Sitzung vom 4. Februar 1914 iſt ja nicht neu, aber ich muß ihn wieder erwähnen, nämlich der, daß diejenigen, die die meiſten Pflichten zu erfüllen haben, auch den Anſpruch darauf haben, daß ihnen Vorrechte eingeräumt werden. Es iſt allgemein zugeſtanden, daß in Charlotten⸗ burg wie überhaupt in Groß⸗Berlin, die Hausbeſitzer die Hälfte der Laſten auf ſich genommen haben und tragen. Das ſind in Berlin 45 %, in Charlottenburg 51%, in Neukölln 65%, in Schöneberg 53 und in Wilmersdorf 58%. Außer⸗ dem unterhalten die Charlottenburger Hausbeſitzer ebenſo, wie die in anderen Städten, die großen Unternehmungen der Stadtgemeinden: ſie ſorgen dafür, daß die Gaswerke, die Waſſerwerke, die Elek⸗ trizitätswerke ihren Abſatz haben und ihre Bezahlung erhalten und noch gute Ueberſchüſſe abwerfen. Wenn Herr Kollege Hirſch ſagt, daß die Hausbeſter damit weiter nichts tun, als die Beträge von den Mietern einziehen und an die Stadt abführen, und wenn er durch dieſe Erwähnung die Tätigkeit der Haus⸗ beſitzer herabzuziehen gedenkt, ſo irrt er ſich. Die Stadt könnte einfach nicht mit jedem einzelnen Mieter paktieren und von jedem einzelnen die Beträge ein⸗ ziehen, ebenſo wenig wie der Fabrikant jedem einzelnen Konſumenten die Ware liefern und von ihm bezahlt erhalten kann; dazu braucht er die Zwiſchenhändler. In dieſem Falle iſt der Zwiſchen⸗ händler zwiſchen den Bürgern und der Stadt der Hausbeſitzer. Er trägt auch dabei das Riſiko; denn die Stadt bekommt wohl ihre Lieferungen vollſtändig bezahlt, aber ob jeder Mieter wirklich bezahlt, das ſteht auf einem andern Blatt. Wer Beſcheid weiß, wird mir zugeben, daß es in ſehr zahlreichen Fällen nicht ſo iſt. Ferner ſorgt auch der Hausbeſitzer da⸗ für, daß die Müllabfuhr gut funktioniert und ihre Koſten bezahlt werden und die Segnungen dieſer Einrichtung, die hauptſächlich in der Hygiene liegen, der Allgemeinheit zukommen. Alle dieſe Pflichten hat der Hausbeſitzer übernommen, und darum kom⸗ men ihm auch die entſprechenden Rechte zu. Es wäre aber auch unklug, wollte man dem Hausbeſitzer ſein Privileg nehmen. Er iſt der Sach⸗ verſtändige der Stadtverordnetenverſammlung in einer ganzen Reihe von ſehr wichtigen und ſehr weſentlichen Geſchäften. Wenn es ſich um Mieten und Vermieten, um Grundſtückskauf und Verkauf han⸗ delt, wenn es ſich um Bewirtſchaftung und Be⸗ bauung handelt. jo iſt er der gegebene Sachverſtän⸗ dige, der der Verſammlung und dem Magiſtrat zur Seite ſteht, um für das Wohl der Allgemeinheit zu ſorgen. Aber noch ein weiterer Grund iſt vorhanden, der für den Hausbeſitzer als den gegebenen Vertreter der Stadt ſpricht: das iſt die Seßhaftigkeit, die ihm innewohnt, die Seßhaftigkeit, die ſchon eine Folge ſeines Hausbeſitzes allein iſt. Auf die freizügigen Mieter iſt in dieſer Beziehung länaſt nicht ſoviel Verlaß, wie auf den ſeßhaften Hausbeſitzer. Die Be⸗ weisgründe, die hiergegen angeführt ſind und die darauf hinzielen, daß der Hausbeſitz von Charlotten⸗ burg gar nicht in der Hauptſache von ſeßhaften Bürgern innegehabt wird, will ich einmal der Kritik unterziehen. ZSerr Kollege Otto hat eine Statiſtik hier vor⸗ gebracht, die darin gipfelt: in den letzten fünf Jahren hat ſich der Beſtand der Häuſer in Charlottenburg um 4,4 % vermehrt, die Zahl der Hausbeſitzer, die gleichzeitig Bürger von Charlottenburg ſind, hat ſich um 10,6 % vermehrt, die Zahl der nicht phuſiſchen 31 Perſonen, die Hausbeſitzer in Charlottenburg ſind, hat ſich um 56 % vermehrt. Die letztere Zahl ſcheint zu Bedenken Anlaß zu geben; ſieht man ſie jedoch näher an, ſo beweiſt ſie für die vorliegende Frage nichts. In Charlottenburg waren im Jahre 1908 etwa 330 nicht phyſiſche Perſonen Hausbeſitzer, und im Jahre 1912 oder 1913 waren es 520, d. h. es iſt ein Zuwachs von rund 180 nicht phyſiſchen Perſonen eingetreten, die Hausbeſitzer geworden ſind. Das be⸗ weiſt lediglich, daß auch in Charlottenburg wie in Groß⸗Berlin das Elend im Grundbeſitz groß iſt, daß zahlreiche Subhaſtationen von Häuſern ſtattgefunden haben, daß dabei Beſitzer zweiter Hypotheken in die Klemme geraten ſind und nicht kapitalkräftig genug geweſen ſind, um das Haus zu erwerben und ihre Hypothekenforderungen zu retten, daß ſie ſich aus dieſem Grunde haben zuſammentun und eine G. m. b. H. haben gründen müſſen, die das Grundſtück er⸗ worben hat. Für unſern vorliegenden Fall beweiſt dieſe Zahl nichts. Wie kann überhaupt das Anwachſen einer Zahl von 330 auf 520, das an und für ſich ſchon vollſtändig ſachlich erklärt iſt, einen Beweis abgeben für eine Frage, bei der es ſich um 6000 handelt! — So viele Häuſer ſind es. Alſo dieſe Schlußfolgerung, die die Wandlung in der Meinung des Herrn Kollegen Otto hervorgebracht hat, iſt irrig. 2 Nun noch einige der Gründe, welche für die Ab⸗ ſchaffung des Privilegs ſprechen ſollen. In erſter Reihe heißt es: das Geſetz iſt alt, alſo iſt es veraltet. Das klingt ja ſehr folgerichtig, aber es klingt auch eben nur ſo. Ein Geſetz, das 100 Jahre alt iſt, iſt als Geſetz gar nicht mal alt, denn für ein Geſetz ſind 100 Jahre kein ſehr ehrwürdiges Alter. Wir haben Ge⸗ ſetze, die Tauſende von Jahren alt ſind. Wenn man ſagen wollte: alt, alſo veraltet, dann müßte die ganze Mathematik, die Tauſende von Jahren alt iſt, auch in den Papierkorb wandern. Man kann vielleicht ſagen: als das Geſetz gegeben wurde, waren die Ver⸗ hältniſſe anders, die haben ſich geändert. Das iſt viel⸗ leicht bis zu einem gewiſſen Grade, aber auch nur in einem geringen Grade, zuzugeben. In den kleinen Städten, um die es ſich früher hauptſächlich gehandelt hat, iſt der Hausbeſitz entſchieden dominierender, prä⸗ valierender als heutzutage in den Großſtädten. Aber dem iſt entgegenzuhalten: wenn das prozentuale Ver⸗ hältnis zwiſchen Hausbeſitz und nicht Hausbeſitz in den Großſtädten gegenüber den Kleinſtädten gefallen iſt, ſo iſt dafür der Wert der einzelnen Hausobjekte, die im Beſitze der Hausbeſitzer in den Großſtädten ſind, um ein Vielfaches geſtiegen. Wenn in einer kleinen Stadt ein Hausbeſitzer ein Haus im Werte von 50 000 ℳ beſitzt, ſo gehört dem Hausbeſitzer in der Großſtadt ein Haus von 250 000 %ℳ oder 300 000, 400 000 ℳ und noch darüber. Alſo wenn die Einzel⸗ zahlen kleiner geworden ſind, ſo ſind ſie deſto ſchwerer geworden. Dieſe Wandlung in den Verhältniſſen hat ſich reichlich ausgeglichen. Sine Anzahl von Kollegen glaubt, für die Ab⸗ ſchaffung des Privilegs deshalb ſtimmen zu müſſen, weil ſie der Meinung iſt, dann um ſo freier von der Leber weg in den Verſammlungen reden und für den Hausbeſitz eintreten zu können. (Andauernde Unruhe.) Meine Herren Kollegen, die Sie Hausbefitzer ſind, glauben Sie denn, daß Sie mehr wirken können für den Hausbeſitz, wenn Sie nicht als Hausbeſitzer ge⸗ ch] wählt ſind? Da irren Sie ſich ganz gewaltig. Und wenn Sie als Hausbeſitzer für den Hausbeſitz eintreten,