Sitzung vom 26. Februar 1914 den kann, als, wie der Herr Referent ſchon zutreffend hervorhob, es zweifellos die mildeſte Form der Luſt⸗ barkeitsbeſteuerung innerhalb Groß⸗Berlins ſein wird, und ich nehme an, daß ſich das Publikum — denn das Publikum iſt der Träger dieſer Steuer — mit ihr auf die Dauer auch einverſtanden erklären kann. Ich habe Ihnen aber einen Wunſch des Magi⸗ ſtrats zur Kenntnis zu bringen. Im Magiſtrat wurde es mit Bedauern vermerkt, daß der Etatsausſchuß den Betrieb von Phonographen, Grammophonen und Or⸗ cheſtrions keinerlei Beſteuerung unterwerfen will. Das wird einmal deshalb bedauert, weil gerade durch der⸗ artige Muſikwerke unter Umſtänden ein die Ruhe der Einwohnerſchaft nicht unerheblich ſtörender Lärm ver⸗ urſacht wird und weil zweitens die Freilaſſung der Muſikwerke von jeder Beſteuerung bis zu einem ge⸗ wiſſen Grade eine ungerechtfertigte Bevorzugung dieſer Muſikwerke vor anderen muſikaliſchen Veranſtaltungen bedeuten und damit gleichzeitig — und das iſt, glaube ich, ein nicht unerheblicher Punkt — eine Schädigung des Muſikergewerbes mit ſich bringen würde. Außer⸗ dem konnte ſich der Magiſtrat dem Bedenken nicht ver⸗ ſchließen, daß unter Umſtänden durch die Freilaſſung dieſer Muſikwerke die Befürchtung Nahrung bekommen könnte, daß diejenigen Cafés bzw. Unternehmungen, die bisher muſikaliſche Vorträge bis über 11 Uhr abends hinaus veranſtaltet haben, nunmehr daꝛu übergehen könnten, dieſe muſikaliſchen Vorträge durch die Vor⸗ träge von Grammophonen uſw. zu erſetzen. Ich mußte Ihnen dieſen Wunſch des Magiſtrats vortragen und gebe anheim, ihn in Ihren Beratungen zu verwerten. Ich möchte aber nicht verfehlen, darauf aufmerkſam zu machen, daß der Magiſtrat auf das Zu⸗ ſtandekommen der Steuerordnung ſo großen Wert legt, daß er unter Umſtänden dieſe ſeine Bedenken dem großen Zweck gegenüber, dieſe Steuerordnung baldmög⸗ lichſt genehmigt zu erhalten, zurückſtellen will. Stadtv. Hirſch: Meine Herren! Durch die Aus⸗ führungen des Herrn Referenten könnte der Eindruck erweckt werden, als ob diejenigen Schichten der Ge⸗ werbetreibenden, die in der Hauptſache von der Luſt⸗ barkeitsſteuer betroffen werden ſollen, nämlich die Be⸗ ſitzer von Kinematographentheatern und von Lokalen, den ſtädtiſchen Körperſchaften eigentlich dankbar dafür ſein könnten, daß ſie eine ſolche Steuer einführen. Denn der Herr Referent ſprach davon, daß hier in Charlottenburg infolge des Umſtandes, daß die Nach⸗ barorte die Luſtbarkeitsſteuer haben und wir nicht, eine große Reihe von Betrieben hergezogen wird, daß eine Ueberflutung ſtattfindet und daß die hier anſäſſigen Betriebe unter der Konkurrenz leiden. Vor dieſer Ge⸗ fahr, von der Konkurrenz erdrückt zu werden, wollen die ſtädtiſchen Körperſchaften die Saalbeſitzer und die Beſitzer von Kinematographentheatern bewahren und ſie wählen dazu ein probates Mittel: nach Art des Dr Eiſenbart gehen ſie ſelbſt darauf aus, die in Frage kommenden Gewerbetreibenden zu ruinieren; dann mena ſie nicht erſt von der Konkurrenz erdrückt zu erden. (Widerſpruch.) Meine Herren, der Herr Oberbürgermeiſter meinte, daß die Notſchreie aus dem Publikum beim Magiſtrat nicht ungehört verhallt ſeien und daß der Magiſtrat ſich bereit erklärt habe, ſich mit dieſer mildeſten Form ſammlu der Luſtbarkeitsſteuer abzufinden. Allerdings bat er in demſelben Augenblick, ſchon dieſe milde Form doch 65 noch etwas zu verſchärfen, und wir werden ja abzu⸗ warten haben, ob ſich die Mehrheit der Verſammlung nicht bereit findet, dem Wunſch des Herrn Ober⸗ bürgermeiſters Folge zu leiſten. Welche Entrüſtung der Entwurf des Magiſtrats in den weiteſten Kreiſen der Charlottenburger Bürger⸗ ſchaft hervorgerufen hat, das zeigen nicht nur die Pro⸗ teſtverſammlungen, die von Intereſſentenkreiſen ein⸗ berufen worden ſind und die ſich teilweiſe auf das ſchärfſte gegen die Maßnahmen der ſtädtiſchen Körper⸗ ſchaften ausgeſprochen haben, ſondern das beweiſen auch die Proteſtliſten gegen die Luſtbarkeitsſteuer, die hier, von ungefähr 11 000 Einwohnern Charlottenburgs unterſchrieben, (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten) auf dem Tiſch des Hauſes liegen, alſo von weit mehr Einwohnern, als die Herren, die jetzt im Begriff ſind, die Luſtbarkeitsſteuer zu verabſchieden, an Wählern zählen. Wenn der Herr Referent von dem Siegeszug der Luſtbarkeitsſteuer ſprach, ſo hat er ja damit zweifellos recht. Aber das iſt für uns noch kein Grund, denſelben Weg zu beſchreiten. Wir haben keine Veranlaſſung, all das Schlechte, was ſich in preußiſchen Gemeinden findet, nachzuahmen, ſondern wir ſollten ſehen, wo wir etwas Gutes finden und ſollten das Gute nachahmen. Das tun wir leider nicht. Nun gebe ich ohne weiteres zu, daß die Vorlage im Etatsausſchuß in einer Reihe von Punkten Milde⸗ rungen erfahren hat; aber trotz dieſer Milderungen iſt der Entwurf nach wie vor für meine Freunde unannehmbar. Wir ſind, wie das von unſerer Seite bereits bei der erſten Leſung ausge⸗ führt wurde, prinzipielle Gegner von Son⸗ derſteuern, und wir halten es für unſittlich, das Geld zu nehmen, woher es kommt, ohne zu fragen, ob denn die betreffenden Schichten überhaupt imſtande ſind, die Steuer zu zahlen, und ohne zu fragen, ob es dem Grundſatz der Gerechtigkeit entſpricht, einzelne Schichten der Bevölkerung mit einer Sonderſteuer zu belaſten. Nun haben ja die Liberalen bei der erſten Leſung prinzipielle Bedenken geltend gemacht, und ich hätte erwartet, daß ſie ſich auch jetzt prinzipiell gegen die Steuer erklären würden. Herr Stadtv. Wöllmer hat ausdrücklich in der erſten Leſung prinzipielle Beden⸗ ken geäußert. Allerdings hat ſein Fraktionsfreund Bergmann ſchon hinzugefügt: wir treiben keine Prin⸗ zipienreiterei, mit anderen Worten: für uns Liberale handelt es ſich hier allerdings um ein Prinzip, aber wir ſind gern bereit, das Prinzip preiszugeben, wenn wir dafür 175 000 ℳ bekommen. Bedauerlich iſt es, daß der Magiſtrat die Schichten von Gewerbetreibenden, die am ſchwerſten unter der Steuer zu leiden haben, vorher überhaupt nicht gehört hat. Ja, ich muß geſtehen, daß es mir in meiner langjährigen Tätigkeit hier in dieſer Verſamm⸗ lung noch nicht ein einziges Mal vorgekommen iſt, daß eine Vorlage mit ſolcher Eile verabſchiedet worden iſt, wie die Luſtbarkeitsſteuer. (Stadtv. 3ander: Wertzuwachsſteuer!) — Nein, da waren Sie ja noch gar nicht in der Ver⸗ ng. (Heiterkeit.)