Sitzung vom Gewohnheiten in verſchiedenen Gegenden des Rei⸗ ches unbedingt Rückſicht nehmen müſſen. Der Ausſchuß iſt der Anſicht, daß eine rein ſchematiſche Behandlung dieſer Angelegenheit über⸗ haupt nicht das Richtige treffen kann. Meine Herren, die Regierungsvorlage hat dem auch Rechnung ge⸗ tragen, ſie hat nämlich drei Stunden als das Nor⸗ male vorgeſehen, hat es aber den örtlichen Behörden anheimgegeben, durch Ortsſtatut zu beſtimmen, ob dieſe Arbeitszeit zu verkürzen oder bis auf vier Stunden zu erhöhen ſei. Die Regierungsvorlage ſieht ferner vor, daß eine völlige Arbeitsruhe an⸗ geordnet werden kann, wenn dadurch einzelne Ge⸗ werbe nicht empfindlich geſchädigt werden. Alſo, meine Herren, der Ausſchuß konnte ſich den erſten Ausführungen der Petition im weſentlichen an⸗ ſchließen. Wenn nun aber die Petition in ihrem zweiten Teile — und wie ich ſchon bemerkt hale, iſt das der Kernpunkt der ganzen Sache wünſcht, daß die ſtädtiſchen Körperſchaften Beſchlüſſe faſſen, welche eine völlige Sonntagsruhe einheitlich für das ganze Reich verlangen, ſo konnte der Ausſchuß ihr hierin nicht folgen. Er hat es ablehnen müſſen, ſich mit dieſer Frage überhaupt eingehender zu beſchäftigen, und zwar gerade aus den Gründen, aus welchen er die Differenzierung der Städte in einer beſtimmten Weiſe nach der Einwohnerzahl nicht billigen kann. Wer, wie der Ausſchuß, auf dem Standpunkt ſteht, daß in den einzelnen Städten die Bemeſſung der Ar⸗ beitsruhe im Handelsgewerbe nach den jeweiligen örtlichen und wirtſchaftlichen Verhältniſſen zu be⸗ urteilen und zu beſtimmen ſei, der wird auch der Anſicht ſein müſſen, daß gerade deswegen eine ein⸗ zelne ſtädtiſche Körperſchaft, welche immer es auch ſein mag, nicht die richtige Stelle iſt, um über eine einheitliche Regelung dieſer Materie für das ganze Gebiet des Deutſchen Reiches Beſchlüſſe zu faſſen. Meine Herren, der Ausſchuß hat Ihnen aus dieſem Grunde Uebergang zur Tagesordnung emp⸗ fohlen, und ich bitte Sie, ſo zu beſchließen. Vorſteher Dr Frentzel: Meine Herren! Ich möchte bemerken, daß zu dieſer Petition II ein An⸗ trag eingegangen iſt, der folgendermaßen lautet: Petition II beantragen wir dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen. Unterzeichnet iſt dieſer Antrag von den Herren Kollegen Ahrens, Bade, Dr Borchardt, Gebert, Hirſch, Klick uſw. Vielleicht nehmen die folgenden Herren Redner bereits auf dieſen Antrag Bezug. Stadtv. Bollmann: Meine Herren! Die vorlie⸗ gende Petition, die von der Sozialen Arbeitsac⸗ meinſchaft der Kaufmänniſchen Verbände, der über 300 000 Mitglieder und darunter 45000 Selbſtändige angehören, eingereicht worden iſt, behandelt eine An⸗ gelegenheit von großer Bedeutung, ſowohl für die Angeſtellten wie auch für die Geſchäftsinhaber ſelbſt. Die große Mehrheit meiner Fraktion iſt der Anſicht, daß auch der Magiſtrat die Petition noch eingehend zu prüfen hat; ſie wird deshalb nicht für den Antrag des Petitionsausſchuſſes auf Uebergang zur Tages⸗ ordnung ſtimmen. Ohne daß wir für oder gegen die Wünſche der Petenten Stellung nehmen wollen, bin ich beauftragt, zu beantragen, die Pe⸗ tition dem Magiſtrat als Material zu über⸗ 8. April 1914 153 Stadtv. Gebert: Meine Herren! Ich muß meinem Befremden darüber Ausdruck geben, daß der Petitionsausſchuß beſchloſſen hat, bei einer derartigen Petition einen Antrag auf Uebergang zur Tages⸗ ordnung zu ſtellen. Die Frage der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe iſt uralt, und es hat ſich heraus⸗ geſtellt, daß die bis jetzt beſtehenden ge⸗ ſetziichen Vorfchriften èein tolles Tohuwabohn darſtellten. Es erſcheint daher außerordentlich notwendig, daß endlich einmal dieſe unglückſeligen Geſetzesbeſtimmungen, wie ganz deutlich geſagt werden muß, im Intereſſe der ge⸗ ſamten Bevölkerung beſeitigt werden. Die Soziale Arbeitsgemeinſchaft der Kaufmän⸗ niſchen Verbände, die ſich doch auch aus einer großen Anzahl von Unternehmern zuſammenſetzt, hat in ihrer Petition zum Ausdruck gebracht, daß ſie das, was die Kommiſſion jetzt im Reichstage beraten reſp. beſchloſſen hat, nur als ein Flickwerk an⸗ ſehen könne. Sie ſteht auch auf dem Stand⸗ punkt, daß dieſes Flickwerk tatſächlich weiter nichts als eine vollſtändige Durchlöcherung der jetzt beſtehenden Sonntagsruhe bedeutet. Und, meine Herren, dem iſt auch ſo. Wenn wir uns einmal die einzelnen Paragraphen der Geſetzesvor⸗ lage anſehen, dann werden wir finden, daß die jetzt beſtehenden Beſtimmungen ohne weiteres noch mehr umgangen werden können und daß es den Gegnern der Sonntagsruhe wohl angenehm ſein wird, wenn die Vorlage ſo, wie ſie bisher geſtaltet worden iſt, Geſetz werden wird. Dagegen müſſen ſich auch die Städte ohne weiteres ſträuben, und ich ſtehe auf dem Standpunkt, daß wir über eine ſo außerordentlich wichtige Frage nicht einfach zur Tagesordnung über⸗ gehen können, ſondern daß wir den Magiſtrat er⸗ ſuchen müſſen, das hier vorgelegte Material zu ver⸗ arbeiten. Meine Herren, wie weit heute bereits die völlige Sonntagsruhe vorgedrungen iſt und wie ſie beurteilt wird, zeigen uns die Aeußerungen der Handels⸗ kammern verſchiedener großer Städte. Wir haben bis jetzt 31 Großſtädte in Deutſchland, in denen die völlige Sonntagsruhe durchgeführt iſt. Ich will Ihnen nur aus einzelnen Großſtädten bekannt⸗ geben, wie die betreffenden Handelskammern dar⸗ über urteilen. In Nürnberg erklärt die Han⸗ delskammer: die völlige Sonntagsruhe hat ſich ſo eingebürgert, daß alle beteiligten Kreiſe ihr Fortbeſtehen wün ſchen. In Stuttgart erklärt die Han⸗ delskammer: es ſind keine Klagen über geſchäftliche Schüdigungen und über den Rückgang der Einnahmen laut geworden. Aus Frankfurt a. M. heißt es: die Durchführung der völligen Sonn⸗ tagsruhe iſt ohne Schwierigkeit ge⸗ lun gen. Dresden ſagt: die Durchfüh⸗ rung der völligen Sonntagsruhe hat keine großen und andauernden Miß⸗ ſt än de zur Folge gehabt; das Publi⸗ kum ſcheint fich im allgemeinen daran zu gewöhnen. Meine Herren, das mn doch Urteile, die man nicht von der Hand weiſen ann. Wenn nun behauptet wird, daß ſich bei einer Sonntagsruhe, wie ſie die Reichstagskommiſſion vor⸗ ſchlägt, eine Abwanderung vollziehen wird, ſo iſt auch das hinfällig. Denn in den Städten von 10 000 Einwohnern haben wir heute ſchon Warenhäuſer,