158 Erſatz der zu allen dieſen Maßnahmen erfor⸗ derlichen Koſten geleiſtet werde. Das Ortsſtatut, das auf Grund dieſes § 15 er⸗ laſſen iſt, ſagt im weſentlichen im § 1: „Bei einer auf Gemeindebeſchluß vorzu⸗ nehmenden Anlegung einer neuen . . .. Straße ſind die Beſitzer der angrenzenden Grundſtücke, ſobald ſie Gebäude an der neuen Straße er⸗ richten, verpflichtet, der Stadtgemeinde die⸗ jenigen Koſten zu erſtatten, welche ihr für die Freilegung, erſte Einrichtung, Pflaſterung und Entwäſſerung der Straße erwachſen.“ Dagegen heißt es im § 9 des Kommunalabga⸗ bengeſetzes vom 14. Juli 1893: „Die Gemeinden können behufs Deckung der Koſten für Herſtellung und Unterhaltung von Veranſtaltungen, welche durch das öffentliche Intereſſe erfordert werden, von denjenigen Grundeigentümern und Gewerbetreibenden, denen hierdurch beſondere wirtſchaftliche Vor⸗ teile erwachſen, Beiträge zu den Koſten der Ver⸗ anſtaltungen erheben. Die Beiträge ſind nach den Vorteilen zu bemeſſen. Der § 9 des Kommunalabgabengeſetzes hat, wie Sie wiſſen, Anwendung gefunden bei der Anlage unſerer Bismarckſtraße. Die Rechtſprechung iſt in der Beziehung vollkommen klar, daß bei Straßen, die vorhanden oder neu ſind, entweder das Flucht⸗ liniengeſetz und das dazugehörige Ortsſtatut oder das Kommunalabgabengeſetz in Kraft treten kann, daß aber nicht etwa das eine teilweiſe und das andere teilweiſe in Frage kommt. Es iſt zu ent⸗ ſcheiden, ob eine vorhandene Straße da war — wohl verſtanden: eine vorhandene, nicht, wie vielfach geſagt wird, eine hiſtoriſche; im Geſetz ſteht nichts von hiſtoriſcher Straße —, oder ob es ſich um eine neue Straße handelt. Das iſt die Frage, um die es ſich tatſächlich dreht. In dem einen Falle iſt die Stadtverwaltung in der Lage, das Kommunalabgabengeſetz zur Grundlage der Erhebung der Gebühr zu machen, im andern Falle das Fluchtliniengeſetz und das dazugehörige Ortsſtatut. Dabei möchte ich bemerken: nach Angabe des Herrn Magiſtratsvertreters im PNetitionsausſchuß tritt die Verjährung für derartige Beiträge nach § 87 des Kommunalabgabengeſetzes bei Erhebung auf Grund des § 15 des Fluchtliniengeſetzes drei Jahre nach Schluß des Jahres, in dem die Forderung ent⸗ ſtanden iſt, bei Erhebung auf Grund des § 9 des Kommunalabgabengeſetzes überhaupt nicht ein. Run denken Sie ſich den Fall, meine Herren, daß der Magiſtrat die Beiträge ähnlich wie bei der Bis⸗ marckſtraße auf Grund des § 9 des Kommunalab⸗ gabengeſetzes als Beiträge zur Verbreiterung einer vor⸗ handenen Straße erheben würde. Das Gericht, die höchſte Inſtanz: das Oberverwaltungsgericht, käme nach vielen Streitigkeiten zu einer endgültigen Ent⸗ ſcheidung, daß es ſich nicht um eine vorhandene Straße handele, ſondern tatſächlich um eine neue Straße. Sollte dieſer Beſchluß erſt nach Ablauf der drei Jahre ergehen, dann würde die Stadtverwal⸗ tung nicht mehr in der Lage ſein, nach dieſem end⸗ gültigen Beſchluß, der nur eine Erhebung von Bei⸗ trägen auf Grund des § 15 des Fluchtliniengeſetzes und des Ortsſtatuts geſtattet, dieſe Erhebung noch vorzunehmen, weil die Verjährung eingetreten wäre. Wir ſind nicht Herren über die Schnelligkeit, mit der die Gerichte ihre Entſcheidung treffen. Daraus folgt alſo, daß, wenn an ſich die Möglichkeit beſteht, Sitzung vom 8. April 1914 das Fluchtliniengeſetz zur Grundlage der Erhebung der Beiträge zu machen, in dieſem Falle zunächſt ſchon aus dieſem Geſichtspunkt heraus die Beiträge in dieſer Form angefordert werden müſſen, alſo An⸗ liegerbeiträge. Die Anliegerbeiträge — das möchte ich dabei auch noch bemerken — werden glattweg nach der laufenden Front für jeden Anlieger gleichwertig bemeſſen. Bei Erhebung der Beiträge auf Grund des § 9 des Kommunalabgabengeſetzes tritt die Be⸗ meſſung je nach dem Vorteil, den der einzelne gehabt hat und hat, ein. Sie werden mir wohl alle darin zuſtimmen, wenn ich ſage, daß, wenn eine ſolche Er⸗ hebung erfolgte, vorausſichtlich die meiſten Anlieger ſich für benachteiligt halten und Prozeſſe anſtrengen würden. In dieſem Falle würde eine große Reihe von Prozeſſen eintreten, wie wir das bei der Bis⸗ marckſtraße erlebt haben. Nun iſt die Sachlage hinſichtlich der Frage: vorhandene Straße oder neue Straße, auf die wir im einzelnen ja nicht eingehen können, doch eine derartige — den Eindruck habe ich aus dem Studium der Akten gewonnen —, daß viele Momente für die eine und viele für die andere Auffaſſung ſprechen; man kann ſich auf den einen und auch auf den andern Standpunkt ſtellen. Weiter haben auch die Ober⸗ verwaltungsgerichte ſo verſchiedenartige Entſchei⸗ dungen darüber getroffen, ob eine Straße als eine vorhandene oder als eine neue Straße zu betrachten wäre, daß man ſelbſt als Juriſt — ich bin es ja nicht — unmöglich im Einzelfalle von vornherein ſagen kann, was vorliegt, eine neue oder eine vor⸗ handene Straße. Namentlich kann man gar nicht wiſſen, wie das Oberverwaltungsgericht ſpäter ent⸗ ſcheiden wird. Dieſes Hin und Her der Recht⸗ ſprechung — ich kann es kaum anders bezeichnen— führt alſo dazu, daß man eben unbedingt abwarten muß, wie ſich die Gerichte zur Sache ſtellen. Meine Herren, Sie werden in der Zeitung eine ganze Reihe von Urteilen geleſen haben, die darauf hinweiſen, daß das Oberverwaltungsgericht entgegen der Auffaſſung des Magiſtrats ſich entſchieden habe. Demgegenüber will ich nur ein Urteil noch zur Ver⸗ leſung bringen, da es ſonſt in der Oeffentlichkeit vielleicht nicht bekannt würde, ein Urteil, das ich auch im Ausſchuß mitgeteilt habe. Das Oberverwaltungs⸗ gericht hat am 31. Januar 1898, Bd. 33 der Ent⸗ ſcheidungen Seite 94, über neue Straßen folgendes geſagt: „ . . Dazu gehören beſtehende Straßen, an denen die Gemeinde noch nichts zur Umwandlung in eine Ortsſtraße getan hat.“ Ein Urteil, das für die heutige Auffaſſung des Magiſtrats ſpricht! Die Petenten haben ſich vor allen Dingen darüber beklagt — und in der Oeffentlichkeit iſt das der geſamten Stadtverwaltung entgegengehalten worden —, daß ihnen die ganze Sache als Ueber⸗ raſchung gekommen wäre. Dazu iſt folgendes zu bemerken. Die Stadtverwaltung iſt an ſich nicht verpflichtet — das wurde uns im Ausſchuß auch näher ausgeführt —, den Anliegern an irgendeiner Straße, die noch nicht vollendet iſt, zu ſagen: ihr müßt einmal dazu Beiträge bezahlen. Es würde zu ganz unvorherzuſehenden Konſequenzen führen, wenn für den Magiſtrat in allen Fällen, wo Ab⸗ gaben oder Gebühren nach einem Geſetz in Betracht kämen, die Verpflichtung beſtände — wenn es nicht im Geſetz ausdrücklich vorgeſehen iſt —, den Be⸗ treffenden eventuell viele Jahre vorher Mitteilung