Stonng vom 22. April 1914 Nur wenige Damen ſtehen unter dieſer Petition, nicht allzu viele Hausfrauen, aber eine Unmenge weiblicher Angeſtellter. Ich habe allen Reſpekt vor der kommu⸗ nalpolitiſchen Einſicht dieſer Damen, aber ich möchte meine Politik doch nicht nach Agnes, Lieſe und Jette einrichten. Meine Herren, in einer Zuſchrift an mich ſteht, ich ſollte doch die Aeußerungen der Preſſe beachten, denn ich hätte ja abſolut keine Ahnung. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) — „Sehr richtig!“ ſagen Sie? Laſſen Sie mich aus⸗ reden, Herr Kollegel — Von der Preſſe ſchließe ich zunächſt einmal die Käſeblätter aus, (Unruhe) deren Duft durchaus ihrer Bezeichnung würdig iſt. (Unruhe und Zuruf: Welche ſind das?) Aber auch ein bedeutender Teil der großen Preſſe iſt in meinen Augen eine feile Dirne — — (Große Unruhe und lebhafte Rufe: Ohol) — Ein großer Teil der großen Preſſe iſt das in meinen Augen. (Andauernde Unruhe, Rufe: Unerhört! — Stadtr. Erdmannsdörffer: Das geht doch nicht!) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Herr Kollege Granitzal Sie dürfen in unſerer Verſammlung keine beſchimpfenden Angriffe gegen die Preſſe richten! Stadtv. Granitza: Ein großer Teil der Preſſe iſt das. Ich habe keine Veranlaſſung, etwas zurückzu⸗ nehmen oder mich deswegen zur Ordnung rufen zu laſſen. (Andauernde Unruhe.) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Herr Kollege Granitza! Sie müſſen das Wort zurücknehmen, ober ich muß Sie zur Ordnung rufen! (Bravol) Stadtv. Granitza: Meine Herren! Ich nehme das Wort nicht zurück! Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Dann rufe ich Sie, Herr Kollege Granitza, zur Ordnung! (Bravol) Stadtv. Granitza (fortfahrend): Ich weiß, daß ein Teil der Preſſe die öffentliche Meinung fälſcht. Zum Teil — Gott ſei Dank — gibt es auch noch eine anſtändige Preſſe. Nun, meine Herren, ich habe außer dieſer ſo un⸗ erfreulichen äußeren Erſcheinung auch eine Menge trüber Erfahrungen mit unerfreulichen Erſcheinungen im Innern — leider Gottes — machen müſſen. Ver⸗ trauenswerte Herren aus Ihrer Mitte haben mir ver⸗ ſichert: wir lehnen die Vorlage ab, denn wir wiſſen ganz genau, nachher kommt die Polizeibehörde, und dann wird der Markt doch aufgehoben. Wer ſo das 173 köſtliche Gut der Selbſtverwaltung handhabt, der handhabt es, glaube ich, nicht richtig. Wer Deſperado⸗ politik mit derartigen Gedanken treibt, der darf wohl das Vertrauen der Bürgerſchaft nicht für ſich in An⸗ ſpruch nehmen. Meine Herren, ich bin ſo ziemlich am Ende, (Bravo! und Heiterkeit!) denn die techniſchen Gründe, die für die Beſeitigung des Wittenbergplatzes ſprechen — ſie ſind in der Kom⸗ miſſion nachgewieſen worden —, hier zu wiederholen, das hieße Eulen nach Athen tragen. Stadtv. Dr Genzmer: Meine Herren! Ich war halb entſchloſſen, auf das Wort zu verzichten. Zu meinem Bedauern nötigt mich ein Teil der Aus⸗ führungen des Vorredners, davon zurückzukommen. Ich bin der Anſicht, daß es zweckmäßig iſt, ſolche Fragen, die das Wohl und Wehe der Stadt oder eines Teils derſelben betrefffen, in Ruhe zu behandeln und abzuwägen; und ich glaube, daß, je mehr Leiden⸗ ſchaftlichkeit man in die Erörterung trägt, deſto mehr der klare Blick getrübt wird und die Sache Schaden erleidet. Ich ſtehe perſönlich auf dem Standpunkt, daß es wünſchenswert iſt, daß der Wittenbergplatz von dem Markt frei gemacht wird. Meine Gründe dafür ſind zum großen Teil andere als die meines Fraktions⸗ genoſſen, der ſoeben geſprochen hat. Der Verkehr von und zum Untergrundbahnhof Wittenbergplatz — das kann jeder, der in der Woche zweimal Gelegenheit hat, das zu beobachten, jeder, der dort in der Nähe wohnt, feſtſtellen — kollidiert mit dem Markwerkehr überhaupt nicht und wird mit ihm auch nicht kollidieren, wenn er noch zehnmal ſo groß wird, wie er jetzr iſt. Die zweckmäßiae Führung der Wege, die Sie auf der Karte dort hinten kon⸗ trollieren können, hat bewirkt, daß dieſe Kolliſion aus⸗ geſchloſſen iſt. Nach und vom Untergrundbahnhof verkehren nicht Wagen, ſondern Fußgänger; die Zu⸗ gangs⸗ oder Abgangswege vom Untergrundbahnhof ſind hier diagonal ſo gewählt, daß ſie nach den beiden Seiten, der Oſt⸗ und Weſtſeite, nach der Tauentzien⸗ oder der Kleiſtſtraße reſp. nach den Ecken, die dieſe Straßen mit der Bayreuther und der Ansbacher Straße bilden, führen. Inſelförmig liegt auf der Nordhälfte des Wittenbergplatzes der Markt, und der Verkehr auf ihm kollidiert mit den Fußgängern, die zum Untergrundbahnhof gehen oder von ihm heraus⸗ kommmen, überhaupt nicht, Sie müßten denn an⸗ nehmen, daß dieſe Fußgänger gerade zu den paar Häuſern, die auf der Nordſeite des Wittenberaplatzes ſtehen, ihre Schritte hinrichten. Die Zahl derjenigen, die wirklich einmal aus dieſen Häuſern kommen der zu ihnen gehen wollen, iſt ſo gering, daß wir ſie füglich vernachläſſigen dürfen. Trotzdem ich alſo dieſen Grund für die Ab⸗ ſchaffung des Marktes nicht anerkenne, halte ich es doch für wünſchenswert, ihn zu beſeitigen, aus zwei ande⸗ ren Gründen. Erſtens wird der ganze Stadtteil in ſeinem Anſehen gehoben werden, und die Mieter wer⸗ den dort lieber wohnen wollen, wenn, wie es geplant iſt, in Schmuckplatz erſten Ranges geſchaffen wird. Das iſt die Abſicht, das iſt uns geſagt; und es ſtehen auch beträchtliche Mittel dazu zur Verfügung. Ich billige dieſe Abſicht. Es iſt mir aber unbegreiflich und, wie ich glaube, den meiſten unter Ihnen, daß man, wenn man die Abſicht hat, einen Schmuckplat erſten Ranges in einer Gegend zu ſchaffen. die im Begriff ſteht und von der man annimmt, daß ſie ſich