Sitzung vom 26. Geſichtspunkte ein Weilchen in die Ecke geſtellt wer⸗ den. Wenn dann Herr Kollege Stadthagen weiter fortfährt: was ſchadet es denn, wenn ſich der Magi⸗ ſtrat die Aeußerung des Kämmerers aus der Ple⸗ narſitzung zu eigen macht, daß es ſich nur um eine vorübergehende Vermehrung der Klaſſenfrequenz handle, — nun, meine Herren, was bei ſolcher „vor⸗ übergehenden“ Vermehrung der Klaſſenfrequenz herauskommt, wiſſen wir. Denken wir nur an unſere fliegenden Klaſſen und an die Zahl unſerer Mietsklaſſen! Wenn wirklich die Vermehrung nur vorübergehend wäre, dann würde eine dauernde Ver⸗ mehrung der Mietsklaſſen herausſpringen. Daß das eine wie das andere in gleicher Weiſe bedauerlich und vom pädagogiſchen Standpunkt aus beklagens⸗ wert iſt, wird mir vielleicht ſogar Herr Kollege Stadthagen zugeben. Aber es ſoll eben geſpart wer⸗ den, und darum kann man ja die Klaſſenfrequenz in den Volksſchulen erhöhen. Es ſchadet ja nichts, ſagt Kollege Stadthagen; wir haben ja auch in den höheren Schulen zu 50 bis 60 zuſammengeſeſſen, ohne daß es uns etwas geſchadet hat. Nun, ich weiß nicht, welche Klaſſen Herr Kollege Stadthagen meint. Wenn er die Klaſſen des alten Friedrichsgym⸗ naſiums in Berlin meint, ſo iſt mir nicht bewußt, daß dort eine Klaſſenfrequenz von 50 vorhanden war, namentlich nicht in den höheren Klaſſen, und in⸗ wieweit eine ſolche ſtarke Belegung der Klaſſe, in der der Kollege Stadthagen war, ihm nicht geſchadet hat, kann man doch ſo ohne weiteres auch nicht beurteilen. (Stadtv. Dr Stadthagen: Bei Ihnen auch nicht!) — Ich war in ſo belegten Klaſſen nicht. Jedenfalls ſind in den höheren Schulen meines Erachtens ſolche Belegungsziffern nicht üblich, namentlich nicht bei uns. Mir iſt eher zu Ohren gekommen, daß wir z. B. in einer Klaſſe einer unſerer höheren Lehran⸗ ſtalten zu wenig Schüler hätten, in einer Prima ſage und ſchreibe 4 Schüler! Würde man da an eine Er⸗ höhung der Klaſſenfrequenz denken, ſo würde ich das begreiflich finden. Dieſes Beiſpiel dürfte aber ſchon der Behauptung widerſprechen, daß in den höheren Schulen ohne weiteres 50 bis 60 Schüler in der Klaſſe ſitzen. Alſo, meine Herren, man kann, glaube ich, wenn man pädagogiſche Geſichtspunkte in den Vor⸗ dergrund ſtellt, dem Etatsausſchuß nur dankbar ſein, daß er an dem Gemeindebeſchluß feſtgehalten hat. Höchſtens kann man ſein Bedauern darüber aus⸗ ſprechen, daß der Etatsausſchuß aus dieſer ſeiner Stellungnahme nicht die vollen Konſequenzen ge⸗ zogen, daß er nicht auch auf einen beſchleunigten Bau von Schulen gedrungen hat, der ja ebenfalls notwendig wird. So wie die Dinge liegen, kann ich Sie nur bitten, dem Vorgehen des Etatsausſchuſſes zuzu⸗ ſtimmen. Stadtv. Dr. Landsberger: Ich kann Herrn Kol⸗ legen Stadthagen nicht begreifen, daß er dafür plä⸗ diert, jetzt einen Grundſatz zu bekämpfen, der in aller Pädagogik und aller Hygiene und bei allen Ausblicken auf Fortſchritte unſerer Volksbildung ſtets maßgebend war, nämlich den, daß man die Schulklaſſenfrequenz nicht über ein beſtimmtes Maß anmachſen laſſen darf, ſondern ſie möglichſt herunter⸗ Februar 1914 zudrücken befliſſen ſein muß. Davon hängt aller 91 Erfolg des Unterrichts weſentlich ab. Wir würden einen Rückſchritt bedenklichſter Art machen, wenn wir hier eine Anzahl von Lehrer⸗ und Lehre⸗ rinnenſtellen ſtreichen wollten, wie der Magiſtrat vorgeſchlagen hat. Mag man im Notfalle und vor⸗ übergehend einmal die Klaſſenſrequenz etwas ſteigern müſſen, grundſätzlich aber muß ſie auf der bei uns üblichen Höchſtziffer und auf einer erträglichen Stufe erhalten werden. Ich kann Sie nur bitten, dem Antrage des Etatsausſchuſſes zuzuſtimmen und hier die Mehr⸗ einſtellung zu genehmigen. Stadtv. Otto (Schlußwort): Meine Herren! Als wir ſeinerzeit an die Reform unſeres Gemeindeſchul⸗ weſens gingen, war der erſte Satz, der in den Vorſchlä⸗ gen des Magiſtrats ſtand: in der Grundklaſſe darf die Schülerzahl 45 nicht überſchreiten. Dieſen erſten Satz heben Sie auf, wenn Sie dem Vorſchlage des Herrn Kollegen Dr Stadthagen folgen. (Stadvt. Dr Stadthagen: Nur vorübergehend!) — Jawohl, nur vorübergehend, und um das „vor⸗ übergehend“ gleich vorwegzunehmen: Herr Dr Stadt⸗ hagen, wie denken Sie ſich techniſch eine vorüber⸗ gehende Erhöhung der Schülerzahl, wenn eine Klaſſe mit der höheren Schülerzahl von unten herauf an⸗ fängt? (Stadtv. Dr. Stadthagen: Ich bitte, den Ma⸗ giſtrat zu fragen!) — Den Magiſtrat zu fragen, habe ich als Fach⸗ mann nicht nötig; aber laſſen Sie ſich darüber auf⸗ klären, daß dieſe vorübergehende Erhöhung nach nor⸗ malen Erfahrungen 8 Jahre dauert. Ob das vor⸗ übergehend heißt, überlaſſe ich Ihnen ſelbſt zu be⸗ urteilen. Nun hat ſich aber der Etatsausſchuß grundſätzlich auf den Standpunkt geſtellt — und das möchte ich hier beſonders hervorheben —: unſere Schulreform darf niemals dazu führen, die Sorge für die nor⸗ malen Schulkinder zu vernachläſſigen. Das iſt der leitende Geſichtspunkt für den Antrag des Etatsaus⸗ ſchuſſes geweſen. Die normalen Kinder ſind in Char⸗ lottenburg wie überhaupt ſonſt bei weitem in der Ueberzahl, und dieſe würden Sie auch durch eine „vorübergehende“ — ich ſetze dieſes Wort jetzt in Anführungsſtriche — Erhöhung der Klaſſenfrequenz ſchädigen. Aus. dieſem Grunde bitte ich Sie drin⸗ gend, dem Antrage des Etatsausſchuſſes zu⸗ zuſtimmen. Herr Kollege Dr Landsberger hat ganz recht: wenn Sie dieſe Erhöhung der Schülerzahl ge⸗ nehmigen, ſo leiten Sie damit einen empfindlichen Rückſchritt in unſerem Volksſchulweſen ein, und das werden Sie nicht wollen. (Die Verſammlung lehnt den Antrag des Stadt⸗ verordneten Dr Stadthagen ab und ſtellt Kapitel III Bürgermädchenſchule, Gemeindeſchulen und Kindergärten — in Einnahme und Ausgabe nach dem Voranſchlage des Magiſtrats mit den auf Druck⸗ ſeiten 51, 52 und 54 der Vorlagen angegebenen Aen⸗ derungen ſowie mit der durch Annahme des An⸗ frages des Stadtv. Jaſtrow eigetretenen Aenderung feſt und beſchließt im übrigen entſprechend den vom Berichterſtatter Stadtv. Otto mitgeteilten Anträgen des Etatsausſchuſſes.)