Sitzung vom 4. Februar 1914 men anderer Anſicht und ſtimme da dem Herrn Kolle⸗ gen Wöllmer durchaus zu, der darauf hingewieſen hat, daß dieſe ungefähr 2 Millionen, die wir dann in den beiden letzten Jahren eingenommen haben würden, unter keinen Umſtänden dazu gedient hätten, die Finanzverhältniſſe der Stadt Charlottenburg zu beſſern. Nein, ich behaupte das Gegenteil: wenn wir dieſe 2 Millionen gehabt hätten, ſo würde der Magi⸗ ſtrat vielleicht heute noch nicht zu der Anſicht gekom⸗ men ſein, zu der er jetzt gekommen iſt, daß hier eine außerordentlich ſparſame Verwaltung notwendig iſt. (Sehr richtig!) Die Stadtverordnetenverſammlung iſt in der Lage, in gewiſſer Weiſe durch Worte, viel weniger durch Taten auf die Verwaltung einzuwirken. Wenn der Herr Kämmerer von Anregungen geſprochen hat, nun, das ſind vielfache Anregungen geweſen, bei denen es ſich um ganz kleine finanzielle Beträge gehandelt hat, und ich will auch den Herren, die früher Anregungen wegen größerer neuer Organiſationen gegeben haben, in keiner Weiſe einen Vorwurf machen. Meine Herren, die Gründe, die zu der jetzigen Lage geführt haben, liegen ja in verſchiedenen Ver⸗ hältniſſen; ſie liegen mit in allererſter Linie in dem teilweiſen ungeſunden Wettbewerb von Berlin und den Vororten. Sicher hat ein Wettbewerb ſein Gutes. Es iſt fraglos, daß unſer Schulweſen durch den Wettbewerb der verſchiedenen Städte untereinander auf eine große und ſchöne Höhe gekommen iſt, und daß dieſe Höhe vielleicht nicht erreicht worden wäre, wenn eben dieſer Wettbewerb der Städte nicht vorhanden wäre. Aber ein ſolcher Wettbewerb hat auch eine Kehrſeite; die Kehrſeite der Medailſe iſt die, daß dieſer Wettbewerb dahin führt, daß einer immer den anderen zu übertrumpfen ſucht. Wir ſehen das z. B. bei den Gehältern. Der Herr Kämmerer hat uns ja davon geſprochen, daß Charlottenburg in bezug auf die Höhe der Beamten⸗ gehälter gegenüber Staat und Reich und auch gegen⸗ über den Kommunen voranſteht, höchſtens ungefähr mit einigen Städten gleich iſt, andere übertrifft. Meine Herren, ich gönne den Beamten ſehr wohl die Erhöhung ihrer Gehälter, die im Laufe der Jahre ſtattgefunden hat: ſie war auch zu den Zeiten der Teuerung unumgänglich notwendig. Aber auch hier heißt es, eine gewiſſe Grenze nicht überſchreiten; das können die Finanzen einer Stadt nicht vertragen. Ich habe mit Schrecken geſehen, in welch koloſſaler Weiſ⸗ die Gehälter der Stadt Charlottenburg, die ſie an Beamte und Arbeiter, überhaupt an Bedienſtete zu zahlen hat, zugenommen haben, und ich wäre mit meinen Freunden dem Magiſtrat ſehr dankbar, wenn er uns vielleicht im Ausſchuß, noch während der Aus⸗ ſchußberatung, einmal eine kleine Zuſammenſtellung vorlegen könnte, die der einzelne ſchwer machen kann: welchen Betrag die Gehälter der Stadt Charlotten⸗ burg in den letzten zwei Jahren alſo im vorigen und in dieſem Jahre — ausmachen, damit man erſehen kann, wie groß die Summe von Gehältern iſt, die tat⸗ ſächlich gezahlt wird, vielleicht getrennt nach den Be⸗ trieben, die als werbende Betriebe anzuſehen ſind, und denen, die nicht als ſolche betrachtet werden können. Das iſt aber natürlich auch der einzige Punkt, wo es ſich um unumgänglich notwendige Steigerun⸗ gen handelt, denen wir uun einmal gegenüberſtehen. Etwas anderes iſt die ſparſame Verwaltung, 49 und ſo ſehr man die heutige Finanzlage vielleicht bedauern kann, ſo kann man ſich wiederum darüber freuen, daß dadurch auch beim Magiſtrat vollkommen die Einſicht vorhanden iſt: es muß ſparſamer gewirt⸗ ſchaftet werden. Das haben wir bei den Etatsvorver⸗ handlungen geſehen; in den Deputationen hat der Rotſtift tüchtig gewaltet. Das habe ich ſelbſt mit⸗ erlebt, und ich kann dem Magiſtrat ohne weiteres zu⸗ geſtehen, daß ſeine Herren Vertreter abſolut nicht engherziger geweſen ſind als die Stadtverordneten: ich habe auch geſehen, daß ſpäter, nach den Deputa⸗ tionsſitzungen, der Magiſtrat den Rotſtift noch lange nicht beiſeite gelegt hat. (Zuruf des Kämmerers: Das war ein blauer!) — Schön, der blaue ſtreicht ja eben ſo gut. Meine Herren, wenn hier noch einzelne Poſten vorhanden ſein ſollten, bei denen man über ihre Not⸗ wendigkeit zweifelhaft iſt, ſo muß ich ſagen: ich würde auf eine eingehende Beſprechung dieſer Poſten keinen großen Wert legen. Vielleicht iſt der eine oder der andere Poſten ſtehen geblieben, weil der betreffende Dezernent ein zu trauriges Geſicht gemacht hat und weil man ihm ſchließlich auch eine kleine Freude gönnen wollte. Das find aber unwichtige Punkte. Herr Kollege Liepmann hat ja oft in ziemlich ſcharfer und deutlicher Weiſe auf die Gefahren hinge⸗ wieſen, die das ſtarke Schuldenmachen für die Stadt Charlottenburg mit ſich bringen müßte. Ich verſage es mir, auf die Vergangenheit weiter einzugehen, wie weit es möglich geweſen wäre, einzelne Punkte in den Anleihen geringer zu bemeſſen. Immerhin will ich doch daran erinnern, daß die Verwaltu vielleicht — das iſt wohl die Anſchauung 0 der Mehrheit der Bürgerſchaft billiger bauen könnte, daß in mancher Hinſicht der Lurus doch wohl die Grenze überſchritten hat, die in beſtimmten Fällen durch das ſolide Bauen bedingt iſt. Aber auf weitere Einzelheiten will ich da nicht eingehen. Eine naturgemäße Folge der Entwicklung iſt ferner ja auch die Steigerung der Armen⸗ la ſt e n. In dieſer Beziehung hat Herr Kollege Wöllmer ſchon vieles geſagt, was ich unterſchrerben kann. Inwieweit es möglich iſt, da andere Wege ein⸗ zuſchlagen, das werden wir der künftigen Entwicklung überlaſſen müſſen, der künftigen Entwicklung, an deren Spitze ja nun ein neuer Dezernent ſteht, der vielleicht nach manchen Richtungen hin andere, mög⸗ licherweiſe auch neue Anſchauungen hat, die er hier in die Tat umzuſetzen vermögen wird, um die Stadt Charlottenburg in bezug auf ihren Armenetat mehr als bisher zu entlaſten. Ich möchte hier aber noch auf einen allgemeinen Geſichtspunkt hinweiſen. Wir haben ſeit dem 1. Januar d. I. eine weſentliche Er⸗ weiterung der Verſicherungsgeſetzgebung in Kraft treten ſehen, und vielfach iſt ja die Annahme ge⸗ äußert worden, daß die Verſicherungsgeſetz⸗ gebung eine Erleichterung der Armen⸗ und Krankenlaſten herbeiführen m ü ſſe. Ich habe mir daraufhin den Etat ange⸗ ſehen, aber beim Armenetat habe ich nichts davon bemerkt. (Sehr richtig!) 2 Das mag ja daran liegen, daß es augenblicklich in⸗ folge der ſtarken Arbeitsloſigkeit unmöglich iſt, mit