerſpruch.) — Meine Herren, ob Sie darüber lachen oder nicht, das ändert nichts an der Tatſache. Abgeſehen von den ſehr wenigen und in Charlottenburg immer weniger werdenden Hausbeſitzern, die ein eigenes Häuschen für ſich bewohnen, ſind die Hausbeſitzer, wenn ſie ihre Steuern bezahlen, doch nichts weiter als die Boten ihrer Mieter, die das zur Stadthauptkaſſe bringen, was ſie von den Mietern eingezogen haben. Meine Herren, es gibt keine Steuer, die die Hausbeſitzer nicht bei einigermaßen guter Konjunktur auf die Mieter abwälzen werden. Es kann einmal die Zeit kommen, wo es ihnen der Wohnungsmarkt nicht ge⸗ ſtattet, ihre geſamten Laſten abzuwälzen; aber das ſind nur vorübergehende Zuſtände. Im allgemeinen werden ſie in dem Augenblick, wo ſie mehr Hypo⸗ thekenzinſen oder mehr Steuern zu zahlen oder höhere Kanaliſationsgebühren, höhere Gebühren für Müll⸗ abfuhr u. dgl. zu entrichten haben, die Mieter zu (teigern ſuchen. Meine Herren, Sie ſind doch ſo ſchlaue Rechenmeiſter, daß Sie, wenn Sie heute um 100 ℳ mehr belaſtet werden, morgen 300 und 400 % 10 der Taſche Ihrer Mieter herauszuholen ver⸗ ſtehen. (Widerſpruch.) Meine Herren, ſtellen Sie ſich doch nicht ſo hin, als mwmenn Sie nur um das Wohl der Stadt beſorgt wären und nichts ſehnlicher wünſchten, als daß es Ihnen geſtattet iſt, recht viel Steuern zu bezahlen! Wir 23 wiſſen doch, in welcher Weiſe Sie von jeher die Steuern abzuwälzen verſtanden haben. Das wird in Zukunft auch der Fall ſein, da Sie ja leider die wirt⸗ ſchaftlich Mächtigeren ſind. Herr Kollege Neumann ſagte, das Hausbeſitzer⸗ privileg ſei nicht überflüſſig. Wir halten es nicht bloß für überflüſſig, ſondern auch direkt für ſchädlich, und die Erfahrungen, die man in einer großen Reihe von Städten gemacht hat — und Charlottrenburg macht keine Ausnahme — lehren, daß in zahlloſen Fällen kommunalpolitiſche Maßnahmen, die von Magiſtratsſeite vorgeſchlagen waren, geſcheitert ſind an dem Widerſtande der geſchloſſenen Hausbeſitzer, die ihre eigenen Intereſſen verfolgt haben. (Zurufe: Wo?) Ich ſage: Charlottenburg macht da keine Ausnahme; ich bitte die Herren, nicht an die gegenwärtige Zeit, an die jetzigen Hausbeſitzer zu denken — die Haus⸗ beſitzer, die wir jetzt haben, ſind ja alles wahre Tugendbolde —, (Heiterkeit) ondern an die Zeit vor 10 Jahren zurückzudenken, wie es da die Hausbeſitzerpartei in Charlottenburg verſtanden hat, die vom Magiſtrat unterbreitete Vor⸗ lage zur Bekämpfung der Wohnungsnot zu Fall zu bringen. Der Hausbeſitzerſtand hat es verſtanden, aus der Vorlage, die darauf zugeſchnitten war, den minderbemittelten Volksſchichten Vorteile zu ge⸗ währen, für ſich Vorteile herauszuſchlagen. (Widerſpruch.) — Die Akten darüber ſtehen Ihnen zur Verfügung, leſen Sie ſie nur! Nun ſagte Herr Kollege Neumann: aus der Tat⸗ ſache, daß das Hausbeſitzerprivileg 100 Jahre alt iſt, kann man doch nicht den Schluß ziehen, daß es nicht gut iſt. Gewiß, es gibt Beſtimmungen, die älter als 100 Jahre und trotzdem gut ſind. Aber bei dem Hausbeſitzerprivileg vergeſſen Sie, daß es in die heutige Zeit überhaupt nicht mehr hineinpaßt, weil ſich die wirtſchaftlichen Verhältniſſe völlig ge⸗ ändert haben. Vor 100 Jahren hatten Sie einen ſeßhaften Hausbeſitzerſtand, und den haben Sie heute höchſtens noch in ganz kleinen Städten und Land⸗ gemeinden, Sie haben ihn aber in Großſtädten und auch in Charlottenburg nicht mehr. Da iſt der Haus⸗ beſitz vielfach (Zuruf: Ruiniert!) — nein, da ſind die Häuſer vielfach Handelsobjekte geworden, die von einer Hand in die andere über⸗ gehen. Sie können das an der Statiſtik des Grund⸗ beſitzwechſels ſehr genau verfolgen. Meine Herren, ich will bei der vorgerückten Zeit nicht auf die praktiſchen Schwierigkeiten eingehen, die allen Parteien aus der Auswahl geeigneter Haus⸗ beſitzerkandidaten im Sinne der Städteordnung er⸗ wachſen. Nur noch eine Bemerkung. Wenn ich vorhin bei den Ausführungen meines Freundes Borchardt geſagt habe: wir haben keine Schwierigkeiten, — ſo halte ich dieſe Worte voll aufrecht. Wir haben die Schwierigkeiten nicht; die Schwierigkeiten haben Sie. Die Schwierigkeiten aus dem Hausbeſitzerprivileg hat