Sitzung vom 8. April 1914 ſollen. Das iſt gewiß eine ſehr zweifelhafte Frage, wie das ja auch dargelegt worden iſt. Aber, meine Herren, das wollen doch die Anlieger gar nicht entſchie⸗ den haben; es iſt ihnen ja ganz gleichgiltig, ob ſie auf Grund des § 15 des Fluchtliniengeſetzes oder au Grund des § 9 des Kommunalabgabengeſetzes bluten ſollen. Die Anlieger wollen überhaupt keine Anlieger⸗ beiträge bezahlen; ſie ſagen in ihrer Petition, daß ihnen die Forderung vollſtändig überraſchend gekom⸗ men iſt, und Herr Kollege Mosgau macht ſich zum Sprachrohr ihrer Behauptungen und hat eben auch wieder noch erklärt, daß die Forderung ganz über⸗ raſchend aufgetaucht ſei, daß er zwar zugeben müſſe, der Magiſtrat wäre nicht nur berechtigt, ſondern ſo⸗ gar verpflichtet zu ſeinem Vorgehen, aber es ſei den Anliegern doch ganz überraſchend gekommen, ſie hätten gar nichts davon gewußt. Meine Herren, wenn irgendeine Sache klar war, dann war es die, daß die Anlieger in der Hardenberg⸗ ſtraße Anliegerbeiträge zu entrichten haben, und Herr Kollege Ir. Stadthagen hat ſogar mitgeteilt, daß ſich mehrere der jetzigen Anlieger bei der Uebernahme des Grundſtücks in ihren Kaufverträgen das Rückgriffs⸗ recht auf die Vorbeſitzer für die Anliegerbeiträge vor⸗ behalten haben. Ich meine, wenn man unter ſolchen Umſtänden die Behauptung, daß die Anlieger von den Beiträgen überraſcht worden ſeien, als eine der Wahr⸗ heit nicht entſprechende bezeichnet, ſo iſt das eben milde ausgedrückt. Alſo, meine Herren, Herr Kollege Dr Stadt⸗ hagen legt uns dar — und Herr Kollege Mosgau ſtimmt ihm bei, daß der Magiſtrat zu ſeinem Vor⸗ gehen berechtigt ſei, daß Anliegerbeiträge bezahlt wer⸗ den müßten und daß durch die Gerichte wird ent⸗ ſchieden werden, ob ſie auf Grund des § 15 des Flucht⸗ liniengeſetzes oder auf Grund des § 9 des Kommu⸗ nalabgabengeſetzes zu bezahlen ſind. Nichtsdeſto⸗ weniger ſchlagen beide Körperſchaften, die liberale Fraktion und der Ausſchuß, eine Petition zur Be⸗ rückſichtigung vor, die von der Vorausſetzung ausgeht, daß Anliegerbeiträge überhaupt nicht zu bezahlen ſind, Anliegerbeiträge in dieſem Falle zu bezahlen, ſei un⸗ gerecht. (Lebhafte Rufe: Stundung!) Vorſteher Dr Frentzel (unterbrechend): Meine Herren! Ich bitte, die Zwiſchenrufe zu mäßigen und ſie in ihrer Intenſität nicht überhand nehmen zu laſſen. Stadtv. Dr. Borchardt (fortfahrend): Die Petition geht von der Vorausſetzung aus, daß überhaupt keine Anliegerbeiträge zu bezahlen ſind, und deshalb ver⸗ langt ſie die Stundung bis zur Klärung des Rechts⸗ ſtandpunkres. Ja, welches Rechtsſtandpunktes? Des Rechtsſtandpunktes, ob § 15 des einen oder § 9 des andern Geſetzes maßgebend ſein ſoll, oder des Rechts⸗ ſtandpunktes, von dem die Petition ausgeht, daß An⸗ liegerbeiträge überhaupt nicht erhoben werden ſollen? Meine Herren, wenn Sie dieſe Petition zur Be⸗ rückſichtigung überweiſen, dann ſprechen Sie damit aus, daß Sie den Anliegern inſoweit entgegenkommen wollen, als Sie die Frage, ob Anliegerbeiträge über⸗ haupt zu erheben ſind, für zweifelhaft, für eine der Nachprüfung jetzt noch bedürftige halten. Das halte ich für außerordentlich bedenklich. Weder der Peti⸗ tionsausſchuß noch Herr Kollege Mosgau haben ja einen Zweifel darüber gelaſſen, daß ſie dieſe Frage einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen nicht mehr 161 für notwendig halten, ſondern daß ſie alle auf dem Boden ſtehen, daß Anliegerbeiträge zu erheben ſind. Wenn das aber der Fall iſt, dann dürfen Sie nicht einer Petition nachgeben, die von einem gegenteiligen f] Standpunkt ausgeht. Nun ſagt Herr Kollege Dr Stadthagen, der Pe⸗ titionsausſchuß empfehle die Berückſichtigung; das könnte ſo ſcheinen — es war nicht ganz wörtlich ſo, aber faſt wörtlich —, als ob der Petitionsausſchuß die Petition dem Magiſtrat wirklich zur Berückſich⸗ tigung empfehle. Ja, meine Herren, allerdings könnte das nicht nur ſo ſcheinen, ſondern es muß geradezu ſo ſcheinen. Was ſoll es denn heißen, wenn Sie ſagen: der Petitionsausſchuß empfiehlt eine Pe⸗ tition zur Berückſichtigung; aber das ſoll doch nicht heißen: zur Berückſichtigung. Herr Dr Stadthagen ſagte, es ſolle heißen: zur Berückſichtigung inner⸗ halb der Grenzen des Ortsſtatuts, und es ſoll weiter heißen: innerhalb der finanziellen und ſozialen Grundſätze einer verſtändigen Kommunalverwaltung. Ja, ich finde nicht, daß die Berückſichtigung dadurch in irgendeiner Weiſe eingeſchränkt iſt. Innerhalb der geſetzlichen Grenzen kann der Magiſtrat immer nur Wünſche berückſichtigen. Ebenſo wird unſer Ma⸗ giſtrat, wie ich hoffe, auch immer nur innerhalb der finanziellen und ſozialen Grundſätze einer verſtän⸗ digen Kommunalverwaltung die ihm unterbreiteten Wünſche berückſichtigen. Alſo heißt doch, die Petition zur Berückſichtigung zu überweiſen, eben nichts an⸗ deres, als ſie nun eben zur Berückſichtigung zu über⸗ weiſen. (Zuſtimmung und Heiterkeit.) Jede Einſchränkung, die Herr Kollege Dr Stadt⸗ hagen im Namen des Petitionsausſchuſſes machen will, hilft darüber nicht hinweg. Es bleibt dabei: es ſoll hier, wo es ſich um die Anlieger der Harden⸗ bergſtraße handelt, bei einer beſtimmten Schicht von Bürgern, hier von Hausbeſitzern, eine andere Be⸗ handlung eintreten als in allen anderen Fällen. Meine Herren, auch meine Freunde ſind durch⸗ aus damit einverſtanden, daß der Magiſtrat in je⸗ dem einzelnen Falle, in dem ein zu Steuerleiſtun⸗ gen Verpflichteter an ihn herantritt und ſeine Bitte durch Tatſachen begründet, eine Stundung der Steu⸗ ern bewilligen möge; meine Freunde ſind in jedem einzelnen Falle gerade in Zeiten ſchlechter wirtſchaft⸗ licher Konjunktur, gerade in den Zeiten der Arbeits⸗ loſigkeit, die wir kaum hinter uns haben, ganz gewiß damit einverſtanden, und meine Freunde wollen in keiner Weiſe, daß etwa einem Hausbeſitzer gegen⸗ über rigoroſer verfahren wird als einem Arbeiter gegenüber, der um Stundung ſeiner Steuern ein⸗ kommt. (Zuruf des Stadtv. Granitza.) — Herr Kollege Granitza, ich glaube, daß das Ein⸗ kommen an Steuern, das die Arbeiter aufbringen, nicht ganz unerheblich iſt. — Jedenfalls wünſchen meine Freunde, daß im einzelnen Falle gegen die Haus⸗ beſitzer nicht rigoroſer verfahren wird wie gegen den Arbeiter. Aber meine Freunde können ſich nicht da⸗ mit einverſtanden erklären, daß gegen einen Hausbe⸗ ſitzer lediglich aus der Tatſache heraus, daß er Haus⸗ beſitzer in der Hardenbergſtraße iſt, nun ſehr viel milder verfahren werden ſoll wie gegen jeden an⸗ deren einfachen Bürger und Arbeiter. Das ver⸗