Sitzung vom 11. März 1914 etats angenommen haben, und ich glaube, daß ihre Begründung kaum geeignet erſcheint, die Bedenken bei vielen unſerer Mitglieder aufzuheben. Meine Kritik richtet ſich trotz alledem weniger gegen den an und für ſich nicht großen Betrag, der gefordert wird, als gegen die Tendenz der Vorlage und ihre vor⸗ ausſichtlichen Folgen. Die Vorlage ſtützt ſich im großen und ganzen auf die erhebliche Zunahme der Konſultationen beim Hals⸗, Naſen⸗ und Ohrenarzt. Wir werden uns doch fragen müſſen: woher auf einmal eine ſo große Zu⸗ nahme der Konſultationen? Ich für mein Teil wäre geneigt, ſie darauf zurückzuführen, daß die Stad!⸗ ärzte jetzt, wo ein feſt angeſtellter Spezialarzt vor⸗ handen iſt, leichter dazu kommen, ihre Patienten dem Spezialarzt zuzuführen, während ſie früher vor Anſtellung des Spezialarztes jede einzelne Zufüh⸗ rung zum Spezialarzt der Armendirektion gegen⸗ über beſonders begründen mußten. (Stadtv. Dr. Liepmann: Sehr richtig!) Ich glaube, daß der gleiche Gedanke auch bei den Herren Rektoren und den Schulſchweſtern vorherrſcht, daß man jetzt ohne viel Beſinnen die Kinder dem Spezialarzt zuweiſen dürfte. Ich bin mir ſogar zweifelhaft, ob genau unterſucht wird, ob denn Kin⸗ der von Eltern, die wohl zahlen könnten, dieſer un⸗ entgeltlichen Behandlung des Spezialarztes über⸗ wieſen werden. Wir leſen weiter in der Begründung, daß die Spezialärzte weit mehr in Anſpruch genommen merden als die Stadtärzte. Ich möchte hierbei gleich bemerken, daß wir kurz nach der Einrichtung der ſpezialärztlichen Behandlung für Hals, Naſe und Ohren eine Aufbeſſerung des Gehalts vorgenommen haben. Wenn ich zugebe, daß die Konſultationen einen größeren Umfang angenommen haben — wir werden uns die Unterſuchung der Fälle noch vorbe⸗ halten —, ſo müſſen wir auf der andern Seite be⸗ denken, daß die Stadtärzte in anderer Weiſe mehr in Anſpruch genommen werden: ſie ſtehen nicht nur in der Sprechſtunde den Patienten zur Verfügung. ſondern, man kann beinahe ſagen, den ganzen Tag; ſie müſſen die Patienten in ihren Wohnungen auf⸗ ſuchen, ſie werden vielfach in ihrer Nachtruhe geſtört, und außerdem müſſen ſie mindeſtens 24 mal im Jahre den Sitzungen der Armenkommiſſionen die abends ſtattfinden, beiwohnen. Die Zweckmäßigkeit der Einrichtung beſonderer Sprechzimmer für Spezialfälle ſcheint mir nicht ſehr einleuchtend zu ſein. Wir werden uns doch wohl ſehr überlegen müſſen, ob wir darin der Vorlage zu⸗ ſtimmen ſollen. Dieſe Armenſprechſtunden ſtempeln gewiſſermaßen den Patienten zu einem Almoſen⸗ empfänger, während wir doch gerade das Umgekehrte beabſichtigen, nämlich das Niveau derſelben zu heben. Wir ſind doch im allgemeinen — ich glaube da wohl im Sinne der großen Mehrheit zu ſprechen — der Anſicht, daß man das vermeiden ſoll, daß wir viel⸗ mehr darauf achten müſſen, daß arm und reich das gleiche Sprechzimmer benutzen und in derſelben Weiſe den Arzt konſultieren. Wir werden ja Gelegenheit haben, uns ausführlich über die ganze Vorlage zu unterhalten, da meine Freunde durch mich einen Aus⸗ ſchuß beantragen werden. Eins möchte ich hier aber doch noch bemerken. Ich bin der Meinung, daß die Vorlage den erſten Schritt zur Einrichtung einer Poliklinik be⸗ 117 deutet, die anderwärts nicht mehr beliebt wird, wie ich höre, wird Berlin ſie abſchaffen. Wir werden es uns reiflich überlegen müſſen, ob wir den Weg, der uns hier vorgeſchlagen wird, einſchlagen wollen. Ich bin der Anſicht, daß dann ein neues Gebäude in der Sophie⸗Charlottenſtraße errichtet werden muß, wenn auch nicht heute, ſo doch in einiger Zeit. Ich trage weiter das Bedenken hierbei, daß wir dahin gelangen, das Aerzteweſen noch mehr als bisher zu verſtadt⸗ lichen. Wir ſollten uns doch davor hüten, eine wei⸗ tere Beunruhigung in die Kreiſe der Aerzte von Charlottenburg hineinzutragen. Meine Herren, ich beantrage, die Vorlage einem Ausſchuß von 13 Mitgliedern zu überweiſen. Stadtrat Dr Gottſtein: Da der Antrag auf Aus⸗ ſchußberatung geſtellt iſt, ſo brauche ich auf die Aus⸗ führungen des Herrn Stadtv. Bergmann im einzelnen nicht einzugehen. Ich werde im Ausſchuß ausführen, daß ſeine Behauptung, es beſtände ein Gegenſatz zwi⸗ ſchen den Beratungen in der Armendirektion und der Vorlage, nicht zutrifft. Was die Zunahme der Konſultationen angeht, die außergewöhnlich erſcheint, ſo ſchließt der Herr Stadtv. Bergmann, ſie beruhe auf einer vermehrten Zuſendung ſeitens der Stadtärzte, die ſich ihre Tätigkeit 9 . maßen leicht machten, während ſie früher auf die Ge⸗ nehmigung der Armendirektion angewieſen waren. Sollte nicht der Schluß viel näher liegen, daß der Be⸗ ſchluß der ſtädtiſchen Körperſchaften vom vorigen Jahre die Notwendigkeit der Errichtung einer ſolchen Stelle mit Recht erkannt hat und daß, da die Möglichkeit ihrer Inanſpruchnahme erleichtert worden iſt, die jetzt eingetretene Zunahme der behandelten Fälle die na⸗ türliche Folge einer vorauszuſehenden Entwicklung ge⸗ weſen iſt? Was das polikliniſche Gebäude betrifft — das iſt die letzte Bemerkung, die ich machen will —, ſo trifft das durchaus nicht zu, was der Herr Stadtv. Berg⸗ mann ſagt, daß man allgemein von einer polikliniſchen Behandlung in ſtädtiſchen Inſtituten abgekommen iſt. Gerade das Gegenteil iſt der Fall, und ich bitte ihn, wenn er wieder einmal in München iſt, ſich das dortige große Poliklinikum anzuſehen, das weſentlich zur Ent⸗ laſtung der Krankenhausverſorgung der Bevölkerung errichtet iſt, genau ſo, wie man in Frankfurt a. M. in der gleichen Richtung Schritte zu tun beginnt. Die Vorlage bindet ſich aber nach dieſer Richtung hin ganz entſchieden — und diejenigen, die die Vorlaae unterſchrieben haben, ſind an dieſe Erklärung gebun⸗ den —, daß nicht die Abſicht beſteht, hier eine Poli⸗ klinik zu errichten, ſondern nur diejenigen Fälle in Betracht kommen, deren Behandlung ſchon jetzt Auf⸗ gabe der ſtädtiſchen Körperſchaften iſt. Es iſt alſo aus⸗ geſchloſſen, daß dadurch eine Gefährdung der praktiſchen Aerzte, eine Verminderung ihrer Tätigkeit eintreten kann, es ſei denn, daß die ſtädtiſchen Körperſchaften bzw. die in den Ausſchuß entſandten Vertreter, wie Herr Bergmann, etwa geneigt ſein ſollten, über die Vorlage des Magiſtrats hinauszugehen. Stadtv. Dr Byk: Ich habe im Namen meiner Freunde zu erklären, daß wir prinzipiell gegen die Be⸗ willigung der Vorlage ſind, daß wir uns aber der Aus⸗ ſchußberatung anſchließen werden. Der Herr Kollege Bergmann hat das vorweg ge⸗ nommen, was ich ſagen wollte. Ich will mich deshalb kurz faſſen, um ſo mehr, als wir ja noch im Ausſchuſſe Gelegenheit haben werden, uns über die Materie zu unterhalten. Ich will hier jedoch betonen, da ß i ch