Sitzung vom 8. April 1914 Stadtv. Jaſtrow: Obgleich Herr Kollege Berg⸗ mann ſchon darüber geſprochen hat, muß ich doch mit einigen Worten noch darauf zurückkommen, daß wir uns im vorigen Jahre — es hat ſich noch nicht ge⸗ jährt — ausgiebig über dieſe Angelegenheit unter⸗ halten haben und daß damals eine große Bewegung in der Frauenbevölkerung Charlottenburgs im Oſten gegen die Aufhebung des Marktes ſtattgefunden hat. Damals hat die Stadtverordnetenverſammlung den Wünſchen des Magiſtrats nicht entſprochen, wir haben die Vorlage abgelehnt. Ich ſollte meinen, daß, wenn das kaum ein Jahr her iſt, wirklich nicht die Be⸗ rechtigung zu einer neuen Vorlage vorliegt — ich will nicht ſagen: die Berechtigung, denn die iſt vorhanden, aber ich hätte es für richtiger gehalten, wenn der Magiſtrat ſeitdem nicht ſchon zum zweiten Male an uns herangetreten wäre, einmal ſtark indirekt und jetzt etwas direkter, um dieſen Markt aufzuheben: in⸗ direkt beim Etat, wo die Einnahme glatt heraus⸗ gelaſſen war, jetzt etwas direkter, wenn auch nicht ganz direkt. Wenn es ganz offen geweſen wäre, dann würden wir doch in der Frauenbevölkerung Char⸗ lottenburgs hier im Oſten genau dieſelbe Bewegung gehabt haben wie damals, denn Sie glauben doch wohl alle nicht, meine Herren, daß ſämtliche Frauen Charlottenburgs hierin anderer Anſicht geworden ſind. Die Frauen ſind auch nicht gewohnt, in ſolchen Fällen zu ſchweigen, (Heiterkeit) was ſie ja überhaupt nicht zu tun pflegen. Der eigentliche Zweck der Vorlage muß daher ſo verſteckt ſein, daß man in der Oeffentlichkeit bisher noch gar nicht herausgefunden hat, daß wieder der Verſuch gemacht werden ſoll, den Markt aufzuheben. Es wird uns eine Vorlage über die Ausſtattung des Wittenbergplatzes gemacht, ohne daß ſich der Magiſtrat verſichert hat, ob die Stadtverordneten⸗ verſammlung, die vor kaum einem Jahre dies abge⸗ lehnt hat, gewillt iſt, den Markt tatſächlich aufzu⸗ heben. Ich finde dieſen Vorgang nicht ganz richtig. Nun ſtehe ich ſelbſtverſtändlich noch auf demſelben Standpunkt, den ich damals eingenommen habe, und Herr Kollege Dunck war wirklich nicht imſtande, mir eine andere Ueberzeugung beizubringen. Die Angſt vor der Auswanderung aus dem Oſten Charlotten⸗ burgs iſt doch wirklich nicht angebracht. Wenn Herr Dunck in ein Aktenſtück geſehen hat, wonach eine ganze Anzahl Leute aus der Gegend des Wittenberg⸗ platzes verzogen ſind, ſo bin ich doch ganz anderer Anſicht. Ich glaube, daß ein Markt in einer Gegend Bevölkerung heranzieht. Es gibt eine ganze Menge Familien, wo die Frauen ſich ſagen: wenn in der Nähe ein Markt iſt, dann ziehen wir hin; (Stadtv. Bergmann: Sehr richtig!) das iſt eine Gelegenheit, um die notwendigſten Lebensmittel billiger einzukaufen. Ich bin auch nicht der Anſicht, daß die Straßen, die um den Wittenbergplatz herumliegen, und die Häuſer, die dort ſtehen, durch den Markt minder⸗ g geworden ſind. Das hat ganz andere Gründe, auf die ich jetzt nicht eingehen möchte. Dann der Haupteinwand: die Verkehrsverhält⸗ 1.— 1 4 m 1441 7 1 agen in der Woche, und zwar hauptſächlich währe zwei Stunden, wir wollen ſagen: von 12 bis 2: denn 149 des Morgens werden nicht viele Leute durch die An⸗ fahrt der Wagen geſtört. Sonſt ſpielt ſich der Markt⸗ verkehr ziemlich ruhig ab. Ich habe 15 Jahre in der Gegend gewohnt und kenne die Sache genau. Ich muß ſagen, daß eine eigentliche Störung in den Vormittagsſtunden nicht ſtattfindet. Die Vorteile, die der Markt bringt, wiegen dieſe kurze Störung auf. Weshalb hat ſich denn der Magiſtrat noch nicht geſtört gefühlt durch den enormen Verkehr in der Tauentzienſtraße, der jeden Nachmittag auf der einen Seite vor ſich geht und der wirklich viel ſtörender iſt, einmal durch das Drängen, das dort ſtattfindet, und dann durch die ganze Art des Verkehrs! Ich glaube, daß dieſe Art des Verkehrs für eine große Anzahl anſtändiger Einwohner in der Gegend viel ſtörender iſt als der Marktverkehr am Wittenbergplatz. Ich bin aber nicht der Anſicht, daß deswegen die Polizei dort einſchreiten ſoll, wie das Herr Kollege Borchardt für den Marktverkehr eben vorgeſchlagen hat; er meinte, (Stadtv. Bergmann: Sehr gut!) daß man die Polizei darauf aufmerkſam machen müſſe, damit ſie einſchreite. Es hat mich beſonders gewundert, daß Kollege Borchardt gerade dieſen Wunſch hier ausgeſprochen hat. (Hört! hört!) Dann iſt es Tatſache, daß man auf dem Markt entſchieden billiger einkauft. Den Verſuch können Sie ſelber jederzeit machen. Kaufen Sie nur an irgendeiner Stelle ein Quantum Lebensmittel ein und gehen Sie dann auf den Markt und kaufen Sie dasſelbe Quantum ein: Sie werden den Preisunter⸗ ſchied ſofort herausfinden. Ich wiederhole das, was ich ſeinerzeit ſchon geſagt habe, daß wir nicht berechtigt ſind, noch dazu in ſolchen Zeiten, die Bevölkerung Charlottenburgs in dieſer Weiſe zu beſteuern. Jetzt wird geſagt: wir haben ja das Geld dazu, warum ſollen wir es nicht machen? Wir haben 160 000 ℳ von der Untergrundbahn, und dann haben wir noch 50 000 ℳ ſonſt zur Verfügung, und da wir das Geld einmal haben, ſollen wir es auch verbrauchen. Meine Herren, müſſen wir denn alles immer gleich verpulvern, wenn wir zufällig einmal Geld haben? Wenn wir 50 000 ℳ in Reſerve halten, wird ſich ſchon eine Gelegenheit finden, dieſe 50 000 ℳ für ſolche Zwecke aufzuwenden, für die ſie aufgewandt werden müſſen. Vorläufig — das ſage ich im Gegenſatz zu Herrn Borchardt — gehört der Wochenmarkt dorthin, (Rufe: Nein!) „ſſolange wir nicht einen anderen Platz haben, auf den wir ihn hinbringen können. Es iſt nicht unſere Sache, darüber nachzudenken, wo ſonſt noch ein ge⸗ eigneter Platz vorhanden iſt. Aus allen dieſen Gründen bin ich dafür, daß wir den Markt beibehalten. Ich ſtimme auch dem Vorſchlage zu, daß wir einen Ausſchuß einſetzen. (Ein Antrag des Stadtv. Bollmann auf Schluß der Beratung wird genügend unterſtützt, aber in der Abſtimmung abgelehnt.) Stadtv. Granitza: Meine Herren! Nachdem der Wittenbergplatz in einer Weiſe ausgeſtaltet worden