Sitzung vom 4. Februar 1914 Alber man kann einen Etat auch unter dem Ge⸗ ſichtspunkt anſehen, ob denn nun wirklich das alles darin iſt, was auch an Ausgaben darin ſein ſoll. Die Herren Vorredner haben ſich weſentlich darauf be⸗ ſchränkt, neue Einnahmen zu ſuchen und zu mahnen, daß man an den Ausgaben noch mehr ſparen ſoll. Ja, wenn es gelingt, wie der Kollege Stadthagen ſich aus⸗ drückte, den Etat auch in dieſem Jahre mit 100% zu balancieren, ſo werden die herzliche Freude, die ſeine Freunde darüber haben würden, meine Freunde ganz gewiß teilen. Denn direkte Steuern in vermehrtem Maße zu bezahlen, das tut niemand wohl und danach drängt ſich niemand. Alſo meine Freunde werden ſich gewiß freuen, wenn es gelingt, mit 100% auszukom⸗ men; ich kann allerdings hinzufügen, daß ich vermute, ſie werden ſich ſchon herzlich freuen, wenn es gelingt, mit 110% auszukommen. (Ahal lints.) Denn in erſter Linie ſteht meinen Freunden denn doch die Notwendigkeit der Ausgaben, und da, muß ich ſagen, ſcheint mir unſer Etat in mancher Richtung ſehr bedenklich aufgeſtellt zu ſein. So z. B. ſoll der Dis⸗ poſitionsfonds nur mit 300 000 ℳ dotiert werden. Der Herr Kämmerer drückte ſich allerdings euphe⸗ miſtiſch aus, indem er ſagte, er ſolle „um eine Kleinig⸗ keit geringer“ dotiert werden als in früheren Jahren. Nun dieſe Kleinigkeit beträgt faſt 50%. Mir ſcheint es, daß, wenn man ſich ſo ausdrücken will, es recht vorſichtig iſt, einen Dispoſitionsfonds nur von 300 000 ℳ aufzunehmen. Aber man kann mit dem⸗ ſelben Rechte ſagen, daß das recht unvorſichtig iſt; denn es iſt 10 gegen 1 zu wetten, daß man dann im nächſten Jahre mit Etatsüberſchreitungen zu rechnen haben wird. Sodann ſollen aus dem Ausgleichsfonds 460 000 ℳ zum Etatsausgleich genommen werden. Ja, dazu iſt der Ausgleichsfonds ſeinerzeit nicht ge⸗ ſchaffen worden. (Zuruf: Dochl) Er iſt damals eingerichtet worden, als wir Ueber⸗ ſchüſſe von über 1 Million hatten; man wollte die Ueberſchüſſe nicht vollſtändig in den Etat einſtellen, ſondern das, was über 1 Million vorhanden war, ſollte in den Ausgleichsfonds für ſolche Jahre gehen, in denen der Ueberſchuß 1 Million nicht erreicht. In dieſer Lage ſind wir gegenwärtig. Der Ueberſchuß iſt mit etwa 840 000 ℳ einzuſtellen, und daraus würde nach der Beſtimmung, die der Ausgleichsfonds bei ſeiner Schaffung hatte, folgen, daß wir ihm 160 000 ℳ für dieſen Ausgleich entnehmen. Daß er zum allge⸗ meinen Etatsausgleich erſchöpft werden ſoll, daran hat bei Schaffung dieſes Fonds niemand gedacht, und das würde auch um ſo bedenklicher ſein, als der Herr Kämmerer uns in Ausſicht geſtellt hat, daß im laufen⸗ den Jahre ein Ueberſchuß nicht erzielt werden wird, ſo daß uns bei der nächſtjährigen Etatsaufſtellung eine volle Million fehlen wird, die dann aus dem Aus⸗ gleichsfonds zu entnehmen wäre. Und ich möchte Sie daran erinnern, daß die Prophezeiungen des Herrn Kämmerers in bezug auf die zu erwartenden Ueber⸗ ſchüſſe ſich bisher noch immer erfüllt haben. Ich möchte gerade auch den Herrn Kollegen Stadthagen daran er⸗ innern, mit welcher leichten Freudigkeit er aus den zu erwartenden Ueberſchüſſen Ausgaben für Straßen⸗ pflaſterung, Straßenregulierung decken wollte, ent⸗ gegen den Ausführungen des Herrn Kämmerers, 53 daß Ueberſchüſſe nicht vorhanden ſein werden. Die Folge iſt, daß die Straßenregulierung am Spandauer Berg heute noch nicht ausgeführt worden iſt und daß ſich im gegenwärtigen Etar Mittel dafür nicht vorfinden. Ja, meine Herren, wollen Sie über das Fehlen derartiger Ausgaben ſo vollkommen leichtherzig hinweggehen? Wollen Sie heute erklären, die Ausgaben, die Sie vor zwei Jahren und vor einem Jahre als dringend not⸗ wendig und als brennend bezeichnet haben, die ſind heute ſo wenig notwendig, daß man im Etatsausſchuß darüber gar nicht zu ſprechen braucht, daß man im Etatsausſchuß gar nicht ſuchen ſoll, Mittel zu finden, um ſolche notwendigen Ausgaben, die die Stadtge⸗ meinde zu leiſten hat, in irgendeiner Weiſe herbeizu⸗ ſchaffen? Noch ein anderer Mangel iſt von dem Herrn Kämmerer ſchon berührt, von den Herren Vorrednern ſonſt zu meinem Bedauern beiſeite gelaſſen worden: nämlich der Umſtand, daß für den Bau von Gemeinde⸗ ſchulen nur 350 000 eingeſetzt worden ſind. (Zuruf: Stagnierende Bevölkerung!) Die Ausführungen, die der Herr Kämmerer weiter daran knüpfte, müßten doch eigentlich zu dem Schluſſe führen, daß dieſe Einſetzung von Mitteln für den Bau von Gemeindeſchulen unbedingt zu gering und zu dürftig iſt. (Widerſpruch.) Der Herr Kämmerer führte aus, daß wir 12 fliegende Klaſſen, ferner 79 Klaſſen in Mietshäuſern haben. Ja, meine Herren, Sie wollen doch wohl alle ſobald als möglich mit ſolchen fliegenden Klaſſen und Klaſſen in Mietshäuſern aufräumen, und Sie müſſen ſich auch gegenwärtig halten, daß das Wirtſchaften mit Miets⸗ klaſſen außerordentlich teuer iſt, daß letzten Endes die Gemeinde dabei auch finanziell ſchlecht fapr, wenn ca. 80 Klaſſen in Mietshäuſern untergebracht ſind und lange Zeit untergebracht bleiben, ſchlechter, als wenn ſie in eigenen Schulhäuſern untergebracht ſind. (Sehr richtig!) Auch über eine Reihe anderer Abſtriche, die der Herr Kämmerer anführte, hat ſich der Herr Kollege Wöllmer zu meinem Bedauern nur ſehr wenig, der Herr Kollege Stadthagen gar nicht geäußert. Dahin gehört der Umſtand, daß der Magiſtrat ſich veranlaßt geſehen hat, von den auf Antrag der Schuldeputation ſeinerzeit vom Magiſtrat genehmigten, nunmehr auch von der Stadtverordnetenverſammlung beſchloſſenen Lehrer⸗ und Lehrerinnenſtellen eine nicht unerhebliche Anzahl zu ſtreichen. (Stadtv. Ot to: Sehr richtigl) Der Herr Kämmerer hat das mit der Bemerkung be⸗ gründet, es müſſe dann vorübergehend die Frequenz in den Grundklaſſen erhöht werden. (Sehr richtig!) Ja, wir haben eine Schuldeputation, wir haben eine Deputation zwecks Beratung von Mitteln zur Hebung der Gemeindeſchulen. In dieſer Deputation wurde als eine der Grundforderungen, die in den ganzen Rah⸗ men der Maßnahmen zur Lenung der Gemeindeſchulen