68 zwei ſolcher Vorträge beizuwohnen. Der eine Vor⸗ trag war vom Deutſchen Metallarbeiterverband ver⸗ anſtaltet und bezog ſich auf die Unfallgefahren. Es wurde den Arbeitern mit Hilfe von Lichtbildern vor Augen geführt, welche Unfallgefahren in ihren Be⸗ trieben beſtehen und durch welche Mittel es möglich iſt, die Unfallgefahren zu mildern reſp. zu beſeitigen. Der andere Vortrag, der auch von einer Arbeiter⸗ organiſation veranſtaltet war, wurde von einem ſehr bekannten Berliner Profeſſor gehalten, Er be⸗ zog ſich auf die Schwindſucht, zeigte an Lichtbildern, wie verbreitet die Schwindſucht in den verſchiedenen Berufen iſt und was geſchehen könne, um wenigſtens einigermaßen dem Ueberhandnehmen dieſer Krank⸗ heit Einhalt zu gebieten. Die Organiſationen waren gezwungen, um die Unkoſten zu decken, von den Zu⸗ hörern einen kleinen Beitrag zu erheben. Dieſe Vorträge würden alſo nicht unter § 2 fallen, da es keine unentgeltlichen Veranſtaltungen find. Nun könnte man ſagen: ja, es kommt dann § 2 11 in Betracht, wonach der Magiſtrat bei Vereinen, die gemeinnützige Zwecke verfolgen, die Zahlung der Steuer erlaſſen kann. (Stadt. Wöllmer: Sehr richtig!) Ja, meine Herren, glaubt irgend jemand, daß, wenn eine Gewerkſchaft, die heute einen derartigen Vortrag veranſtaltet, ſich an den Magiſtrat wendet, der Ma⸗ giſtrat dann die Gewerkſchaft als Verein betrachtet, der gemeinnützige Zwecke verfolgt, und daß er ihm die Steuer erläßt? (Sehr richtig!) — Sie ſagen: ſehr richtig; ich ſage: nicht ſehr richtig. Wenn Sie das wollen, dann ändern Sie die Vorlage in dem Sinne; ich bin überzeugt, daß das nicht der Fall iſt. Sollte der Magiſtrat anderer Meinung ſein, ſo kann er uns ja eine entſprechende Erklärung abgeben. Vorläufig aber, nach der heutigen Judikatur und nach den allgemeinen Anſchauungen über die Gewerkſchaften, betrachten die Behörden dieſe Gebilde nicht als gemein⸗ nützige Veranſtaltungen und man wird ihnen die Steuer nicht erlaſſen, während man vielleicht — ich gebe das zu —, wenn irgendein freiſinniger Bezirks⸗ verein einen Lichtbildervortrag veranſtaltet, die Steuer erläßt; denn das iſt ein „gemeinnütziger“ Verein, er bewährt ſich ja ſo gemeinnützig, daß ſeine Vertreter heute der Steuer zuſtimmen. (Stadtv. Wöllmer: Das iſt wenig objektiv!) Nun haben die Herren Liberalen eine Reſolution beantragt, wonach der Magiſtrat bis zum Jahre 1915 über die Ergebniſſe der Steuer berichten ſoll. Was die Reſolution eigentlich ſoll, weiß ich nicht. Vielleicht wollen Sie damit denen, die jetzt von der Steuer ge⸗ troffen werden, ein Pfläſterchen auf die Wunde legen und ihnen ſagen: Gott, die Sache iſt ja nicht ſo ſchlimm; in wenigen Monaten ſchon wird der Magiſtrat mit⸗ teilen, was die Steuer eingebracht hat. Ja, meine Herren, wozu wollen Sie denn eigentlich die Reſolu⸗ tion? Doch wahrſcheinlich nur zu dem Zwecke, um den Magiſtrat, wenn er ſagt, die Ergebniſſe ſind gering geweſen, aufzufordern, die Steuer ſchärfer zu ge⸗ ſtalten und den Schichten, denen Sie heute die Laſten aufbürden, noch mehr Laſten aufzuerlegen. Denn das werden Sie doch nicht glauben, daß etwa infolge Ihrer Sitzung vom 26. Februar 1914 Reſolution oder infolge eines Antrages, der ſich ſpäter an die Reſolution knüpft, der Magiſtrat eine Milde⸗ rung der Steuer vorſchlägt! Meine Herren, das müßte ein ſchlechter Kämmerer ſein, der das, was er einmal hat, nicht feſthält, und wie ich unſern Herrn Kämmerer kenne, bin ich überzeugt, daß er tauſendmal lieber eine Verſchärfung der Steuer vorſchlägt, als daß er die Steuer, wenn ſie Geſetzeskraft erlangt hat, wieder mildert oder gar beſeitigt. Meine Herren, ich frage Sie nun: was ſpricht dafür, daß wir eine ſolche Steuer einführen? Einzig und allein der Finanzbedarf der Stadt. Aber wer gibt mir das Recht, einzelne Schichten der Bevölke⸗ rung zu belaſten? Die Aufwendungen, die die Stadt macht, ſind Aufwen dungen, die im Intereſſe der Allgemeinheit gemacht werden, und deswegen hat a uch die Allgemeinheit die Laſt en zu tragen. Aber nun und nimmer darf man ſich irgendwelche Schichten der Bevölkerung heraus⸗ greifen und ſagen: das ſind geeignete Steuerobjekte, (Zuruf: Hausbeſitzerl) — Ja, nun kommen wieder die armen Hausbeſitzer. Meine Herren, vergleichen Sie doch nicht die Steuern, die die Hausbeſitzer zu tragen haben, mit denen, die hier in Frage ſtehen. Es iſt ja traurig, daß man Ihnen das immer und immer wieder ſagen muß; aber ich meine, in ihrer Habſucht — ich ſpreche von der Habſucht gewiſſer Hausagrarier — glauben ſie tat⸗ ſächlich, daß ſie ganz ſteuerfrei ſein müſſen. Aber ver⸗ gleichen Sie doch nicht die jetzigen Steuern mit den Steuern, die den Hausbeſitzern auferlegt werden. Den Hausbeſitzern werden mit Recht Steuern auferlegt, weil ſie Vorteile von den Aufwendungen der Gemeinde haben, und zwar Vorteile, die in gar keinem Verhältnis ſtehen zu dem, was ſie an Steuern zahlen. Dazu kommt, daß die Hausbeſitzer die Steuern ja niemals ſelbſt tragen, ſondern ſie immer und immer auf die Mieter abwälzen. Hier trifft aber beides nicht zu. Sie werden mir doch nicht ſagen wollen, daß die Kino⸗ oder Saalbeſitzer irgendwie Vorteile von den Aufwen⸗ dungen der Gemeinde haben oder daß ſie die Steuern in derſelben Weiſe abwälzen können, wie es die Haus⸗ beſitzer tun. Alſo die Hausbeſitzer ſollen nur froh ſein, daß ihnen nicht noch mehr Steuern aufgebürdet werden; verdient hätten ſie es reichlich. (Heiterkeit.) Jedenfalls wäre das eine gerechtere Beſteuerung als die Belaſtung einzelner Schichten der Bevölkerung, wie ſie hier geplant iſt. Wenn nun der Herr Kämmerer ausgeführt hat, Charlottenburg habe keine Veranlaſſung, in der Steuer⸗ wüſte von Groß⸗Berlin eine Oaſe zu bilden, ſo ſage ich umgekehrt: die Stadtverwaltung ſollte ihren Stolz darin erblicken, Charlottenburg nicht zu derſelben Steuerwüſte zu machen wie die übrigen Gemeinden Groß⸗Berlins. Wir ſollten uns freuen, daß wir uns bisher ſo vorteilhaft vor anderen Gemeinden ausge⸗ zeichnet haben. Meine Herren, wenn Sie die Vor⸗ lage annehmen, dann begeben Sie ſich damit auf eine ſchiefe Ebene, auf eine Ebene, auf der es kein Halt mehr gibt. Der Appetit kommt beim Eſſen, und bei der Steuer⸗ ſcheu, die die Beſitzenden, auch die Beſitzenden von Charlottenburg, auszeichnet, wird es im nächſten