66 Bei der Wertzuwachsſteuer, Herr Zander, hat es über 10 Jahre gedauert, bis wir endlich einen beſcheidenen Anfang gemacht haben. Bei guten Vorlagen wie der Wertzuwachsſteuer z. B. hatte man ſich lange, lange Zeit gelaſſen, ich ſagte ja ſchon: 10 Jahre; aber hier, wo es ſich um eine unſoziale Vorlage handelt, da genü⸗ gen 3 bis 4 Wochen, um ſie zu verabſchieden. Der Magiſtrat hat mit einer Heimlichteit gearbeitet, die bei mir den Verdacht erweckt, als ob er das Licht der Oef⸗ fentlichkeit ſcheut. Selbſt die Mitglieder der Stadt⸗ verordnetenverſammlung haben von den Plänen des Magiſtrats keine Ahnung gehabt. Erſt wenige Tage, bevor uns die gedruckte Vorlage überreicht wurde, wur⸗ den wir durch eine Zeitungsnotiz darauf aufmerkſam gemacht, mit welchen dunklen Plänen der Magiſtrat ſich trägt, heute vor 3 Wochen haben wir die Vorlage in erſter Leſung beraten und bereits jetzt nach 3 Wochen ſoll ſie endgiltig verabſchiedet werden. Alſo in einem Zeitraum von 3 bis 4 Wochen verabſchiedet man eine Steuerordnung, die ſo ungeheuer ſchwer in die Inter⸗ eſſen einzelner Schichten der Bevölkerung eingreift. Meine Herren, ich ſagte, wir bedauern es, daß man die Intereſſenten vorher überhaupt nicht gehört hat, und es iſt ja auch ein offnes Geheimnis, daß man auch jetzt noch ſehr große Eile hat und daß es der Magiſtrat am liebſten ſieht, wenn die Vorlage ſchon vor dem 1. April, alſo noch in dieſem Etatsjahr, in Kraft tritt. Nun ſagt § 15, daß dieſe Ordnung mit dem dritten Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft tritt. Alſo wenn die Vorlage heute von uns beſchloſſen und morgen vielleicht ſchon von den Aufſichtsbehörden genehmigt wird, dann beſteht die Möglichkeit, daß ſchon am näch⸗ ſten Montag die Luſtbarkeitsſteuer für Charlottenbung Geſetz wird. Meine Herren, Sie müſſen doch wenig⸗ ſtens ſo nachſichtig ſein, den Intereſſenten Gelegenheit zu geben, ſich auf die neue Steuer einzurichten, und deswegen möchte ich das dringende Erſuchen an Sie richten, das Inkrafttreten der Steuerordnung etwas hinauszuſchieben. Ich werde mir daher erlauben, nach⸗ her zu § 15 einen Abänderungsantrag zu ſtellen, wo⸗ nach die Steuerordnung allerdings mit dem dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft tritt, aber früheſtens am 1. Januar 1915. (Heiterkeit.) Ja, meine Herren, ich ſehe nicht ein, warum Sie nicht wenigſtens noch 9 Monate warten können, um eine ſo ungerechte Steuer zu ſchaffen. (Zurufe.) — Jawohl, dann iſt das Kind ausgetragen, womit aber nicht geſagt iſt, daß es beſſer iſt; es wird dann genau ſo ſchlecht und genau ſo jammervoll ſein, wie es jetzt iſt. Meine Herren, der Herr Kämmerer hat bei der erſten Leſung ausgeführt, daß die Intereſſentenkreiſe von ganz falſchen Vorausſetzungen ausgehen. Er meinte, die Steuer ſolle nicht den einzelnen Gewerbeſtand, ſon⸗ Dern die Luſtbarkeit treffen. Das iſt ſehr ſchön geſagt, aber die Luſtbarkeit zahlt doch die Steuer nicht, ſondern ſie wird von den einzelnen Gewerbetreibenden entrich⸗ tet und inſofern trifft die Steuer tatſächlich die einzel⸗ nen Gewerbetreibenden. Und wenn der Herr Referent ausgeführt hat, daß es nicht Aufgabe einer gerechten Steuerpolitik ſei, beſtehende Betriebe einzuſchränken, dann verſtehe ich nicht, wie er mit dieſer ſeiner grund⸗ ſätzlichen Auffaſſung ſeine Zuſtimmung zu der Vorlage in Einklang bringen kann. Sitzung vom 26. Februar 1914 Es wird als ſelbſtverſtändlich hingeſtellt, daß man die Steuer abwälzen könne, und man beruft ſich da auf die Beiſpiele anderer Städte. Nun, meine Herren, es gibt aus anderen Städten Beiſpiele genug, an denen Sie die verherende Wirkung einer Luſtbarkeitsſteuer ermeſſen können. Ich erinnere Sie nur an die Vor⸗ gänge im Zirkus Buſch. Sie werden mir zugeben, daß die Luſtbarkeitsſteuer, die in Berlin beſchloſſen iſt, nicht gerade dazu beigetragen hat, das Unternehmen zu fördern, ſondern im Gegenteil, daß ſie geeignet iſt, dieſem und ähnlichen Unternehmungen den Garaus zu machen. Die Vorgänge in anderen Gemeinden ſollten für uns lehrreich ſein. Wir ſollten nicht das ſchlechte Beiſpiel, das eine große Reihe anderer preußiſcher Ge⸗ meinden gibt, uns nachzuahmen bemühen. Wer wird, meine Herren, in der Hauptſache von der Steuer betroffen? Der Herr Referent wies zu⸗ nächſt auf die Rummelplätze hin. Er meinte, daß ſie eine Plage für die Nachbarſchaft ſeien. Ich gebe das ohne weiteres zu. Aber ſeit wann entſpricht es denn unſeren Grundſätzen und ſeit wann entſpricht es den Grundſätzen einer gerechten Steuervolitik, eine Plage dadurch zu beſeitigen, daß man mit möglichſt hohen Stuern vorgeht? Wenn Sie wirklich die Rummelplätze beſeitigen wollen, ſoweit ſie ruheſtören⸗ den Lärm verurſachen, dann iſt nicht die Steuer das geeignete Mittel dazu, ſondern dann ergreifen Sie, bitte, andere Maßnahmen, Maßnahmen, die auf poli⸗ zeilichem Gebiet liegen. In zweiter Linie werden die Beſitzer von Kinos betroffen, und da weiſt man darauf hin, daß ja die Kinematographentheater hier in Charlottenburg ſo ungeheuer zahlreich ſind, daß das Bedürfnis weit mehr als befriedigt wird. Aber danach haben wir nicht zu fragen, ob die Kinos in Charlottenburg zahlreich ſind oder nicht, ſondern wir haben uns lediglich die Frage vorzulegen, ob wir vom Stand⸗ punkt ſteuerlicher Gerechtigkeit aus befugt ſind, die Beſitzer von Kinematographentheatern ſonderlich zu beſteuern. Dieſe Frage muß ich verneinen. Die Kinematographentheaterbeſitzer ſind auch durchaus nicht in der Lage, die Steuer ohne weiteres abzu⸗ wälzen. Gewiß wird es einzelne ſehr gut geſtellte Kinematographentheater geben, bei denen es nicht darauf ankommt, ob ſie etwas mehr für die teuren Plätze nehmen oder nicht. Aber auf die große Mehrzahl dieſer Inſtitute trifft das nicht zu, und man kann über die Kinematographentheater denken, wie man will: das eine werden Sie mir alle zu⸗ geben, daß gute Kinematographentheater für einen großen Teil der großſtädtiſchen Bevölkerung gerade⸗ zu ein Bedürfnis geworden ſind. Ein großer Teil der Bevölkerung iſt gar nicht in der Lage, das Theater aufzuſuchen, teils weil die Plätze zu teuer ſind, teils auch, weil er nicht ſo früh von der Arbeit abkommen kann. Die Leute gehen auf ein oder zwei Stunden in ein Kinematographentheater; ſie können ſich dort zerſtreuen und auch gleichzeitig lehrreiche Erfahrungen machen. Denn es iſt doch nicht geſagt, daß etwa alle Kinematographentheater nur Schund vorführen. Gewiß, gegen die Vorführung von Schundwerken ſind wir wohl alle; aber auch dagegen kann man wieder nicht mit ſteuerlichen Maßnahmen einſchreiten; übrigens ſorgt dafür, daß nicht zu viel Schund geliefert wird, ja bereits unſere Zenſur, die gerade den Kinematographentheatern gegenüber durchaus nicht milde iſt. Meine Herren, die Be⸗ ſitzer von kleinen Kinos können unmöglich die Steuer abwälzen. Sie können die Preiſe für die