178 das iſt ein abhängiger Mann. Nun, meine Herren, vorurteilslos mag noch hingehen; in gewiſſen Vor⸗ urteilen iſt ja jeder Menſch befangen. (Hört! hört! — Heiterkeit.) — Ja, meine Herren, wollen Sie das beſtreiten, daß in gewiſſen Vorurteilen durch Erziehung, durch den ganzen Bildungsgang jeder einzelne befangen iſt, daß man in 100 Jahren über manches Urteil, das heute abgegeben wird, lächeln wird — — (Zurufe.) Vorſteher⸗Stellv. Dr Hubatſch (unterbrechend): Meine Herren! Ich bitte, die Unterbrechungen zu unterlaſſen; wir kommen ja ſonſt nicht zu Ende! Stadtv. Dr. Borchardt (fortfahrend): — und das dann ſelbſtverſtändlich als Vorurteil angeſehen werden wird? Aber der Vorwurf des nichtſelbſtändi⸗ gen Denkens, des Abhängigſeins — ja, abhängig von wem? vom Magiſtrat etwa, dem zu Liebe diejenigen, die anders ſtimmen, zuſtimmen? — geht doch zu weit; man ſollte ſolche Vorwürfe beſſer unterlaſſen, nament⸗ lich wenn auf der Seite der Befürworter des Wochen⸗ marktes auf dem Wittenbergplatz, nicht gerade hier in der Oeffentlichkeit, aber ſo nebenbei, die Bemerkung fällt: nachdem ſich die Hausfrauen mit ſolcher Verve für den Wochenmarkt einlegen, können wir den Haus⸗ frauen gegenüber gar nicht anders handeln, als ihnen den Willen zu tun. (Große Heiterkeit. — Stadtv. Hirſch: Das ſind die Pantoffelhelden!) Aehnliche Uebertreibungen ſind in der Preſſe ja weiter verbreitet worden; Herr Kollege Dunck als Referent hat ja einen Teil derſelben ſchon auf das richtige Maß zurückgeführt, ſie niedriger gehängt. Ich will es mir erſparen, weiter darauf einzugehen; ich kann nur betonen, daß diejenigen meiner Freunde, die entgegen meiner Anſicht die Magiſtratsvorlage leider ablehnen werden, doch zu den ſelbſtändig denken⸗ den Stadtverordneten gehören. Ich hoffe, daß das auch bei den anderen Herren der Fall ſein wird. (Bravol) Bürgermeiſter Dr. Maier: Meine Herren! Ich will auf die einzelnen Gründe, die für die Magiſtrats⸗ vorlage geltend zu machen ſind, nicht eingehen; dazu iſt ja der Ausſchuß dageweſen, und im Ausſchuß habe ich von dem Rechte, die Magiſtratsvorlage zu ver⸗ treten, ausgiebigen Gebrauch gemacht. Mich veran⸗ laſſen, das Wort zu ergreifen, lediglich die Ausſüh⸗] rungen des Herrn Stadtv. Bergmann, der die Be⸗ hauptung aufgeſtellt hat, daß der Magiſtrat die Vor⸗ lage mit dem Rufe nach der Polizei begründet habe. (Stadtv. Granitza: Hört! hörtl) Meine Herren, dieſe Behauptung iſt in jeder Hinſicht unzutreffend. Ich glaube, es iſt noch niemals ein Gegenſtand ſo außerordentlich entgegenkommend vom Magiſtrat behandelt worden wie dieſer, (Stadtv. Granitza: Sehr wahr! — Große Heiterkeit) Sitzung vom 22. April 1914 und ich kann ſagen, daß, als die Stadtverordneten⸗ verſammlung unſere erſte Vorlage ablehnte, wir in loyaler Weiſe den Herrn Polizeipräſidenten gebeten haben, er möge ſeinerſeits von der Forderung der Be⸗ ſeitigung des Wochenmarktes Abſtand nehmen. Meine Herren, wie loyal wir ſind, geht ſchon dar⸗ aus hervor, daß wir ja den Markt aufheben könnten, ohne überhaupt die Stadtverordnetenverſammlung zu fragen. Die Stadtverordnetenverſammlung iſt, wenn wir uns lediglich nach den geſetzlichen Vorſchriften richten würden, überhaupt gar nicht zu hören; denn über den Ort des Marktes hat nach § 69 der Reichsgewerbe⸗ ordnung die Polizeibehörde im Einvernehmen mit der Stadtgemeinde durch Marktpolizeiverordnung zu be⸗ ſtimmen. (Zuruf: Etatrecht!) — Das Etatrecht der Stadtverordnetenverſammlung kommt gar nicht in Frage. (Zuruf: Die Einnahmen!) — Die Einnahmen können Sie etatiſieren, und wir können, wenn die Einnahmen nicht aufkommen, dafür natürlich keine Gewähr übernehmen. Sie können von dem Magiſtrat, der hier als Ortsobrigkeit, und der Polizeibehörde, die als Hüterin der Verkehrsinter⸗ eſſen handelt, niemals dafür eine Gewähr verlangen, daß eine auf ihrer behördlichen Dispoſition beruhende Einnahmequelle beſtehen bleibt. Sie können die Ein⸗ nahmequelle ruhig etatiſieren, Sie haben aber den Be⸗ hörden gegenüber keinen Anſpruch darauf, daß die Be⸗ hörden bei Ihnen die Zuſtimmung einholen, ob die durch ihre behördliche Anordnung geſchaffene Ein⸗ nahmequelle beſtehen bleiben ſoll oder nicht. Rechtlich unterliegt es gar keinem Zweifel, daß der Magiſtrat allein mit Zuſtimmung der Polizeibehörde den Markt ebenſo aufheben wie er ihn allein in aleicher Weiſe ſchaffen kann. Das werden Ihnen die Herren Juriſten aus der Stadtverordnetenverſammlung auch beſtätigen. Aber, meine Herren, wir haben trotzdem in Rück⸗ ſicht auf die Bedeutung der Sachlage die Stadtverord⸗ netenverſammlung gehört. Wenn dann noch von einem Vertreter der Stadtverordnetenverſammlung die Be⸗ hauptung aufgeſtellt wird, der Magiſtrat ſchreie nach der Polizei, ſo brauche ich, glaube ich, nachdem ich dieſe Tatſachen mitgeteilt habe, in eine Würdigung dieſer Behauptung nicht mehr einzutreten. Ich möchte das beſonders feſtſtellen. Vorſteher⸗Stellv. Dr Hubatſch: Es iſt ein Schluß⸗ antrag eingegangen. Es ſtehen noch 7 Herren auf der Rednerliſte. (Rufe: Die Namen!) — Die Herren Kollegen Erdmannsdörffer, Jaſtrow, Kaufmann, Jolenberg, Mosgau, Vogel und Harniſch. (Der Schlußantrag wird genügend unterſtützt.) Stadtv. Dr Borchardt (zur Geſchäftsordnung): Ich möchte vor der Abſtimmung doch darauf hin⸗ weiſen, daß der eingebrachte Antrag, den ich vorhin ſtreifte, noch nicht begründet iſt. Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Zunächſt hat ſich eine Reihe von Herren dafür entſchloſſen, den