Sitzung vom 4. Februar 1914 Es lohnt ſich, mit einigen Worten auf dieſe Frage einzugehen, nachdem uns heute die Ziffern mitgeteilt worden ſind, die vorausſichtlich in dem Rechnungsab⸗ ſchluß des Jahres 1913 ſtehen werden. Die Einkommenſteuer ſoll für das Jahr 1914 10 Millionen betragen, abgeſehen von den ferner vor⸗ geſchlagenen 10%. Sie brachte im Jahre 1913 300 000 ℳ unter dem Anſchlag von ebenfalls 10 Mil⸗ lionen — ſo habe ich den Herrn Kämmerer ver⸗ ſtanden —, alſo nur 9 700 000 ℳ. Die Einkommen⸗ ſteuer hat aber im Jahre 1912 bereits 9 250 000 gebracht. Die ſämtlichen Steuern — ich kann mich damit begnügen, die Geſamtſumme in dem Voran⸗ ſchlag für das Jahr 1914 mit der Iſteinnahme für 1912 in Vergleich zu ſtellen — ſollen, abgeſehen von dem Zuſchlag von 10%, wie ich nochmals hervor⸗ hebe, und abgeſehen von der Luſtbarkeitsſteuer, rund 17 900 000 ℳ bringen; ſie brachten aber im Jahre 1912 bereits 17 200 000 ℳ. Das iſt alſo eine ge⸗ ſchätzte Zunahme von ungefähr 700 000 ℳ. Da es ſich hier immer um Vergleiche nicht mit dem Jahre 1913, ſondern mit dem Jahre 1912 handelt, ſo meine ich, doch ſagen zu ſollen, daß die Einnahme aus den Steuern, wie ſie vom Magiſtrat geſchätzt iſt, nicht op⸗ timiſtiſch, ſondern etwas peſſimiſtiſch beurteilt iſt. Aber ich kann den Standpunkt des Magiſtrats ver⸗ ſtehen; es iſt auch nötig, daß im Jahre 1914 in dieſer Beziehung gewiſſe Reſerven für die ſpäteren Jahre ge⸗ ſammelt werden, um ſo mehr, da wir ja, wie ich ſchon erwähnte, auf einen Ueberſchuß aus dem Jahre 1913 nicht rechnen können. Meine Herren, was den Ausgleichfonds betrifft, ſo ſind wir der Anſicht, daß wir den Vorſchlägen des Magiſtrats in dieſer Beziehung folgen und keinen wei⸗ teren Betrag aus dem Ausgleichsfonds etwa zu dem Zwecke der Balanzierung des Etats entnehmen ſoll⸗ ten; denn wir müſſen als vorſichtige Finanzleute zweifellos einer ſo großen Verwaltung wie Char⸗ lottenburg einen Ausgleichsfonds von angemeſſener Größe reſervieren — ich glaube, er wird nur noch un⸗ gefähr 600 000 oder 700 000 %ℳ betragen. Wenn ich nun zu der Frage übergehe, ob wir dem Vorſchlag des Magiſtrats auf Erhöhung der Einkommenſteuer von 100 auf 110% folgen ſollen, ſo bin ich der Anſicht, daß mit der Prüfung der Frage, die ich anregte, über die peſſtmiſtiſche oder optimiſtiſche Einſchätzung der Einnahmen aus unſern Steuern für das Jahr 1914 auch die Frage eng ver⸗ knüpft iſt, ob wir zu einer Erhöhung der Einkommen⸗ ſteuer ſchreiten müſſen. Wenn wir im Ausſchuß zu der Ueberzeugung kommen, daß der Magiſtrat nicht hoch genug geſchätzt hat und wir mit ruhigem Ge⸗ wiſſen und mit aller Vorſicht die Einnahmen aus den Steuern höher einſchätzen können, ſo werden wir naturgemäß nicht dazu kommen, daß wir die Ein⸗ kommenſteuer nach dem Vorſchlage des Magiſtrats erhöhen. (Sehr richtig! bei der Vereinigten alten Fraktion.) Wenn wir aber nach ſorgfältiger Prüfung und mit der gleichen Gewiſſenhaftigkeit zu der Ueberzeugung ge⸗ langen, daß die Voranſchläge des Magiſtrats inbezug auf das Einkommen an Steuern für das nächſte Jahr richtig ſind und wir ihnen beiſtimmen müſſen, dann bleibt uns meiner Anſicht nach gar nichts andres übrig als eine Erhöhung der Einkommenſteuer. Das iſt dann umſomehr nötig, weil für uns zurzeit andere 47 Steuern oder die Erhöhung anderer Steuern nicht in Frage kommt und vor allen Dingen eine weitere Be⸗ laſtung des Haus⸗ und Grundbeſitzes ganz und gar ausgeſchloſſen iſt. Meine Herren, ich wende mich nun mit einigen Worten zur Reviſion des Normaletats. Der Magiſtrat hat unter Nr. II1 ſeiner Vorlagen gebeten, davon Kenntnis zu nehmen, daß er beſchloſſen habe, für das Rechnungsjahr 1914 von jeder Reviſion des Normal⸗ beſoldungsetats abzuſehen. Er hat dieſen Beſchluß durch folgende Bemerkung motiviert: Wir haben den oben angegebenen Beſchluß be⸗ treffend Nichtreviſton des Normalbeſoldungs⸗ etats mit Rückſicht auf die gegenwärtig ungün⸗ ſtigen Etatsverhältniſſe und im Hinblick darauf gefaßt, daß auch Berlin und die anderen Stadtgemeinden Groß⸗Berlins für das nächſte Jahr in eine Reviſion ihrer Beſoldungsordnun⸗ gen nicht eintreten werden. Meine Herren, wir bedauern außerordentlich, daß die Wünſche der Beamten und Arbeiter nach Auf⸗ beſſerung ihrer Bezüge für das Jahr 1914 durch dieſen Beſchluß des Magiſtrats nicht erfüllt werden können. Aber wir ſind der Anſicht, daß der Vor⸗ ſchlag des Magiſtrats richtig iſt, und daß wir ihm beitreten ſollten. Wir bedauern das außerordentlich; aber es iſt unmöglich, daß wir in einer Zeit, wo das erwerbstätige Bürgertum unter den ſchlechten wirt⸗ ſchaftlichen Verhältniſſen leidet, wo der Wehrbeitrag in Ausſicht ſteht, wo wir vielleicht zu einer Erhöhung der Einkommenſteuer kommen, etwa gezwungen ſein ſollten, wegen einer allgemeinen Reviſion des Nor⸗ maletats reſpektive wegen Erhöhung der Arbeitslöhne und der Gehälter das erwerbstätige Bürgertum, überhaupt die Bürgerſchaft Charlottenburgs zu wei⸗ teren Steuerlaſten heranzuziehen. Wir müſſen der Einſicht der Beamten und Arbeiter vertrauen, daß ſie die gegenwärtigen finanziell ſchwierigen Verhältniſſe anerkennen. Meine Herren, der Antrag Ahrens und Genoſſen, der unter Nr. 11 auf der heutigen Tagesordnung ſteht, will nun, daß die Gehälter und Löhne der An⸗ geſtellten und Arbeiter der unterſten Klaſſen auf⸗ gebeſſert werden. Wir haben die Abſicht, dieſen An⸗ trag Ahrens auch dem Etatsausſchuß zur weiteren Beratung zu überweiſen. Aber ich muß jetzt ſchon darauf hinweiſen — und ich befinde mich da in Uebereinſtimmung mit den Ausführungen des Herrn Kämmerers —, daß es außerordentliche Bedenken hat, einzelne Teile dieſer mühſelig zuſammengefügten Konſtruktion des Normaletats herauszunehmen und zu verändern, ohne daß Ungerechtigkeiten anderen Ka⸗ tegorien gegenüber entſtehen. Meine Herren, nun noch zum Schluß ein Wort über unſere Finanzlage als Antwort auf die Aus⸗ führungen des Herrn Kämmerers, der betonte, daß der Magiſtrat ſchon zum dritten Male mit dem An⸗ trag auf Erhöhung der Einkommenſteuer gekommen ſei. Es iſt richtig, daß unſere Schulden in den letzten Jahren außerordentlich geſtiegen ſind, und es iſt recht ſchmerzlich, wenn unſer Etat ſo außerordent⸗ lich durch Zinszahlungen und Schuldentilgung belaſtet wird. Aber wir haben dieſe Anleihen machen müſſen, um die Entwicklung Charlottenburgs nicht zu hindern. Die große Zunahme der Bevölkerung gerade in den Jahren 1905, 1906 und 1907 war Anlaß, daß die 1908er Anleihe aufgenommen werden mußte. Auch