24 aber vor allem der Magiſtrat. Oder glauben Sie, daß es dem Magiſtrat ſo angenehm iſt, jetzt kurz nach den Ergänzungswahlen ſchon wieder zu Erſatzwahlen ſchreiten zu müſſen? Meine Herren, verlaſſen Sie ſich darauf: wenn es uns nicht gelungen wäre, Haus⸗ beſitzerkandidaten zu bekommen, dann hätten wir immer und immer wieder dieſelben Kandidaten auf⸗ geſtellt, die Sitze wären unbeſetzt geblieben, und der Magiſtrat hätte alle Vierteljahre neue Wahlen aus⸗ ſchreiben müſſen. Wenn Sie glauben, daß das für Sie und für den Magiſtrat angenehm iſt, — wir können es ja auf den Verſuch ankommen laſſen, wir finden uns damit ab! Uns kommt es nicht darauf an, ob die beiden Sitze unbeſetzt ſind oder nicht, uns kommt es nur darauf an, daß das himmelſchreiende Unrecht beſeitigt wird. Von den Herren der äußerſten Rechten iſt die namentliche Abſtimmung beantragt worden. Den Herren muß aber trotz der warmen Befürwortung des Hausbeſitzerprivilegs durch Herrn Kollegen Neumann doch wohl nicht allzuviel an der Sache liegen, weil ſie nicht einmal zahlreich genug erſchienen ſind, um einen genügend unterſtützten Antrag auf namentliche Abſtimmung einbringen zu können. (Hört, hört!) Wenn einige meiner Freunde den Antrag mit unter⸗ ſchrieben haben, ſo iſt das nicht etwa geſchehen, weil wir uns auf den Standpunkt der Herren von der Rechten ſtellen, ſondern weil wir uns ſagen: wenn die Herren es wünſchen, wollen wir ſie nicht daran hindern, durch eine namentliche Abſtimmung vor aller Welt ein⸗ wandfrei feſtzuſtellen, welche Elemente in der Char⸗ lottenburger Stadtverordnetenverſammlung ſo rück⸗ ſtändig ſind, daß ſie das Hausbeſitzerprivileg noch aufrecht zu erhalten wünſchen. Stadtv. Wöllmer: zwar ebenfalls für den Antrag der Herren Sozial⸗ demokraten ſtimmen und mit mir eine Reihe meiner Freunde, aber ich muß doch ſagen — und dieſe An⸗ ſicht wird auch von einigen geteilt —, daß wir das nur tun nach Lage der Sache, weil wir, wenn es in unſerer Macht läge, das Gemeindewahlrecht zu än⸗ dern, allerdings auch für die Abſchaffung des Haus⸗ beſitzerprivilegs wären. Aber wir halten dieſen An⸗ trag nicht für glücklich, weil er nur gewiſſe Teile aus dem Geſetz herausgreift. Ueber die Reformbedürf⸗ tigkert des Gemeindewahlrechts ſind wir ja alle in dieſem Saale einig, die Herren vielleicht auf jener Seite auch. (Zuſtimmung bei der Vereinigten alten Fraktion.) Auch Sie werden der Anſicht ſein, daß das Gemeinde⸗ wahlrecht, wie es heute beſteht, geändert werden muß. Ich weiſe nur auf den plutokratiſchen Charak⸗ ter der Dreiklaſſenwahl hin; auch da iſt unſere Frak⸗ tion, ohne daß dieſer Gedanke in dem Antrag der Herren Sozialdemolraten zum Ausdruck kommt, wahrſcheinlich geſchloſſen der Anſicht, daß entweder eine Abſchaffung des Dreiklaſſenwahlrechts oder eine ſtarke Minderung des plutokratiſchen Einfluſſes bei einer Reform des Gemeindewahlrechts vorgeſehen werden muß. Meine Herren, was das Hausbeſitzerprivileg anbelanat, das ia den Kernpunkt der heutigen De⸗ batte bildet, ſo haben die Kollegen Hirſch und Bor⸗ Meine Herren! Ich werde] Sitzung vom 21. Jannar 1914 chardt im weſentlichen drei Gründe hervorgehoben, die für die Abſchaffung dieſes Privilegs ſprechen. Erſtens, was man ohne weiteres zugeben muß, daß der Kreis geeigneter Kandidaten für die Stadtver⸗ ordnetenwahl beſchränkt wird und daß daher eine gewiſſe Schwierigkeit bei der Auswahl der Kandi⸗ daten vorhanden iſt; dann auch — mit vollem Recht hat das ſchon mein Freund Otto ausführlich ent⸗ wickelt, und ich gehe darauf deshalb nicht näher ein —, daß heute das Privileg nicht mehr zeitgemäß iſt und daß das, was vor 50 und 100 Jahren zweck⸗ mäßig und angebracht war, heute eine veraltete Ein⸗ richtung geworden iſt, die einer zeitgemäßen Reform unbedingt bedarf. Mit demſelben Recht könnten heute Gewerbetreibende und andere Bürger, die auch durch ihre Beſchäftigung an Charlottenburg ge⸗ feſſelt ſind, verlangen, daß ihnen irgendein Wahl⸗ vorrecht eingeräumt wird. Dagegen muß ich mich gegen den dritten Ein⸗ wurf des Herrn Kollegen Hirſch wenden, die Haus⸗ beſitzer hätten in der Regel einen ſchädlichen (Zuruf des Stadtv. Hirſch) — oder oft einen ſchädlichen Einfluß ausgeübt. Wenn wir hier an Charlottenburg denken, ſo er⸗ innere ich Herrn Kollegen Hirſch an ſeine Rede von 1910, in der er ganz beſonders hervorgehoben hat, daß hier in unſerer Stadtverordnetenverſammlung ein gewiſſer ſchädlicher Einfluß der Hausbeſitzer, die Stadtverordnete ſind, vorhanden wäre. Dagegen muß ich mich wenden. Die Tatſachen beweiſen, daß das nicht der Fall iſt. Wenn der Einfluß der Haus⸗ beſitzer in den ſtädtiſchen Verwaltungen ſo ſtark wäre, dann würde ja die Steuergeſetzgebung in dieſem ſchädlichen Sinne, wie Herr Kollege Hirſch ſagt, eine ganz andere geworden ſein. (Widerſpruch.) Aber Herr Kollege Hirſch, denken Sie nur daran, wie oft und in welcher Weiſe die Gemeindegrundſteuern erhöht worden ſind! Gerade in den letzten 10 Jahren hat Charlottenburg wiederholt die Haus⸗ und Grundbeſitzſteuern erhöht, und das haben auch die Stadtverordneten mitgemacht, die Sie als Haus⸗ beſitzer bezeichnen und die nach Ihrer Meinung einen ſchädlichen Einfluß ausgeübt haben. Meine Herren, Herr Kollege Hirſch ſagt, für ihn ſei im Gegenſatz zu der Anſicht des Kollegen Otto dieſe Frage eine grundſätzliche Frage. Auch für mich iſt die Hausbeſitzerfrage keine grundſätzliche Frage; da bin ich ganz der Anſicht meines Freundes Otto. Wohl aber kommt für mich eine grundſätz⸗ liche Frage in Betracht, wenn ich eine Reform des Gemeindewahlrechts erwäge. Was iſt denn das Weſen dieſes Vorrechts der Hausbeſitzer in den Ge⸗ meinden und was ſoll das Privileg bedeuten? Es ſoll bedeuten, daß die ſeßhaften Bürger einen größe⸗ ren Einfluß auf die Geſchicke der Gemeinden aus⸗ üben ſollen als die fluktuierende Bevölkerung, und wenn ich dieſen Gedanken feſthalte, ſo bin ich der Anſicht, daß gegenüber dem Einfluß der fluktuieren⸗ den Bevölkerung auch in einem zukünftigen Ge⸗ meindewahlrecht eine gewiſſe Sicherheit dafür ge⸗ ſchaffen werden muß, daß dieſer Einfluß der fluk⸗ tuierenden Bevölkerung nicht allzu ſtark wird, daß aber der Seßhaftigkeit ein Vorrecht in irgendeiner