Sitzung vom 4. Februar 1914 iſt ein bißchen viel auf einmal. Wenn jemand ſo maſſiv wird, dann müſſen ihm objektive Gründe für die Richtigkeit ſeiner Anſchauung fehlen. Der Herr Kollege Hirſch hat nun einen objektiven Grund ange⸗ führt, er hat in der Polemik gegen mich geſagt: es iſt richtig, die Hausbeſitzer zahlen einen großen Teil der Steuern in der Kommune, aber die Hausbeſitzer zahlen dieſen Betrag gar nicht aus ihrer Taſche, ſie bringen das Geld lediglich nur zur Stadtkaſſe hin und ziehen es von den Mietern ein; die Mieter ſind es, welche die Steuern der Hausbeſitzer bezahlen. So ſagt der Herr Kollege Hirſch. In demſelben Atem⸗ zuge ſagt er dann, daß er dieſe Behauptung voll⸗ kommen nicht aufrecht erhalten könne, denn in ſchlechten Zeiten könne es wohl vorkommen, daß die Hausbeſitzer die Steuern ſelbſt bezahlen müßten und ſie nicht von den Mietern einziehen könnten. Meine Herren, daß die Hausbeſitzervereine jetzt wieder mit Petitionen zu uns gekommen ſind, die Kanaliſations⸗ ſteuern nicht heraufzuſetzen, dieſe eine Tatſache zeigt allein ſchon, daß die Hausbeſitzer auf dieſem Stand⸗ punkt nicht ſtehen. Sie ſind eben der Anſicht: ſie müſſen das Mehr bezahlen. Ich bin auch dieſer An⸗ ſicht. Nach dieſer Richtung hin iſt alſo nichts be⸗ wieſen worden. Dann hat der erſte Sprecher der ſozialdemokrati⸗ ſchen Fraktion geſagt: man ſcheint für das Haus⸗ beſitzerprivileg zu ſein, um die böſe Sozialdemokratie damit zu bekämpfen. Die Herren ſtellen ſich da wieder einmal mit ihrer alten Beſcheidenheit in den Mittel⸗ punkt der Betrachtung. Ich weiß nicht recht, was die Beibehaltung des Hausbeſitzerprivilegs mit der So⸗ zialdemokratie zu tun haben ſoll. Ich will zugeben, daß hie und da — aber gleichmäßig alle Fraktionen Schwierigkeiten haben können in der Auswahl ihrer Kandidaten. Ich behaupte auch nicht, daß das Haus⸗ beſitzerprivileg etwas Unantaſtbares Schönes iſt, daß es nichts Beſſeres auf der Welt gibt. Es hat auch nach manchen Richtungen Mängel. Aber im großen ganzen glaube ich ſagen zu können, daß es keiner Fraktion an Kandidaten für die Stadtverordneten⸗ wahlen gefehlt hat; ich müßte im Gegenteil nach meinen Erfahrungen ſagen: kommt es einmal zur Stadtverordnetenwahl, dann verfügen alle Fraktio⸗ nen über einen Ueberſchuß an Kandidaten. Meine Herren, ich möchte mich mit einigen Worten auch noch gegen die Ausführungen wenden, die der Herr Kollege Otto gemacht hat. Er hat eine Statiſtik vorgelegt. Ich habe mir die Zahlen noch einmal durchgearbeitet und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß es mir vollkommen unbegreiflich iſt, wie der Herr Kollege Otto auf Grund dieſer Zahlen zu 11 Ergebnis gekommen iſt, zu dem er kommen wollte. (Stadtv. Dr. Stadthagen: Sehr richtig!) Nach den vom Herrn Kollegen Otto vorgelegten Zahlen waren im Jahre 1908 — ich habe es genau ausgerechnet — 59% aller Hausbeſitzer phufiſche Perſonen, im Jahre 1913 waren es 63% aller Haus⸗ beſitzer. Es iſt alſo gegen die Zeit vor fünf Jahren eine Erhöhung der phyſiſchen Perſonen, die Haus⸗ beſitzer ſind, eingetreten. Auswärtige waren 35% im Jahre 1908 und 28% im Jahre 1913, und von den nichtphyſiſchen Perſonen waren im Jahre 1908 5,37% und im Jahre 1913 8,75% Hausbeſitzer. Dieſe Zahlen, Herr Kollege Otto, beweiſen, daß ledig⸗ lich eine Verſchiebung in der Richtung der aus⸗ wärtigen Perſonen, die bei uns Häuſer beſitzen, ein⸗ 3³ getreten iſt, und es läßt ſich wohl annehmen bei der Eigenart unſerer Kommune als Vorort⸗ kommune, daß vielfach Perſonen, die in unſeren Nachbargemeinden wohnen, Häuſer in Charlotten⸗ burg kaufen zu irgendwelchen Spekulationszwecken, dieſe Häuſer ſind es dann gerade, die zu Zeiten ſchlechter Konjunktur in Verfall geraten, die zur Sub⸗ haſtation kommen. Man hat mir auch geſagt — das iſt mir aus Hausbeſitzerkreiſen erzählt worden —, daß ſich unter den nicht phyſiſchen Perſonen nicht nur die G. m. b. H. s finden, die gegründet worden ſind, ſondern daß es auch vielfach Hypothetengeſellſchaften ſind, die Häuſer gekauft haben, um das Darlehen zu retten, das ſie den einzelnen Hausbeſttzern gegeben haben. Dieſe Häuſer werden, wenn die Konjunktur beſſer wird — die Hypothekengeſellſchaft hat kein Intereſſe daran, die Häuſer zu behalten — wieder auf Einzelperſonen übergehen. Meine Herren, jeder, der etwas von der Hausverwaltung verſteht, wird mit mir darin übereinſtimmen, daß ſich der Hausbeſitz niemals für die Form einer Aktiengeſellſchaft eignet, um ein Geſchäft mit der Verwaltung von Häuſern zu machen und Ueberſchüſſe daraus zu er⸗ zielen. Es können ſich wohl Geſellſchaften finden, die Terrains und Häuſer aufkaufen zu Spekulations⸗ zwecken; aber die ganze Art der Hausverwaltung iſt ſo, daß eine Perſönlichkeit vorhanden ſein muß, um aus dem Geſchäft einen Nutzen zu ziehen. Die Ver⸗ waltung einer Aktiengeſellſchaft iſt ſo teuer, daß ſie ſich nicht zur Verwaltung von Häuſern eignet. Aus allen dieſen Gründen ziehe ich den Schluß, daß die Ausführungen des Herrn Kollegen Otto, ſoweit ſie hier wirtſchaftliche praktiſche Geſichtspunkte ver⸗ folgten, nicht ſtichhaltig ſind. Man muß zu der ent⸗ gegengeſetzten Anſicht kommen, als die iſt, die Herr Kollege Otto geäußert hat. Dann habe ich ſchließlich geſagt, daß ich die Kom⸗ mune als ſolche in ſtärkerem Maße als eine Ver⸗ mögensverwaltungsſtelle anſehe, und habe mir dabei das Wort eines liberalen Abgeordneten zu eigen ge⸗ macht, das er vor kurzer Zeit im Abgeordnetenhauſe geſprochen hat. Ich habe feſtgeſtellt, daß dieſer liberale Abgeordnete der freiſinnige Abgeordnete Dr Pachnicke war, der das Wort in ſeiner Polemik gegen die Kon⸗ ſervativen angewandt hatte. Wenn der Herr Kollege Hirſch derartige Ausführungen als rückſtändig und reaktionär anſieht, ſo muß ich es ihm überlaſſen, die Frage auf dem Boden auszufechten, wo ſie ausgefoch⸗ ten werden muß, im Abgeordnetenhauſe mit ſeinem „reaktionären“ Kollegen Dr Pachnicke. (Sehr gut! bei der Vereinigten alten Fraktion.) Weiter iſt, wie ich geſehen habe, auch von libe⸗ raler Seite aus der Vorſchlag in Erwägung gezogen worden, ob man nicht vielleicht das Hausbeſitzer⸗ privileg abſchaffen, dagegen die ſeßhaften Beſitzer in ſtärkerem Maße gegenüber der fluktuierenden Bevölke⸗ rung dadurch ſchützen ſollte, daß man den ſeßhaften Bürgern, gleichviel, ob ſie Hausbeſitzer ſind, oder nicht, ein höheres Wahlrecht gibt als der fluktuierenden Be⸗ völkerung. Ich glaube, den Antragſtellern würde das ebenſowenig gefallen wie die Beibehaltung des Haus⸗ beſitzerprivilegs in irgendeiner Form, denn es würde immer eine Bevorzugung einzelner Perſönlichkeiten ſein. Und, meine Herren, ſo ſympathiſch auch ein der⸗ artiger Vorſchlag im erſten Moment vielleicht er⸗ ſcheinen mag, praktiſch dürfte er ſehr ſchwer durchzu⸗ führen ſein. Wir ſollen anderſeits auch überlegen, daß gerade in unſeren Vorortgemeinden die fluktuierende