118 einzig und allein für richtig halte, daß, ſolange wir für ein Spezialgebiet nur einen Vertreter als Stadtarzt haben, dieſer im Mittelpunkte der Stadt anſäſſig iſt und dort nicht nur ſeine Sprechſtunde abhält, ſondern auch wohnt. Der Herr Vorredner hat ſchon auseinandergeſetzt, daß es uns eigentlich vom humanitären Standpunkt aus verwundern muß, daß der Magiſtrat ſeine früheren Geſichtspunkte außer acht gelaſſen hat. Wir haben es außerordentlich zu ſchätzen gewußt, daß der Magiſtrat, ſpeziell der Herr Stadtmedizinalrat, den humanitären Geſichtspunkt ſo ſehr in den Vordergrund geſchoben hat, daß wir hier in Charlottenburg keine Armenärzte, ſon⸗ dern nur Stadtärzte haben, kein Siechenhaus, ſondern ein Bürgerhaus. Es ſollte alſo den Armen nicht zum Bewußtſein kommen, daß ſie als Bürger minderer Klaſſe bewertet werden. Hier nun wird zum Ausdruck gebracht, daß ſie in eine beſondere Sprechſtunde gehen ſollen, während wir es für richtiger halten, daß ſie dieſelbe Sprech⸗ ſtunde wie die Privatpatienten, wie ſelbſt die reichſten Leute aufſuchen. Schon aus dieſem Gefichtspunkte ſind wir dafür, daß die Armen, die an Hals⸗, Naſen⸗ und Ohrenkrank⸗ heiten oder an Augenkrankheiten leiden, dort ſich be⸗ handeln laſſen können, wo die anderen Patienten — Privat⸗ und Kaſſenkranke — ſich ärztlichen Rat holen. Ich bin auch über die Begründung der Vorlage außerordentlich verwundert. In dieſer heißt es, daß „die Durchführung eines ſo großen Betriebes in der Privatwohnung des angeſtellten Arztes nicht in dem Intereſſe der behandelten Patienten liegt“; und weiter: „Bei der großen Zahl iſt ihre Unterſuchung und opera⸗ tive Behandlung in einer geſonderten Sprechſtunde zweckmäßiger.“ Nun, es find durchſchnittlich etwa 9 Patienten, die in jede Sprechſtunde kommen. Ich glaube, das iſt kein zu großer Betrieb, daß er für die Patienten oder ſonſt jemand hinderlich ſein ſollte. Dann meine ich — und dem wird wohl jeder Arzt zuſtimmen —, daß es für die Patienten beſſer iſt, wenn ſie in der Privatſprechſtunde behandelt werden als in einer polikliniſchen Sprechſtunde, wie ich die Behand⸗ lungsſtelle einmal nennen will. In der Privatſprech⸗ ſtunde hat der behandelnde Arzt natürlich alle In⸗ ſtrumente zur Verfügung, deren er für ſeine Klientel bedarf. Es iſt nicht anzunehmen, daß ein Arzt, der noch eine zweite Sprechſtunde einrichtet, in dieſe das⸗ ſelbe Inſtrumentarium hineinlegt wie in die erſte. Deshalb kann man den Schluß ziehen, daß die Be⸗ handlung der Patienten in einer geſonderten Sprech⸗ ſtunde, wenn auch vielleicht nur in ſeltenen Fällen, doch hin und wieder weniger gut iſt und weniger leiſtet als in der Privatſprechſtunde. Auch aus dieſem Grunde kann ich der Vorlage nicht beitreten. Dann iſt aber noch zu beachten, daß folgendes vorkommen kann. Einem Armenarzt, der allaemeine Praris ausübt, der, ſagen wir, in einer feudalen Gegend, in einem ſogenannten hochherrſchaftlichen Hauſe wohnt, verbietet plötzlich der Hauswirt, die Ar⸗ menkranken zu ſich kommen zu laſſen. Es könnte ſein, daß dieſer Arzt jetzt an die Stadt herantritt: „Mir iſt die Behandlung der Armenpatienten in meiner Woh⸗ nung verboten worden; Magiſtrat, ſtelle mir Räume zur Verfüguna, in denen ich die Armenkranken behandeln fannl“ Wenn es heißt: gleiches Recht für alle —, ſo kann leicht der Schluß gezogen werden, Sitzung vom 11. März 1914 daß für die Armenkranken, die jetzt von den Stadt⸗ ärzten behandelt werden, auch allgemeine Behand⸗ lungsſtellen, vielleicht für einige benachbarte Bezirke gemeinſame Behandlungsſtellen, eingerichtet werden. Deshalb rufeich — ſchon der drohenden Koſten wegen — dem Magiſtrat hier zu: „„rineipiis obs ta!“ Wir wollen uns vor dem erſten Schritt in dieſer Be⸗ ziehung hüten. Zum Schluß möchte ich, meine Herren, nicht zu betonen unterlaſſen, daß wir alle dieſe Schwierigkeiten nicht gehabt hätten, wenn der Magiſtrat unſerm Vor⸗ ſchlage, den wir im Sommer gemacht hatten, beigetreten wäre und einen Arzt, der im Mittelpunkt der Stadt wohnt, gewählt hätte. Im übrigen werden wir ja noch im Ausſchuß Ge⸗ legenheit haben, uns darüber zu unterhalten. (Bravol) Stadtv. Vogel: Meine Herren! Gegen die Ueberweiſung der Vorlage an einen Ausſchuß habe ich nichts einzuwenden; ich bin damit einverſtanden.— Wenn der Kollege Bergmann ſich darüber wunderte, weshalb jetzt auf einmal die Spezial⸗Naſen⸗ und Ohren⸗ behandlung Platz greifen ſoll, ſo muß ich darauf er⸗ widern, daß ſich dieſe Verwunderung wohl daraus er⸗ klärt, daß er noch ein ſehr junges Mitglied dieſer Ver⸗ ſammlung iſt. Wäre er ſchon vor 10, 12 Jahren hier geweſen, dann wüßte er, daß damals ſchon meine Frak⸗ tion genau in derſelben Richtung Vorſchläge gemacht hat. Allerdings iſt damals nur die Zahnklinik errichtet worden. Gegen den Wunſch des Herrn Bergmann, daß die Armenkranken in demſelben Sprechzimmer mit den wohlhabenden und reichen Patienten behandelt werden möchten, haben wir durchaus nichts. Dann meinte Herr Kollege Bergmann, es käme bloß darauf hinaus, hier eine Poliklinik einzurichten. Jawohl, das wäre ſchon längſt ſehr nötig; dann brauchten die Charlottenburger armen Kranken nicht zu Hunderten in die Berliner Polikliniken zu gehen und dieſe in Anſpruch zu nehmen; dann wäre es nicht mehr nötig, der Stadt Charlottenburg gewiſſermaßen das Armutszeugnis auszuſtellen, daß ſie ihre unbemit⸗ telten Kranken, da ſie keine Polikliniken hat, zwingt, nach Berlin zu fahren. Das iſt darauf zu erwidern. Es wird ja im Ausſchuß noch Gelegenheit gegeben werden, Näheres darüber zu ſagen. (Die Verſammlung beſchließt die Ueberweiſung der Vorlage an einen Ausſchuß von 13 Mitgliedern und wählt in dieſen Ausſchuß die Stadtverordneten Ahrens, Dr Bauer, Bergmann, Dr. Byk, Dr Damm, Dr. Feilchenfeld, Hirſch, Jaſtrow, Dr Landsberger, Neumann, Ir Rothholz, Schwarz und Zander.) Vorſteher Dr. Frentzel: Wir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung: — Vorlage betr. Abſchluß eines Vergleichs. Druck⸗ ſache 62. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats: 1. in der Prozeßſache Baeſell gegen Chalottenburg dem Vergleichsvorſchlage des Klägers vom 0 0 4 1914 flenee Engca 5 2. die, demnach zu zahlende Entſchädigungsſumme udt 20 230 fun der 480 willigen.) Anleihe von 1899 zu be⸗ 5