30 Stadtv. Dr. Liepmann: Ich habe die Wortmel⸗ dung an den Kollegen Stadthagen abgetreten, da ich leider heiſer bin. Vorſteher Dr Frentzel: Eine Abtretung Wortmeldung gibt es in dieſem Sinne nicht. Stadtv. Dr Borchardt (zur (Geſchäftsordnung): Mir ſcheint es überhaupt nicht geſchäftsordnungs⸗ mäßig zuläſſig zu ſein, daß eine Wortmeldung bei der erſten Beratung noch Geltung hat nach Schluß der Diskuſſion für eine zweite Beratung. Mir ſcheint, daß bei der zweiten Beratung Wortmeldungen von neuem erfolgen müſſen. Vorſteher Dr. Frentzel: Herr Kollege Borchardt, Sie haben ganz recht. Aber tatſächlich irren Sie in dieſem Falle; denn die Wortmeldung war durch den Kollegen Stadthagen, als er die zweite Beratung be⸗ antragte, wozu er das Recht hatte, erfolgt. Die Wort⸗ meldung war alſo nicht in der erſten Beratung, ſon⸗ dern in der zweiten Beratung zu dieſer Beratung ge⸗ ſchehen. Stadtv. Dr Borchardt (zur Geſchäftsordnung): Ich will nicht widerſprechen; ich möchte aber doch zur Erwägung anheimgeben, ob es als zuläſſig erachtet werden ſoll, Wortmeldungen acht oder vierzehn Tage vor einer Sitzung ſchon einzubringen, weil das unter zu bedenklichen Konſequenzen führen önnte. der Vorſteher Dr Frentzel: Ich will auch Ihnen nicht widerſprechen, möchte aber bemerken, daß Herr Kollege Liepmann in dem Augenblick, als er die Wort⸗ meldung tat, nicht wiſſen konnte, wann die Beratung ſtattfinden würde. Stadtv. Dr. Stadthagen (zur Geſchäftsordnung): Ich möchte bemerken, daß meine Auffaſſung in dieſer Frage ſich ziemlich deckt mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Borchardt. Die Frage braucht aber bei dieſer Sache gar nicht entſchieden zu werden; denn ich habe mich bereits vorher gemeldet und ſtehe, ſo viel ich gehört habe, zurzeit als erſter auf der Rednerliſte. Vorſteher Dr Frentzel: Ich will nur noch einmal feſtſtellen, daß die Uebertragung von Wortmeldungen nicht zuläſſig iſt. Damit iſt die Angelegenheit erledigt. Wir treten in die Beſprechung ein. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren! Ich bedaure, zu der Angelegenheit das Wort ergeifen zu müſſen, da mein Kollege Neumann durch die Aende⸗ rung der Tagesordnung nicht in der Lage iſt, wie er beabſichtigt hatte, auch diesmal unſeren Standpunkt in dieſer Sache zu vertreten. Vielleicht kommt er noch während der Debatte; dann wird er auch noch etwas dazu ſagen. Ich muß um Nachſicht bitten, wenn ich manche Punkte nicht erwähne, die Kollege Neumann vorbringen wollte. Was zunächſt die namentliche Abſtimmung be⸗ trifft, ſo möchte ich folgendes betonen. Ich habe vor⸗ hin ja auch gebeten, den erſten Teil in namentlicher Abſtimmung zu erledigen. Sie haben das abgelehnt. Ich darf bemerken, daß der Grund dafür bei meinen Freunden folgender iſt: Wir halten alle Angelegen⸗ heiten, die die Wahl der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung betreffen, für ſo wichtig und bedeutungsvoll für Sitzung vom 4. Februar 1914 die geſamte Einwohnerſchaft, daß es uns richtig er⸗ ſcheint, bei ſolcher Gelegenheit feſtſtellen zu laſſen, wie jeder einzelne Stadtverordnete zu dieſer Frage ſteht. Wir haben ja aus der Debatte von vor vierzehn Tagen auch unſerſeits den Eindruck gewonnen, daß der erſte Teil des ſozialdemokratiſchen Antrags viel⸗ leicht einſtimmig hier Annahme finden wird. Trotz⸗ dem hätten wir auch gewünſcht, daß nach dieſer Rich⸗ tung eine klare Abſtimmung jedes einzelnen Mit⸗ gliedes vor der Bürgerſchaft erfolgte. Das iſt der Grund geweſen, weshalb wir auch diesmal unſeren Antrag auf namentliche Abſtimmung für beide Teile aufrecht erhalten haben, das iſt auch der Grund ge⸗ weſen, warum wir überhaupt eine namentliche Ab⸗ ſtimmung beantragt haben. Was die Sache ſelber betrifft, ſo will ich bei der wichtigen Tagesordnung, die uns noch bevorſteht, nicht zu ſehr in die Materie hineinſteigen und nur auf einige Punkte hinweiſen, die zum Teil in der vorigen Debatte nicht hervorgehoben worden ſind, zum Teil vielleicht Anlaß zu einer anderen Auffaſſung geben. Als Nichthausbeſitzer — die Intereſſen der Hausbeſitzer und Mieter gehen meines Erachtens im Grunde parallel — möchte ich in erſter Linie betonen, daß ich der Auffaſſung bin: wenn man ein derartiges Privileg, das ſeit 100 Jahren beſteht, abſchaffen will, ſo muß man dafür ganz gewichtige Gründe ins Feld führen können, nicht nur Gründe, daß bei den Wahlen von Stadtverordneten gewiſſe Schwierigkeiten vor⸗ liegen, daß man vielleicht hin und wieder einen ande⸗ ren Kandidaten gewählt hätte uſw. Herr Kollege Otto hat in ſeiner letzten Rede Zahlen beigebracht. Ich glaube, aus dieſen Zahlen wird man ganz andere Folgerungen ziehen können und müſſen, als er es getan hat. Ich nehme an, daß mein Kollege Neu⸗ mann, der inzwiſchen gekommen iſt, auf dieſe Sache und vielleicht auch auf die übrigen Punkte, die noch zu erwähnen ſind, eingehen wird. Ich will nur noch einen Punkt hier betonen. Meine Herren, haben denn die Hausbeſitzer in der Zeit, wo das Privileg beſtanden hat, ſich auf ſozia⸗ lem Gebiete nicht ebenſo betätigt wie die anderen Stadtverordneten? Ich möchte niemandem hier in der Verſammlung zu nahe treten, ich glaube, wir haben alle genau ebenſo, gleichviel ob wir Hausbeſitzer waren oder nicht, zum Wohle der Stadt gearbeitet, da hat keiner hinter dem anderen zurückgeſtanden. Die anderen Gründe auszuführen, will ich nun⸗ mehr Herrn Kollegen Neumann überlaſſen, der zur Sache das Wort ergreifen wollte. Stadtv. Dr Perl. Meine Herren! Ich bin ebenfalls nicht Charlottenburger Hausbeſitzer. Ich war es zwar bis vor einigen Jahren, bin es aber jetzt nicht und kann darum, da ja doch der Charlotten⸗ burger Hausbeſitzer in Hausbeſitzerfragen ſich mög⸗ lichſt nicht hervordrängen ſoll, das Wort ergreifen. Ich muß erklären, daß ich mich mit der Mehrzahl meiner Fraktionsfreunde nicht einverſtanden er⸗ klären kann, und befinde mich dabei nicht in ſchlechter Geſellſchaft; ich bin ausdrücklich von dem Kollegen Juſtizrat Friedlaender beauftragt worden, ihn als ſolchen zu nennen, der meinen Standpunkt in dieſer Frage teilt. Welches ſind nun die Gründe, die mich zu dieſem Standpunkt bringen? Ich betrachte die Sache vom Standpunkte der Gerechtigkeit und der Nützlichkert aus, und dieſe beiden Standpunkte zwingen mich, für das Hausbeſitzerprivileg einzutreten. Der Grund