Sitzung vom 8. April 1914 nahme unglaublich finde, wird uns nicht abhalten, bei dieſer Auſſaſſung zu beharren. (Sehr richtig!) Der Magiſtrat wird das Recht auf dem Wege ſuchen, den er für richtig hält und der allein ſeiner Kompetenz unterſteht. Die Bürger werden ſich dieſem Rechtsweg fügen haben. Innerhalb der Grenzen dieſes Rechtsweges bitten wir aber den Magiſtrat, die Steuerzahler Charlottenburgs kulant zu behandeln. Das habe ich geſagt und nicht mehr. (Beifall.) Stadtv. Granitza: Meine Herren! Ich könnte mir eigentlich nach den Ausführungen des Herrn Mosgau die Worte erſparen, (Sehr richtig!) wenn nicht von Herrn Dr Borchardt ganz unerhörte Ausfälle gegen die Hausbeſitzer gerichtet worden wären, gegen eine Bevölkerungsklaſſe, die bei weitem mehr als die Hälfte aller Steuern in Charlottenburg aufbringt. (Lachen. — Zuruf des Stadtv. Hirſch: Wodurch denn?!) — Sie bringen mehr als die Hälfte der Steuern auf. (Lachen und Unruhe.) Herr Dr Borchardt will das gleiche Mitgefühl wie mit den Hausbeſitzern auch mit den Arbeitern und den ar⸗ beitenden Klaſſen haben. Ich glaube, daß Char⸗ lottenburg ein Eldorado des Mitgefühls für die Bürger iſt. Die Leute ſtrömen hierher, um gerade Fir die Wohltaten einer ganz gewaltigen ſozialen ürſorge auf Koſten der zahlenden Bevölkerung zu genießen. (Unruhe.) Meine Herren, wer keine Steuern zahlt, für den iſt es ja gleichgültig; er kann auf die anderen ſchimpfen und verlangen, daß ſie noch viel, viel mehr zahlen. (Unruhe.) Der Standpunkt der Hausbefitzer iſt gar nicht der: wir wollen überhaupt keine Anliegerbeiträge bezahlen. Daran denken die Hausbeſitzer in ihrer großen Maſſe garnicht. Wenn ſich hin und wieder einer damit chmeichelt, ſo gibt es überall Leute, die nicht infor⸗ miert ſind. So gut wie Herr Dr Borchardt ſind ſie nicht informiert, daß ſie alles vorherſehen können, ob Anliegerbeiträge zu zahlen ſind oder nicht. Alle Leute ſind nicht ſo ſchlau. (Stadtv. Hirſch: Das merkt man! — Heiterkeit.) Viele haben verabſäumt, ſich darüber zu informieren. Dieſen Leuten iſt es natürlich überraſchend gekommen, daß ſie mit einem Male eine erhebliche Summe An⸗ liegerbeiträge zahlen ſollen. Nun will der Petitionsausſchuß gar nichts an⸗ deres, als zur Berückſichtigung überweiſen. Herr Ur 163 Borchardt legt dieſes Wort ſo aus, daß er ſagt: zur Ane überweiſen heißt die Petition er⸗ en. (Zuſtimmung.) Meine Herren, ich glaube, kein Menſch wird, wenn ich ſage: ich werde das berückſichtigen „ von mir verlan⸗ gen, ich ſoll den Wunſch erfüllen; in dem Worte be⸗ rückſichtigen liegt: ich werde nach Möglichkeit und unter Wahrung des Rechtsſtandpunktes die Sache be⸗ rückſichtigen, aber nicht erfüllen. (Heiterkeit und Zurufe.) Herr Dr. Borchardt ſagt: die Hausbeſitzer wollen keine Anliegerbeiträge bezahlen, und bei der Ueber⸗ weiſung zur Berückſichtigung könnte der Magiſtrat annehmen, wir wollen die Petition erfüllen. Herr Dr Borchardt iſt ein gewandter Dialektiker; aber wenn man die Sache bei Tageslicht beſieht, ſo waren ſeine Ausführungen mit einem Ring ohne Ende oder mit einer Katze, die ſich in den Schwanz beißt, zu vergleichen. (Große Heiterkeit.) Ich glaube, der erſte Vergleich iſt beſſer. Meine Herren, die Grundbeſitzer der Harden⸗ bergſtraße wollen nichts anderes, als was rechtens iſt. Wir werden uns ſelbſtverſtändlich wie jeder Staatsbürger der Rechtſprechung beugen und beugen müſſen. Die Stadtverordnetenverſammlung iſt aber kein Forum, das Recht zu ſprechen hat, und wenn ſie ſich das anmaßen und Herrn Dr Borchardt folgen wollte, ſo würde ſie gerade das größte Un⸗ recht tun. Das ſoll ſie doch dem ordentlichen Gericht überlaſſen, wie dieſes entſcheidet, ſo wird es geſchehen. Wenn hier nach Herrn Dr Borchardt ohne weiteres geſagt wird: die Anliegerbeiträge werden erhoben, die Häuſer werden ſubhaſtiert, es iſt uns ganz egal, wo ihr bleibt — (Lachen und Zurufe) — ob Sie lachen oder nicht, das iſt mir ganz gleich⸗ gültig —, ſo muß ich demgegenüber darauf hin⸗ weiſen, daß in die Stadtverordnetenverſammlung das ethiſche, das ſittliche, das menſchliche Moment gehört. Dieſes Moment geht dahin: wir wollen die Entrichtung der Anliegerbeiträge ſo ſchonend wie möglich vornehmen, damit nicht Exiſtenzen vernichtet werden. Weiter wollen wir nichts. Dieſes Mitleid wird jeder Hausbeſitzer und, ich glaube, jeder Bürger Charlottenburgs jeder Be⸗ völkerungsklaſſe entgegenbringen. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren! Es iſt mir außerordentlich lieb, die Herren Mosgau und Granitza noch zu einer Erwiderung veranlaßt zu haben; denn die Hausbeſitzer, deren Petition die Herren dem Magiſtrat zur Berückſichtigung über⸗ weiſen wollen, haben nun wenigſtens ganz klar und deutlich gehört — das Publikum iſt zwar ſehr ge⸗ ring, aber die Preſſe wird es hoffentlich in klarer Deutlichkeit bringen —, daß die Herren zwar die Petition dem Magiſtrat zur Berückſichtigung über⸗ weiſen wollen, daß ſie aber wünſchen, daß der Ma⸗ giſtrat die Petition nicht berückſichtige. (Lachen und Widerſpruch.)