120 Vorſteher Dr Frentzel: Das Wort wird nicht weiter verlangt; ich ſchließe die Ausſprache. Die Verſammlung hat von der Mitteilung des Magiſtrats Kenntnis genommen. Punkt 14 der Tagesordnung: Anfrage der Stadtv. Dr Crüger und Gen. betr. Arbeitsgemeinſchaft der Sparkaſſe mit Lebensver⸗ ſicherungsgeſellſchaften. Druckſache 45. Die Anfrage lautet: Auf dem deutſchen Sparkaſſentag, der in Charlottenburg am 6. Dezember ſtattfand, iſt den Sparkaſſen dringend der Abſchluß einer Arbeitsgemeinſchaft mit den öffentlichen Le⸗ bensverſicherungsanſtalten empfohlen. Gedenkt der Magiſtrat, für die Sparkaſſe der Stadt Charlottenburg eine ſolche Arbeits⸗ gemeinſchaft mit einer öffentlichen Lebensver⸗ ſicherungsanſtalt abzuſchließen? Frageſteller Stadtv. Dr Crüger: Meine Herren! Die Anfrage, die die liberale Fraktion hier an den Magiſtrat gerichtet hat, iſt vielleicht nicht ſo ganz einfacher Natur. Ich verſpreche Ihnen aber, daß ich nicht allzu gründlich auf die Einzelheiten eingehen, ſondern nur die Fragen berühren will, die unter allen Umſtänden in den Bereich der Erörterungen gezogen werden müſſen, um überhaupt die Anfrage zu ver⸗ ſtehen. Meine Herren, wer von Ihnen die Verhand⸗ lungen in den Parlamenten in der letzten Zeit ver⸗ folgt hat, wird daraus — oder auch möglicherweiſe aus der Zeitungslektüre — wiſſen, daß zwiſchen den privaten Lebensverſicherungsgeſellſchaften und den öffentlichrechtlichen Verſicherungsanſtalten eine außer⸗ ordentlich hitzige und lebhafte Fehde beſteht. Das iſt ſehr bedauerlich. und dieſem Bedauern hier Ausdruck zu geben, halte ich mich für verpflichtet. Es iſt das namentlich bedauerlich, weil bei dieſem Kampfe gegen die privaten Lebensverſicherungsgeſellſchaften, alſo gegen Unternehmungen, denen meines Erachtens die Bevölkerung Deutſchlands zum größten Danke ver⸗ pflichtet iſt, weil ſie ſich in geradezu glänzender Weiſe bewährt haben, ſehr lebhafte und ſehr unbegründete Angriffe gerichtet werden. (Sehr richtig!) Dieſer Kampf zwiſchen den öffentlichrechtlichen Lebensverſicherungsanſtalten und den privaten Lebensverſicherungsgeſellſchaften wird dadurch eigen⸗ artig charakteriſiert, daß ſich dabei die privatwirt⸗ ſchaftliche und die öffentlichrechtliche Grundlage des Betriebes gegenüberſtehen. Man ſucht ſeitens der öffentlichrechtlichen Verſicherungsanſtalt den An⸗ ſchein zu erwecken, als wenn die öffentlichrechtlichen Unternehmungen — die man nach meinem Dafür⸗ halten ganz gut als ſolche agrariſch⸗ſtaatsſozialiſti⸗ ſcher Natur bezeichnen kann — höher im ſittlichen oder erzieheriſchen ſowie allgemeinen Werte ſtehen als die privatwirtſchaftlichen. Meine Herren, in dieſem Kampf zwi⸗ ſchen den öffentlichrechtlichen Ver⸗ ſicherungsanſtalten und den privaten Lebensverſicherungsanſtalten hat der Sparkaſſentag Partei genommen; er hat einen Beſchluß gefaßt, durch den die Sparkaſſen für die öffentlichrechtlichen Verſicherungsanſtalten Sitzung vom 11. Mürz 1914 mobil gemacht werden. Wie iſt es dazu gekommen, wie haben ſich die Dinge nach der Richtung hin ent⸗ wickeln können? Das laſſen Sie mich mun hier in Kürze ausführen. Meine Herren, die öffentlichrechtlichen Lebens⸗ Verſicherungsanſtalten ſind neueren Datums; ſie haben ihren Urſprung in Oſtpreußen und haben ſich gewiſſermaßen aus der landwirtſchaftlichen Ent⸗ ſchuldunsaktion entwickelt. Die Entſchul⸗ dungsaktion in der Verbindung mit der öffent⸗ lichrechtlichen Lebensverſicherung iſt wohl als ge⸗ ſcheitert zu betrachten. Die öffentlichrechtliche Le⸗ bensverſicherung, die urſprünglich rein ländlich gedacht war, ſuchte dann auf die ſtäd t i⸗ ſchen Gebiete hinüberzugreifen, hatte hierbei aber auch kein großes Glück, und die Sache drohte mehr und mehr im Sande zu verlaufen. Danauf ging der an der Spitze der Bewegung ſtehende außerordent⸗ lich rührige oſtpreußiſche Generallandſchaftsdirektor Kapp weiter nach dem Weſten vor und gründete in den übrigen Provinzen ebenfalls öffentlichrechtliche Lebensverſicherungsanſtalten, die dann zu dem Ver⸗ band der öffentlichrechtlichen Lebensverſicherungs⸗ anſtalten zuſammengeſchloſſen wurden, der auch gleich⸗ zeitig eine Art Rückverſicherung bildet. Aber auch di e Geſchichte ging nicht recht. Da wurde von den freien Gewerkſchaften in Verbindung mit dem Zentralverband deutſcher Konſumvereine die „Volksfürſorge“ ins Leben gerufen. Infolge der Verbindung der Volksfürſorge mit dieſen beiden Organiſationen wurde dieſe Gründung als eine ſolche ſozialdemokratiſcher Natur abgeſtempelt; ſie kam an⸗ ſcheinend dem Generallandſchaftsdirektor Kapp außer⸗ ordentlich gelegen, denn er ſuchte jetzt die öffentlich⸗ rechtlichen Geſellſchaften zur Gründung einer natio⸗ nalen Volksfürſorge auf öffentlichrechtlicher Grund⸗ lage mobil zu machen. Auf dieſe Weiſe ſollte dem Unternehmen eine breite Grundlage gegeben werden, es ſollte volkstümlich werden. Meine Herren, ich kann das alles hier natürlich nur berühren. Es iſt eine ſehr intereſſante Entwickelung. — In dieſen nationalen Volksfürſorgebeſtrebungen gerieten die Oeffentlichrechtlichen mit den Priwvaten aneinander, nachdem ein Verſuch, ſich zu vereinigen, geſcheitert war. Die privaten Verſicherungsgeſellſchaften grün⸗ deten eine gemeinnützige Volksfürſorge als Aktien⸗ geſellſchaft — die öffentlichrechtlichen Verſicherungs⸗ anſtalten organiſterten die Volksfürſorge unter ſich auf ihre Art. Meine Herren, dieſe „Volksfürſorge“ kann nur proſperieren, wenn ſie zu den Organiſationen in un⸗ mittelbaren Beziehungen ſteht, die in den weiten Kreiſen der arbeitenden Bevölkerung unmittelbar wurzelt. Die von dem Zentralverband deutſcher Konſumvereine und den freien Gewerkſchaften ins Leben gerufene „Volksfürſorge“ hat in dieſen Organiſationen ihren Stützpunkt, holt aus denſelben ihre Kräfte, und wie die Entwicklung zeigt, geſtalten ſich die Verhältniſſe bei dieſer Volksfürſorge außer⸗ ordentlich günſtig — was kaum weiter überraſchen kann. Die von den privaten Verſicherungsgeſell⸗ ſchaften ins Leben gerufene „Volksfürſorge“ ſuchte an die er , Gewerkſchaften und an einen Verband chriſtlicher Konſumvereine Anſchluß und hat hier auch Fühlung genommen. Sie hat in dieſen Organiſa⸗ tionen die Kräfte, die ſie für Agitationszwecke, — als billigen Agenten der Volksfürſorge, — braucht. Nun ſtand die von den öffentlichrechtlichen Verſiche⸗ rungsanſtalten ins Leben gerufene Volksfürſorge vor einem — Nichts. Sie hatte ihre Felle fort⸗