34 Bevölterung es viel leichter hat, ihren Wohnſitz zu wechſeln, wenn ſie aus irgendwelchen Gründen mit der Kommunalverwaltung unzufrieden iſt. Wir kön⸗ nen es erleben, daß aus den nichtigſten Gründen Mieter aus der Stadt herausziehen, etwa weil ihnen nicht die Form gefällt, in der man ſie wegen Steuer⸗ zahlung anmahnt, weil ihnen die Elettrizitätsrechnung nicht richtig zu ſein ſcheint, weil ſie in Wilmersdorf Wohnungen bekommen können, die 30 ℳ billiger ſind. Alle dieſe Gründe kann der Hausbeſitzer nicht in An⸗ ſpruch nehmen, er kann ſein Haus nicht auf den Buckel nehmen, um es nach Wilmersdorf zu tragen, wenn eine Majorität der fluktuierenden Bevölkerung in der Stadtverordnetenverſammlung ſein ſollte, die ohne Rückſicht auf den Hausbeſitz ihre Beſchlüſſe faßt. Faßt der Hausbeſitz ohne Rückſicht auf die fluktuierende Be⸗ völkerung ſeine Beſchlüſſe, dann hat die fluktuierende Bevölkerung erſtens den Vorteil, daß ſie ohne weiteres aus der Kommune herausziehen kann, zweitens wird der Hausbeſitzer ſehr bald merken, daß er ſich in das eigene Fleiſch ſchneidet; denn wenn die fluktuierende Bevölkerung auszieht und die Wohnungen leer ſtehen, dann hat er ſchließlich den Schaden ſeiner Beſchlüſſe zu bezahlen. Ich bin nach wie vor nach objektiver Betrachtung aller dieſer Gründe, wobei ich mich in keiner Weiſe von irgendwelchen politiſchen Gründen leiten laſſe, zu dem Schluſſe gekommen, daß ſich das Hausbeſitzer⸗ privileg — es kann in einer Form ſein, in der es will ſehr gut bewährt hat und daß kein Grund vor⸗ liegt, dieſes Privileg aus irgendeiner Erwägung ab⸗ zuſchaffen. (Bravo! bei der Vereinigten alten Fraktion.) Stadtv. Meyer: Meine Herren! Von Herrn Kollegen Otto iſt bereits in der vorigen Sitzung er⸗ klärt worden, daß unſere Fraktion nahezu geſchloſſen für den Antrag ſtimmen wird. Die Zahl der Frak⸗ tionskollegen, die mit Nein ſtimmen, wird in keinem Verhältnis zu der Dauer der Zeit ſtehen, die Herr Kollege I0. Perl zur Begründung ſeines Stand⸗ punktes beanſprucht hat. Vor allen Dingen aber muß ich ausdrücklich erklären, daß die große Mehrheit meiner Freunde ſowohl gegen die befremdlichen Be⸗ merkungen des Herrn Dr Perl über die Mieter als auch gegen die Art, in der er unſerer Abſtimmung Motive unterſtellte, Verwahrung einlegt. (Bravo! bei den Liberalen.) Wir bedauern, daß dieſe Rede aus der Mitte unſerer Fraktion gehalten wor⸗ den iſt. (Lebhafte Zuſtimmung bei den Liberalen.) Nachdem die Debatte bereits einen ſo weit ausge⸗ dehnten Verlauf genommen hat und nachdem auch aus unſerer Fraktion ſchon eingehend von den Herren Kol⸗ legen Otto und Wöllmer unſer Standpunkt vertreten worden iſt, werde ich mich heute möglichſt kurz faſſen und mich lediglich auf einige Punkte beſchränken, die von den Herren Kollegen Dr Stadthagen und Neu⸗ mann neu berührt worden ſind. Meine Herren, ſowohl der Herr Kollege Dr Stadt⸗ hagen als Herr Kollege Neumann haben gemeint, die durch das Hausbeſitzerprivileg verurſachten Schwierig⸗ keiten bei Aufſtellung von Kandidaten ſeien nicht ſo Sitzung vom 4. Februar 1914 groß, daß ihnen ein beſonderes Gewicht beigemeſſen werden kann. Ich meine, daß das Gegenteil durch die Tatſachen bewieſen wird. Wir wiſſen, daß insbeſon⸗ dere die ſozialdemokratiſche Fraktion bei jeder Wahl die größte Mühe hat, geeignete Kandidaten für die Hausbeſitzerbezirke zu gewinnen. Wenn Sie nun viel⸗ leicht ſagen, daß es nicht unſere Sache iſt, uns den Kopf zu zerbrechen, wie eine uns politiſch entgegen⸗ geſetzte Fraktion ihre Kandidaten gewinnt, ſo bin ich demgegenüber der Auffaſſung, daß ein Wahlrecht ſeine großen Bedenken hat, das es einer ſo ſtarken Partei erſchwert und nahezu unmöglich macht, ihre Wähler jederzeit vertreten zu laſſen. War doch erſt bei den letzten Wahlen die ſozialdemokratiſche Partei dadurch genötigt, Doppelkandidaturen aufzuſtellen, die nachher in ihrer Konſequenz dazu führten, daß die betreffen⸗ den Sitze in der Stadtverordnetenverſammlung heute noch nicht beſetzt ſind. Aber noch ein anderer großer Mißſtand ſcheint mir von den beiden Herren Kollegen Dr Stadthagen und Neumann überſehen worden zu ſein, nämlich die Tatſache, daß durch das Hausbeſitzerprivileg die Wäh⸗ ler oft genötigt ſind, bei einer Ergänzungswahl einen andern Kandidaten aufzuſtellen als denjenigen, der ihren Bezirk vorher vertreten hat, ſich dort beliebt ge⸗ macht und bewährt hat. Ich wundere mich, daß ge⸗ rade die Herren von der Fraktion der Rechten dieſen Uebelſtand überſehen, da es, wie ihnen doch wohl be⸗ kannt iſt, ein nationalliberaler hieſiger Orts⸗ verein geweſen iſt, der noch nach der letzten Stadtver⸗ ordnetenwahl in einer ſcharfen Reſolution es getadelt hat, daß die Stadtverordneten von einem Bezirk in den andern verlegt worden ſind, eine Erſcheinung, die ſich zum großen Teil mindeſtens aus der jetzigen Ge⸗ ſetzeslage ergibt und notwendig macht. 44. Dann iſt geſagt worden, es gibt keine tatſächlichen inneren Gründe ſchwerwiegender Art neben dieſen Gründen mehr taktiſcher Art, von denen ich eben ſprach. Da geſtatten Sie mir, Ihnen aus den Ver⸗ handlungen des preußiſchen Abgeordnetenhauſes vom 22. Oktober 1912 eine Ausführung vorzuleſen, die mir außerordentlich beweiskräftig zu ſein ſcheint. „Es iſt richtig“ — ſagt hier einer der Herren Abgeordneten —, „daß die Stellung der Hausbeſitzer in den größeren Städten ſich erheblich geändert hat. In dieſen iſt der Hausbeſitzer in der Regel nicht bloß ein Mann, welcher ſein eigenes Heim haben will, ſondern die Häuſer ſind derartig über lediglich ein eigenes Heim hinausgewachſen, daß die Zahl der Mieter bei weitem den überwiegenden Teil der Bewohner eines Hauſes bildet, ſo daß für den Hausbeſitzer nicht bloß der Grund vorliegt: er will im eigenen Heim wohnen, ſondern er will aus dem Hauſe Verdienſt ziehen, er will vom Kapital nicht bloß die üblichen Zinſen haben, ſondern gleichzeitig durch die Arbeit — und die iſt bei der Verwaltung eines großen Hauſes nicht unerheblich — einen gewiſſen Verdienſt haben. Der Hausbeſitzer wird hier zu einer Art Gewerbetreiben⸗ der. . . Im Falle der Hausbeſitzer Gewerbetreibender iſt, iſt ſeine Stellung zur geſamten Gemeinde zweifel⸗ los eine andere geworden als die desjenigen Haus⸗ beſitzers, der ſein Haus nur als eigenes Heim be⸗ wohnt. Dann iſt er an das Blühen und Gedeihen ſeines Gewerbes in höherem Grade gebunden als der andere, der ſein Haus für ſich allein beſitzt, und dann hat er keinen Anſpruch auf eine beſondere Bevor⸗ zugung vor anderen Gewerbetreibenden.“ (Hört! hört! bei den Liberalen.)