48 die 1912er Anleihe wurde aufgenommen, weil unſere Werke erweitert, höhere Schulen erbaut und zahlreiche Einrichtungen getroffen werden mußten, um die Ent⸗ wicklung der Stadt weiter zu fördern. Ich erinnere auch an die Lage unſerer Stadt, die uns ganz be⸗ ſondere Anleiheausgaben verurſacht. Wir eingeſchloſſen von Eiſenbahnen und an der Spree, wodurch Unterführungen, Uferſtraßen und eine Reihe von Brücken erforderlich ſind. Wenn Sie die 1908er und die 1912er Anleihe zerlegen, ſo finden Sie, daß von den Beträgen ein großer Teil auf unſere Werke, der größte Teil aber auf Herſtellung von Brücken, Gebäuden uſw. und auf alle ſolche Einrichtungen ent⸗ fällt, die für die Entwicklung der Stadt nomwendig waren. 2 ,, Meine Herren, ſo rechne ich auch das Bismarck⸗ ſtraßen⸗Unternehmen in gewiſſem Sinne dazu. Es iſt ſchmerzlich, daß es nach der Schätzung des Ma⸗ giſtrats eine Unterbilanz von 5 Millionen bringen wird, und wir ſtimmen dem Magiſtrat auch darin zu, daß in der vorgeſchlagenen Weiſe durch Einſetzung von 100 000 ℳ zunächſt einmal in dieſem Etat all⸗ mählich für Tilgung der Unterbilanz geſorgt werden muß. Das Bismarckſtraßen⸗Unternehmen iſt nicht eine Einrichtung für ſich; ohne dasſelbe wäre die Aufſchließung von Neu⸗Weſtend unmöglich geweſen, und der Kaiſerdamm, die ganze Entwicklung der Stadt nach Weſten wäre undenkbar. Wir dürfen alſo nicht einſeitig einzelne Dinge herausgreifen und daran Folgerungen knüpfen, ſon⸗ dern wir müſſen das Geſamtbild und die geſamte Entwicklung der Stadt im Auge haben. Wir ſind aber ferner der Anſicht, daß auch ein langſameres Tempo eingeſchlagen werden muß, und ich glaube, wir befinden uns da durchaus in Uebereinſtimmung mit dem Magiſtrat. Die Etats für 1912, 1913 und beſonders auch der uns jetzt vorliegende Etat be⸗ 4 daß ein langſameres Tempo eingeſchlagen wird, 7 (Sehr richtigl) und es iſt auch kein Unglück, wenn die Ausgaben mit gewiſſer Beſchränkung eingeſetzt und wenn ferner gewiſſe Ausgaben zurückgeſtellt werden. Wir meinen, daß die Tendenz zur Sparſamkeit, die im vorigen und auch in dem vorliegenden Etat zum Ausdruck kommt, noch eine Reihe von Jahren wirken muß. (Stadtv. Dr. Liepmann: Hört, hört!) Aber wir bedauern nicht etwa diejenigen Ausgaben, die wir bisher geleiſtet haben; das möchte ich mir doch erlauben, dem Herrn Kollegen Liepmann, der „Hört, hört“ ruft, zu bemerken. Wir ſind im Gegen⸗ teil der Ueberzeugung, daß alle dieſe Ausgaben, die wir gemacht, alle Schulden, die wir aufgenommen haben, nötig waren und daß wir eine ſchwere Sünde auf uns geladen hätten, wenn wir nicht für die Ent⸗ wicklung Charlottenburgs in dem bisher geſchehenen Maße geſorgt hätten. (Sehr richtig! und Bravol) Meine Herren, ganz einverſtanden ſind wir nun allerdings nicht mit dem Magiſtrat in bezug auf ſeine Anſicht über die Finanzpolitik der letzten Jahre. Der Herr Kämmerer hat gemeint, dreimal ſei er mit dem liegen Sitzung vom 4. Februar 1914 Antrag auf Erhöhung der Gemeindeeinkommenſteuer um 10 % gekommen, und er ſagt, es wäre das einzi Richtige geweſen, ſchon vor drei Jahren einen ſolche Beſchluß zu faſſen. Dieſe Anſicht können wir⸗ nichr teilen; wir meinen vielmehr, daß unſere Anſicht über die Finanzpolitik in bezug auf die Steuergebarung der letzten Jahre die einzig richtige war. Denn wenn wir dem Magiſtrat gefolgt wären und für 1911, 1912 und 1913 die Einkommenſteuer um 10 % herauf⸗ geſetzt, alſo der Bürgerſchaft damit pro Jahr etwa 1 Million mehr aus dem Portemonnaie gezogen hätten, was wäre dann mit dieſer Million geſchehen! Sie wäre aufgegeſſen worden. (Sehr richtig!) Zur Schuldentilgung oder zur Anſammlung von Fonds wäre ſte unſerer Ueberzeugung nach nicht ver⸗ wendet worden, ſondern ſie hätte dazu gedient, die laufenden oder die einmaligen Ausgaben zu er⸗ höhen, und gerade das, was auch der Herr Kämmerer für das Richtige hält, verhindert, daß nämlich ein langſameres Tempo in der Entwicklung eingeſchlagen wird. Wir glauben daher, daß es richtig war, wenn wir in dieſer Beziehung dem Magiſtrat gegenüber eine ablehnende Stellung eingenommen haben. Meine Herren, der ſtädtiſche Etat iſt das Spiegel⸗ bild des wirtſchaftlichen Lebens. Heute ſind die Zeiten ſchlecht. Der flüſſige Geldſtand, der Vorrat von vielem Kapital iſt die Folge jeder Depreſſton. Gleichzeitig aber auch iſt der niedrige Zinsfuß nach allen Erfahrungen der Ausgangspunkt einer neuen wirtſchaftlichen Entwicklung. 7 (Sehr richtigl) Denn das Kapital, das flüſſig iſt, ſucht nach Anlage, und darum können auch wir — es iſt bisher im Laufe der wirtſchaftlichen Entwicklung immer ſo ge⸗ weſen, und es wird auch wieder ſo kommen — deſſen ſicher ſein: ſo wie für Handel, Gewerbe und Induſtrie wieder beſſere Zeiten eintreten werden, ſo werden auch unſere Etatsverhältniſſe in Charlotten⸗ burg damit beſſer werden. (Sehr richtig! und Bravol) Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, ich muß ungefähr mit dem anfangen, womit der Herr Kollege Wöllmer geſchloſſen hat. Es gibt akute Krank⸗ heiten, die zu einer Kriſe führen; es gibt langſam ſchwärende Krankheiten, die ebenfalls zu einer Kriſe führen oder dazu, daß man ſich einer Kriſe nähert. Man kann nun nicht behaupten, daß die Finanzver⸗ hältniſſe der Stadt Charlottenburg durch eine akute Krankheit in die Lage gekommen ſind, in der ſie ſich augenblicklich befinden, ſondern durch die ganze Fi⸗ nanzgebarung der letzten Jahre — einer längeren Zeit — iſt es zu der Situation gekommen, in der wir uns jetzt befinden. (Sehr richtig!) Der Herr Kämmerer hat angedeutet — es lag wenig⸗ ſtens in ſeinen Worten —, daß, wenn wir nach den früheren Anträgen des Magiſtrats ſchon vor zwei Jahren die 100% überſchritten hätten, um etwa eine Million im Etat mehr herauszubringen, die Lage dann heute eine andere ſein würde. Ich bin vollkom⸗