106 Stadtv. Dr Liepmann: Meine Herren! Der 2 4 Stunde halber werde ich mich recht kurz faſſen. (Bravo!) Ich werde den Anträgen des Herrn Berichterſtatters zuſtimmen. Meine Freunde und ich ſtimmen aber nicht leichten Herzens zu und können ſich nur ſehr ſchwer zu der Erhöhung der Einkommenſteuer auf 110%, insbeſondere zu der Erhöhung der Schätzung der Einkommenſteuer, wie ſie von dem Herrn Kolle⸗ gen Meyer beantragt worden iſt, entſchließen, weil wir nach den Erklärungen, die uns ſeitens des Ma⸗ giſtrats im Etatsausſchuß gegeben worden ſind, ſehr große Zweifel hegen, ob man der Erhöhung der Ein⸗ kommenſteuer bei uns mit irgend welchem Optimis⸗ mus entgegenſehen kann. Meine Herren, wenn wir der Erhöhung auf 110% zuſtimmen, ſo geſchieht es, weil wir wiſſen. daß wir eigentlich höher hätten gehen müſſen. 5 (Stadv. Hirſch: Na alſo!) Denn ſowohl der Vortrag aus dem Ueberſchuß des Vorjahres von über 800 000 ℳ als die Entnahme aus dem Ausgleichsfonds von etwa 450 000 ℳ, wer⸗ den wir für das nächſte Etatsjahr kaum gutbringen können und deshalb jedenfalls für das übernächſte Jahr eine noch erheblichere Erhöhung der Ein⸗ kommenſteuer über uns ergehen laſſen müſſen. Wenn ich dieſes ſage, dann kann ich aber zugleich erklären, daß uns, mich und meine ſpeziellen Freunde, die Verantwortung hierfür nicht trifft, ſondern die Mehr⸗ heit. Das hat ſich heute wieder gezeigt; heute war die Mehrheit wieder in mehreren Punkten päpſtlicher als der Papſt, in⸗ dem ſie den Anträgen des Magiſtrats auf Sparſamkeit Widerſpruchentgegen⸗ ſetzte. Ich erinnere nur an die Anträge hinſichtlich der neuen Lehrerſtellen, bei denen der Magiſtrat zu⸗ nächſt noch mit weniger Lehrkräften auskommen zu können glaubte. Hier ſollte endlich einmal verſucht werden, ſich nach der Decke zu ſtrecken und ſchlimmſten⸗ falls einmal vorübergehend ein paar Kinder mehr in Schulräumen unterzubringen, als es nach der von uns aufgeſtellten Norm angängig ſein ſoll. Es iſt bereits ganz richtig darauf hingewieſen worden, daß wir alle früher mit viel mehr Mitſchülern zuſammen unterrichtet wurden und trotzdem kräftige Menſchen geworden ſind, die einen gehörigen Puff vertragen können, den ja auch wohl der Herr Kollege Hirſch, wenn er ſich nach mir zum Worte meldet, jetzt auf meine Rede ſetzen wird. Wenn nun der Maaiſtrat einen ſolchen Ver⸗ ſuch der Sparſamkeit machen will, wird von der Mehrheit der Verſammlung Widerſtand geleiſtet. Ja, meine Herren, dann können Sie ſich nachher auch nicht darauf berufen, daß ſie in Wahrheit Sparſam⸗ keit üben wollen. Ferner, meine Herren, erinnere ich Sie daran, daß Sie heute dem Beſtreben, das aus der libralen Fraktion heraus durch die Lehrervereine und durch ſonſtige ſachverſtändige Gutachten unterſtützt wird, den Nachhilfeunterricht zu ſparen, widerſprochen, daß Sie Nein geſagt und den Anſatz wiederum um 10 000 ℳ in die Höhe gebracht haben. (Zurufe.) Sitzung vom 26. Februar 1914 Magiſtrat vorgegangen iſt. Dann erinnere ich Sie, meine Herren, an mei⸗ nen Proteſt vom 28. Mai vorigen Jahres, als es ſich um Feſtlegung auf ein umfaſſendes Programm für die Fach⸗ und Fortbildungsſchulen handelte, und ich verlangte, daß wir, bevor wir ein Programm anneh⸗ men, mag es uns auch ſachlich noch ſo gefallen, doch erſt überſehen müßten, welche Koſten die Durchfüh⸗ rung macht, und daß wir es nicht billigen dürfen, bevor wir nicht darüber Aufſchluß vom Magiſtrat bekommen hätten; damals ſind Sie einfach über mei⸗ nen Proteſt hinweggegangen. Dann erinnere ich Sie an die heutige Debatte über den Armenetat. Meine Herren, der Armenetat iſt meiner Anſicht nach nicht der geeignetſte Punkt, an dem man an erſter Stelle Sparſamkeitsrückſichten und finanzielle Geſichtspunkte geltend machen darf, ſon⸗ dern hier ſollte man mit warmem Herzen geben, wa⸗ notwendig iſt. Aber wenn Wilmersdorf, wenn B.r⸗ lin, wenn alle auderen Vororte, die unter den gleichen Tedingungen ſtehen, pro Kopf der Bevölkerung mit — Das behaupte ich auch gar nicht, daß hier der ſerheblich geringeren Sätzen auskommen, dann können wir doch, die wir immerhin eine ſehr günſtige Verhält⸗ niszahl zwiſchen Minderbemittelten und Wohlhabenden haben, wirklich bei unſerem Voranſchlage ſagen: wir neymen uus dieſe Verhältniſſe zum Muſter und be⸗ rechnen danach die Summen, die notwendig werden. Sollten dieſe Summen überſchritten werden müſſen, ſo werden nen, wie heute, Nachforderungen, die ſpäter zur Verhandlung geftellt ſind, erhoben werden. Dagegen reizen Sie, meine Herren, durch allzureiche Bemeſſung der zur Verfügung geſtellten Mittel die Armenverwaltung geradezu an, bei ihren Bewilligungen über das erforderliche Maß hinauszugehen, wenn Sie eine Poſition, die der Ausſchuß nach genauer Prüfung und Berechnung geſtrichen hat, wieder einſetzen, wie cs die Mehrheit heute wieder getan hat. Vorſteher Dr. Frentzel: Herr Kollege Dr Liep⸗ mann, wir wollen doch nicht die ganze Verhandlung über die bereits abſolvierten Kapitel wieder auf⸗ rollen. Ich glaube, Sie würden ſich den Dank der . verdienen, wenn Sie ſich etwas kürzer aßten. Stadtv. Dr Liepmann: Herr Vorſteher, ich habe vorher angeregt, ob wir uns nicht vertagen wollen. Wir können doch unſere geſamten prin⸗ zipiellen Bedenken nicht deshalb unterdrücken, weil wir hier in vorgerückter Stunde beraten. Wenn wir auch jetzt in Minorität ſind, werden wir doch mal zur Majorität werden. (Heiterkeit!) Vorſteher Dr. Frentzel: Zu Ihren Ausführungen war Zeit bei den einzelnen Kapiteln. Stadtv. Dr Liepmann: Nein, da konnte man das nicht vorbingen. Ich komme, um mich kurz zufaſſen, nur noch auf die Frage der Bauten. Da wird mir der Herr Vor⸗ ſteher erlauben, daß ich hier kurz eine Stelle aus der Rede des Landtagsabgeordneten von Pappenheim, des Vorſitzenden des Provinzialausſchuſſes der Pro⸗ vinz Heſſen⸗Naſſau, verleſe, die der Herr am 23. Fe⸗ bruar dieſes Jahres im Abgeordnetenhauſe gehalten hat. Da ſagt er: