70 kennen, werden es wiſſen, ſie liegen beide in der Bis⸗ marckſtraße. Wir haben dann ferner zwei Säle in der Berliner Straße, denen es vielleicht noch inſofern einigermaßen geht, als ſie gerade balanzieren. Der Reſt lebt nicht nur von der Hand in den Mund, ſondern er bleibt alle Vierteljahre ſeine Miete ſchuldig und erledigt im nächſten Vierteljahr, was er im vorhergehenden ſchuldig geblieben war. Dieſe Verhältniſſe haben wir früher auch nicht gekannt. Sie haben ſich erſt herausgebildet, als das Char⸗ lottenburger Rathaus fertig wurde, als die Säle auf Koſten der Stadt für alle möglichen Vereinigungen hergegeben wurden, als dieſe Vereinigungen nicht einmal das Licht bezahlen brauchten. Alles das wurde den Charlottenburger Saalbeſitzern entzogen, alle dieſe Verſammlungen haben früher in Charlotten⸗ burger Sälen ſtattgefunden. Nirgends in der Welt wird man das in dem Maße wieder finden, wie es hier betrieben wird. (Sehr richtigl) Auf der einen Seite ſchädigen Sie die Saalbeſitzer, auf der anderen Seite wollen Sie ihnen das Wenige, was ſie haben, durch ungerechte Steuern auch noch abnehmen. (Zuruf: Da hat er recht!) Wenn der Staat derartige Steuern eingeführt hat, ſo hat er die Notleidenden wenigſtens vorher ent⸗ ſchädigt; ich weiſe auf die Zündholz⸗ und Tabak⸗ ſteuer hin. Hier in Charlottenburg will man die Leute nicht einmal entſchädigen, ſondern man will ſie expropriieren. Das iſt der einzige Ausdruck, den man dafür gebrauchen kann. Sie vergeſſen ja ganz, meine Herren, daß die Kinobeſitzer auf Jahre hinaus mit den Hausbeſitzern abgeſchloſſen haben; es laufen Verträge bis 1920. Wenn die Leute nun kein Geſchäft machen, ſo können ſie nicht nur dasjenige Betriebskapital, das ſie in ihre Geſchäfte hineingeſteckt haben, verlieren, nein, ſie laden ſich noch eine Schuldenlaſt auf, die weit hinausgeht und die ſie auf ihre Kinder vererben, und machen auch ihre Familie mit unglücklich. Und was wird das Ende vom Liede ſein? Sie werden die Armenverwaltungskoſten erhöhen. Es wird dahin kommen, daß der Ausſpruch, der ſchon ſo oft gemacht iſt, es gehe nur demjenigen in Charlottenburg gut, der der Armenverwaltung zur Laſt gefallen ſei, auch für die Kino⸗ und Gaſtwirtsbeſitzer an der Tages⸗ ordnung ſein wird. Meiner Ueberzeugung nach kann eine derartige Sonderſteuer in einer Kommune, die ſich liberal nennt und die zum größten Teile aus liberalen Leu⸗ ten zuſammengeſetzt iſt, nicht eingeführt werden. Ich würde ſonſt den Ausdruck des Liberalismus nicht mehr verſtehen. Es iſt ja möglich, daß die Anfichten über das, was „liberal“ heißt, verſchieden ſind. Ich für meinen Teil verſtehe unter Liberalismus, daß die Steuern von der Allgemeinheit getragen werden en nicht von einer einzelnen Gruppe ſchwacher eute. Anderthalb Prozent Einkommenſteuererhöhung würde dieſe Steuer unnötig machen und dieſe Erhöhung würde niemand drücken; es würde niemand aus Charlottenburg fortgehen. Der Herr Kämmerer ſagte im Etatsausſchuß, daß Schöneberg trotz 110% Steuerzuſchlag 2,8% Zuwachs gehabt Sitzung vom 23. Februar 1914 habe, Charlottenburg bei ſeinen 100% nur 0,8%. Man will eben nur Millionäre nach Charlottenburg ziehen und Millionäre ſind immerhin noch dünn geſät. Selbſtändige Gewerbetreibende hat Char⸗ lottenburg ja kaum mehr; es ſind meiſt nur noch Filialen von Berliner Geſchäften. Wenn Sie heute unſere Geſchäftsſtraßen durchwandern, ſo werden Sie nur noch ganz, ganz alte Charlottenburger Geſchäfte finden, außerdem nur Filialen aus Berlin, die in⸗ folge des Renommees der Berliner Firma in Char⸗ lottenburg noch einigermaßen Geſchäfte machen. Meine Herren, wir haben von einer Reſolu⸗ tion gehört, die eingebracht worden iſt und die auch unſer Fraktionsvorſitzender unterſchrieben hat. Ich erkläre, daß ich von dieſer Reſolution nichts gewußt habe und ihr auch nicht zuſtimme. Ich kann nicht finden, daß dieſe Reſolution irgend etwas beſagt, was für diejenigen, die heute von der Steuer betroffen werden ſollen, von Wert ſein könnte. Es ſcheint mir ſo, als wenn dieſe Reſolution nur ein Pflaſter auf die Wunde ſein ſoll, die durch die Steuer geſchlagen wird. Was ſoll das heißen: der Magiſtrat ſoll uns nach einem Jahre über die Wirkung der Kinoſteuer berichten. Soll der Magiſtrat uns auch darüber be⸗ richten, wieviel weniger elektriſches Licht wir gelie⸗ fert haben? Wir haben bis jetzt für zirka 400 000 ℳ Elektrizität an die Kinobeſitzer abgegeben. Soll er auch berichten oder kann er auch berichten, wieviele von den Leuten, die in den Kinos beſchäftigt waren, nun brotlos geworden und der Armenverwaltung zur Laſt gefallen ſind? Wenn er dieſe Bilanz aufſtellen könnte, wenn die Möglichkeit dafür vorläge, dann, glaube ich, würde die Wagſchale ſich nach unten und zu ungunſten dieſer Kino⸗ und Gaſtwirtsſteuer ſtellen. Eine Steuer, die derartig verkehrsfeindlich iſt, kann ich nicht verſtehen und ich begreife auch nicht, warum man dieſe Steuer „Luſtbarkeitsſteuer“ nennt. Unter einerLuſtbarkeitsſteuer würden dann vor allen Dingen auch d ie Vergnügungenfallen, die oben im Rathausſaale gefeiert werden. Wenn dort für das Jugendheim zwei Tage hintereinander von morgens bis abends mit Trompetenklang, daß man im Rathaus ſein eigenes Wort nicht hören kann, Spiel und Geſang und alles mögliche getrieben wird, ſo iſt das meiner Auffaſſung nach auch eine Luſtbarkeit. Diejenigen, die geben und für die Armen etwas tun wollen, können es nach meiner Meinung auch tun, ohne derartige Luſtbar⸗ keiten mitzumachen und dafür Geld herzugeben. Es iſt zwar auch eine indirekte Steuer, die ſie ſich da⸗ mit auferlegen, aber dieſe Steuer iſt ſchmerzloſer. Eine Luſtbarkeitsſteuer würde ich auch darunter finden, wenn wir die Theater beſteuern, z. B. unſer Schillertheater und die Oper; das verſtehe ich unter einer Luſtbarkeitsſteuer. Aber einzelne heraus⸗ nehmen, — dann ſagen Sie doch ganz offen, meine Herren: Erdroſſelungsſteuer der Kinos. Wenn Sie von dieſem Standpunkt aus⸗ gehen, dann glaube ich, daß man dies vertreten kann. Vorſteher Dr. Frentzel (unterbrechend): Herr Kollege Zander, ich halte es für unzuläſſig, eine Steuer, die der Magiſtrat vorgelegt hat, derartig zu bezeichnen! Stadtv. Zander (fortfahrend): Das iſt meine perſönliche Ueberzeugung und dieſe perſönliche Ueber⸗ zeugung muß ich vertreten können. Ich vertrete die Meinung: wenn „man“ eine derartige Steuer zu