32 ubwhol Sie nicht als Hausbeſitzer gewählt ſind, ſo tann man Ihnen doch entgegenhalten, daß Sie Haus⸗ beſitzer ſind. Sie werden es doch nicht vermeiden können, daß man Ihnen das Wort „Hausagrarier“ entgegenſchleudert! Die Gründe des Herrn Kollegen Jolenberg kann ich ebenfalls nicht als ſtichhaltig anerkennen. Wenn ich die Ausführungen des Herrn Kollegen nachleſe — das iſt mir ſchon bei dem Vortrage aufgefallen —, ſo muß man aus der erſten Hälfte der Darlegungen, eigentlich aus allen Ausführungen, den Schluß ziehen: das Hausbeſitzerprivileg muß erhalten bleiben. Es wird geſagt: der Hausbeſitzer trägt die Hälfte der Laſten, der Hausbeſitzer bezahlt die Kanaliſation und die Müllabfuhr, er bezahlt Gas, Waſſer und Elektrizität — ja, das ſind doch Gründe dafür, daß das Haus⸗ beſitzerprivileg erhalten bleibt, und nicht dagegen! Herr Kollege Jolenberg ſtellt nun zum Schluſſe ſeiner Ausführungen zwei Fragen auf: die erſte: hat das Hausbeſitzerprivileg zum Wohle der Allgemeinheit beigetragen? — und die zweite Frage: hat das Haus⸗ beſitzerprivileg zum Wohle des Hausbeſitzerſtandes beigetragen? Meine Herren, ob das Hausbeſitzerpri⸗ vileg zum Wohle der Allgemeinheit beigetragen hat, die Frage iſt leicht zu beantworten. Allgemein wer⸗ den die Zuſtände in Charlottenburg und die Ent⸗ wicklung der Stadt gelobt, erſt heute iſt es wieder ge⸗ ſchehen, und dazu haben doch die Hausbeſitzer um mehr als die Hälfte beigetragen, ſie haben mitgear⸗ beitet. Alſo kann den Hausbeſitzern nicht der Vor⸗ wurf gemacht werden, daß ſie ihre Sache ſchlecht ge⸗ führt hätten. Wenn es ſchwierig ſein ſollte, Haus⸗ beſitzer ausfindig zu machen, denen man das Mandat als Stadtverordneter übertragen könnte, ſo liegt das nicht daran, daß die Auswahl beſchränkt iſt. Tau⸗ ſende von Hausbeſitzern ſtehen der Wahlkommiſſion zur Verfügung. Die zweite Frage, ob das Privileg den Haus⸗ beſitzern ſelbſt zum Vorteil gereicht hat, hat Herr Kollege Jolenberg mit Nein beantwortet. Ich beant⸗ worte ſie ebenfalls mit Nein, ziehe aber daraus ganz andere Schlußfolgerungen. Wenn das Hausbeſitzer⸗ privileg den Hausbeſitzern ſelbſt nicht zum Vorteil gereicht hat, dann ſtellt dieſer Umſtand den Hausbe⸗ 1 ein glänzendes Zeugnis für ihre Uneigennützig⸗ eit aus, (Sehr richtig!) dann geht daraus hervor, daß ſie nicht für ſich, ſon⸗ dern für die Allgemeinheit gearbeitet haben. Herr Kollege Jolenberg wirft auch den Hausbeſitzern vor, daß ſie es nicht fertig bekommen haben, eine Anſtalt für zweite Hypotheken in Charlottenburg zu gründen. Fürs erſte iſt dieſe Frage noch in der Bearbeitung; wenn aber wirklich aus der Sache nichts herauskom⸗ men ſollte, ſo kann das ſicherlich nicht den Hausbe⸗ ſitzern vorgeworfen werden, dann liegt es, wie jeder Eingeweihte weiß — — (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Dr Frentzel (unterbrechend): Herr Kollege! Wir beſchäftigen uns heute mit dem Haus⸗ beſitzerprivileg, aber nicht mit der Anſtalt für zweite Hypotheken. Ich möchte Sie bitten, ſich nicht über dieſen Punkt zu verbreiten, er wird ſeinerzeit auch behandelt werden. Sitzung vom 4. Februar 1914 Stadtv. Dr Perl (fortfahrend): Meine Herren! Ich will mich nicht in allzu weitläufige Beweis⸗ führungen verlieren, denn ich muß in Betracht ziehen, daß eigentlich alle die Beweisgründe, die ich vor⸗ gebracht habe, ſchon von mir vorgebracht worden ſind. Es iſt insbeſondere meine Aufgabe geweſen, die Be⸗ weisgründe, die neuerdings vorgetragen worden ſind, zu widerlegen. Das glaube ich zur Genüge getan zu haben. Ich kann mit den Worten ſchließen, daß zwar unter unſeren Kollegen der Grundſatz herrſcht: gleiches Recht für alle —, daß aber dieſes Wort nicht bedeuten kann, daß jeder dasſelbe Recht haben ſoll, wie der andere, ſondern bedeuten muß, daß jeder nach feinen Pflichten auch ſeine Rechte habe. Deutlicher beſagt das der Grundſatz, den wir in Preußen haben: jedem das Seine! Meine Herren, ich möchte auch noch auf die Worte hinweiſen, die uns Herr Oberbürgermeiſter Matting ſagen konnte, als wir ihn auf dem Ab⸗ ſchiedsbankett feierten: von hochgeſtellter Seite ſei ihm bezeugt worden, daß in bezug auf Intelligenz die Charlottenburger Stadwerordnetenverſammlung in Preußen einen hervorragenden Rang einnehme. In dieſer Stadtverordnetenverſammlung — das möchte ich hervorheben — iſt weit über die Hälfte der Hausbeſitz vertreten! (Bravo! bei der Vereinigten alten Fraktion.) Stadtv. Neumann: Meine Herren! Ich bitte zunächſt um Entſchuldigung, daß zwei Redner aus unſerer Fraktion zu dieſer Frage ſprechen. Wir waren nicht darauf vorbereitet, daß dieſe Vorlage jetzt be⸗ reits verhandelt würde, ſondern glaubten, daß ſie erſt nach dem Etat herankäme. Ich habe mich daher etwas verſpätet; ich bitte um Entſchuldigung. Bei der erſten Leſung haben wir dadurch, daß wir für die geheime Wahl bei den Stadwerordneten⸗ wahlen eingetreten ſind, gezeigt, daß wir an ſich grundſätzlich nicht abgeneigt ſind, überhaupt in eine Reviſion der Städteordnung und des Kommunal⸗ wahlrechts einzutreten. Ebenſo ſind wir auch der Anſicht, daß das Hausbeſitzerprivileg in der Form, wie es heute exiſtiert, durchaus nicht ein „Noli me tangere“ iſt. Aber es erſcheint mir nicht angängig, daß man ſich heute nach dieſer Richtung hin äußert, um ſo weniger, als irgendein nennenswertes ſtatiſti⸗ ſches Material nicht vorliegt, wir zweitens auch dar⸗ über leider nicht zu befinden haben, und drittens lediglich ein Antrag der ſozialdemokratiſchen Fraktion, das Hausbeſitzerprivileg abzuſchaffen, zur Beratung ſteht. Aus denſelben Gründen, aus denen wir, wie ich in der vorigen Sitzung ausgeführt habe, nur dazu kommen konnten, daß das kommunale Wahlrecht ein in irgendeiner Form abgeſtuftes Wahlrecht ſein muß, aus denſelben Gründen gelangen wir zu der Anſicht, daß das Hausbeſitzerprivileg in irgendeiner Form weiter beſtehen muß und weiter beſtehen ſoll. Nun habe ich mir mit dieſen meinen Ausführu⸗ gen den vollen Zorn des Herrn Kollegen Hirſch, den ich zu meinem lebhaften Bedauern nicht im Saale ſehe, zuge⸗ogen; er hat es mir ſchon vorher ange⸗ kündigt, daß er nicht hierher kommen könne. Ich bedaure das ſehr, muß aber trotzdem mich gegen ein⸗ zelne Ausführungen, die er — ich nehme an, im Ein⸗ verſtändnis mit ſeinen Freunden — gemacht hat, wenden. Herr Kollege Hirſch hat mir nachgeſagt, meine Anſchauungen ſeien veraltet, ich ſei überhaupt allem Anſchein nach ein Freund des Alten, und drittens ſeien meine Anſchauungen rückſtändig. Das