Sitzung vom 4. Februar 1914 Der Mann, der in ſo objektiver Weiſe — das iſt ſehr objektiv, er würdigt ja ausdrücklich, welche Mühe der Hausbeſitzer der geſchilderten Art dadurch hat, daß er ſein Haus verwaltet —, der Abgeordnete, der in ſo ausgezeichneter Weiſe die inneren Bedenken gegen das Hausbeſitzerprivileg hier dargelegt hat, war der Wortführer der nationalliberalen Fraktion, der Herr Abgeordnete Bo i s1y. (Hört! hört! bei den Liberalen.) Da nun der Herr Kollege Neumann vorhin auch auf Aeußerungen verwieſen hat, die im preußiſchen Abge⸗ ordnetenhauſe gefallen ſind, ſo darf ich ihn daran er⸗ innern, daß bei dieſer Gelegenheit, bei der die ganze Frage im Abgeordnetenhauſe grundſätzlich erörtert worden iſt, bei der Verhandlung über eine Petition des Mietervereins in Danzig auf Aufhebung des Haus⸗ beſitzerprivilegs, entgegen dem Kommiſſionsantrage auf Uebergang zur Tagesordnung die Mitglieder der Fortſchrittlichen Volkspartei einſtimmig für Ueber⸗ weiſung der Petition zur Berückſichtigung und die der nationalliberalen Partei ebenſo einmütig für Ueber⸗ weiſung an die Regierung als Material geſtimmt haben, beides ohne Erfolg. Sie ſehen, daß immerhin die geſamte Linke, einſchließlich der nationalliberalen Partei des Abgeordnetenhauſes, aus der Petition des Mietervereins in Danzig damals einen Anlaß genom⸗ men hat, ernſthaft der Frage näherzutreten, und daß insbeſondere auch der Herr Vertreter der nationallibe⸗ ralen Partei, der ſich allerdings nicht ohne weiteres für die Aufhebung des Hausbeſitzerprivilegs ausge⸗ ſprochen hat, (Hört! hört! bei der Vereinigten Alten Fraktion. Stadtv. Dr. Stadthagen: Ahal) — gewiß nicht, meine Herren, im Gegenteil; das geht ſchon daraus hervor, daß er Ueberweiſung als Material beantragt hat; wenn Sie das vorhin richtig aufgefaßt hätten, brauchten Sie jetzt nicht Ahal zu rufen —, daß alſo ſchon die Petition des Mietervereins in Danzig genügt hat, dieſe Parteien zu einer immerhin recht wichtigen Stellungnahme im preußiſchen Abge⸗ ordnetenhauſe zu veranlaſſen. Deshalb kann ich dem Herrn Kollegen Neumann auch darin nicht zuſtimmen, daß unſere Erklärungen hier ſo gar keinen Sinn hät⸗ ten, daß wir nichts erreichen könnten. Wenn ſchon der Mieterverein in Danzig die Frage im Abgeord⸗ netenhaus derart zum Aufrollen gebracht hat, ſo wird das der Stadt Charlottenburg mit noch größerem Rechte gelingen können. Wir dürfen uns wenigſtens dieſer Hoffnung hingeben. Wenn Herr Kollege Neumann als letztes Gegen⸗ argument, das ich hier erörtern will — ich möchte die Verſammlung nicht zu lange aufhalten —, noch er⸗ wähnt hat, der Antrag komme von der Sozialdemo⸗ kratie, — nun, meine Herren, ich freue mich, daß die Sozialdemokratie uns hier einmal einen Antrag ge⸗ bracht hat, den wir glatt anzunehmen in der Lage ſind. Ich freue mich insbeſondere, daß die Sozialdemokratie opportuniſtiſch genug geweſen iſt, dieſen Antrag ledig⸗ lich auf zwei Punkte zu richten, über die ſich die große Mehrheit der Verſammlung wird einigen können, und daß ſie den dritten Punkt, die völlige Gleichſtellung dieſes Wahlrechts mit dem Reichstagswahlrecht, hin⸗ ſichtlich deſſen auch unter meinen Freunden großenteils erhebliche Bedenken gegen eine Zuſtimmung obgewaltet hätten, unberührt gelaſſen hat. 35 Ich will mich, wie geſagt, nicht weiter ausſprechen. Ich komme zu dem Ergebniſſe, daß wir um ſo mehr für den Antrag der ſozialdemokratiſchen Fraktion ſtimmen können, als wir unſerſeits der Ueberzeugung ſind, daß zwar das Hausbeſitzerprivileg im großen und ganzen nicht ſchädlich gewirkt hat, daß aber auch ohne das Hausbeſitzerprivileg von einer pflichttreuen Stadt⸗ verordnetenverſammlung in gleicher Weiſe die berech⸗ tigten Intereſſen des Hausbeſitzerſtandes wahrgenom⸗ men worden wären, wie unter der Herrſchaft des Haus⸗ beſitzerprivilegs, und daß das auch in Zukunft ſo ſein wird. Die Tätigkeit von Dutzenden von Mitgliedern dieſer Verſammlung, die nicht Hausbeſitzer ſind, ſcheint mir am beſten zu beweiſen, daß an uns aicht einmal der Gedanke, wir könnten weniger als die Hausbeſitzer für die berechtigten Intereſſen der Hausbe⸗ ſitzer eintreten, heranreichen kann. Schließlich, meine Herren, möchte ich noch zu dem Antrag auf namentliche Abſtimmung über Teil 1 des Antrages, der vorhin abgelehnt worden iſt, bemerken, daß meine Freunde hierbei mit Nein geſtimmt haben, weil ſich aus den Erklärungen der Fraktionen ergeben hat, daß über die Frage der Erſetzung des öffentlichen Wahlrechts durch ein geheimes innerhalb der Stadt⸗ verordnetenverſammlung keine Meinungsverſchieden⸗ heit beſteht. Unter dieſen Umſtänden ſollten die Ge⸗ ſchäfte nicht durch eine namentliche Abſtimmung auf⸗ gehalten werden. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Ich hoffe, daß der Herr Vorſteher dann Gelegenheit nehmen wird, aus der tatſächlichen Abſtimmung feſt⸗ zuſtellen, daß dieſer Teil des ſozialdemokratiſchen An⸗ trags einſtimmig angenommen worden iſt. (Wiederholtes Bravo bei den Liberalen.) Vorſteher Dr. Frentzel: Meine Herren! Von Herrn Kollegen Otto iſt der Antrag auf Schluß der Debatte geſtellt worden. Auf der Rednerliſte ſteht noch Herr Dr Perl, abgeſehen davon, daß im Namen der Antragſteller noch das Schlußwort zu erfolgen hat. (Zuruf des Stadtv. Dr Perl.) — Jeur zur perſönlichen Bemerkung? — Dann ſteht alſo niemand auf der Rednerliſte, und ich erteile das Schlußwort für die Antragſteller Herrn Dr. Borchardt. Stadtv. Dr Borchardt: Meine Herren! Ich werde mich, da ich nur ein Schlußwort genommen habe, außerordentlich kurz faſſen. Die heutige De⸗ batte hat ja auch irgendwelche Momente gegenüber der Debatte, die in der letzten Sitzung geführt wurde, nicht ergeben. Höchſtens, möchte ich ſagen, iſt für mich als intereſſant das hervorgetreten, wie ſehr ich mich perſönlich im Irrtum befand, als ich glaubte, die Veraltetheit, die Ueberlebtheit des Hausbeſitzerprivi⸗ legs werde in bewußter Weiſe eigentlich überall er⸗ kannt. Ich ſehe, daß diejenigen Herren, die immer dann, wenn von einer Abtragung eines Privilegs die Rede iſt, ein gewiſſes Unbehagen empfinden, daß der böſe demokratiſche Geiſt wieder etwas vorwärts drin⸗ gen könnte, — daß dieſe Herren auch bei dem Haus⸗ befitzerprivileg von dieſem ſelben Unbehagen durch⸗ drungen ſind und nun nach allen möglichen Gründen ſuchen, um nachzuweiſen, daß doch im Grunde das Privileg ſehr gut und ſehr berechtigt iſt.