234 gewiſſer Mitglieder der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung als Mitglieder der Schuldeputation nicht mehr erfolgte. Man mag nun über den Rechtsſtandpunkt, wie er damals beſtand, ſo oder ſo denken, jedenfalls be⸗ ſteht heute ein anderer Rechtsſtandpunkt; denn vor wenigen Jahren hat ja die Regierung bei dem Schul⸗ unterhaltungsgeſetz dieſe Materie, die mit der Schul⸗ unterhaltung abſolut gar nichts zu tun hat, von neuem geſetzlich mit geregelt, und der preußiſche Landtag, der ihr in derartigen Beſtrebungen ja immer willig Folge leiſtet, hat ihr denn auch das geſetzliche Recht zuerkannt, die Mitglieder der ſtädtiſchen Schul⸗ deputationen zu beſtätigen. Es kann alſo heute über den gegenwärtigen geſetzlichen Standpunkt keine Frage ſein; nach dem heute geltenden Recht hat die Regierung zweifellos das Recht, ein Mitglied der Schuldeputation zu beſtätigen. Die Beſtätigung iſt nun verſagt worden, und zwar, wie ich auf Anfrage gehört habe, ohne jede An⸗ gabe eines Grundes. Aber man braucht ja nach einem Grunde nicht zu ſuchen, wenn man ſich daran er⸗ innert, daß vor 16 Jahren, als die Frage noch unter dem früher geltenden Recht in Berlin akut wurde, ſeitens des Kultusminiſteriums ein Erlaß heraus⸗ gegeben wurde, in welchem klipp und klar ausge⸗ ſprochen war, daß ſich Mitglieder der ſozialdemo⸗ kratiſchen Partei zu Mitgliedern einer Schuldepu⸗ tation nicht eignen, und daß die Regierungen an⸗ gewieſen werden, Mitgliedern der ſozialdemokra⸗ tiſchen Partei die Beſtätigung zu verſagen. Es iſt denn auch ſeitdem in konſequenter Praxis die Be⸗ ſtätigung verſagt worden, und ſo kann man ohne weiteres annehmen, daß auch im vorliegenden Falle die Regierung die Beſtätigung deswegen verſagt hat, weil es ſich um ein Mitglied der ſozialdemokrati⸗ ſchen Fraktion handelt. Das Beſtreben, die Mitglieder der ſozialdemo⸗ kratiſchen Partei zu Bürgern minderen Rechtes zu machen und ſie lediglich aus der Tatſache ihrer ſozial⸗ demokratiſchen Geſinnung heraus mit einem morali⸗ ſchen Makel zu behaften, iſt ja nicht neu und iſt auch in der letzten Zeit bei der Regierung noch ſtärker her⸗ vorgetreten als in den letztvorhergegangenen Zeiten. Aber, meine Herren, dieſes Beſtreben hat zum min⸗ deſten in dieſem Saale keinen Anklang gefunden. Selbſt diejenigen Mitglieder dieſer Verſammlung, die in den Maßnahmen gegen die ſozialdemokratiſche Partei der Regierung am weiteſten zu folgen gewillt ſind, haben doch durch ihre Stellungnahme gerade auch in der vorliegenden Frage bisher immer bekundet, daß ſie die Mitglieder der ſozialdemokratiſchen Partei nicht für Bürger zweiten Ranges erklären wollen, ſondern daß ſie die ſozialdemokratiſchen Mitglieder der Verſammlung mit den anderen Mitgliedern als durchaus gleichberechtigt anerkennen, und ſie haben das vor wenigen Wochen noch dadurch bekundet, daß ſie, dem Vorſchlage des Wahlausſchuſſes folgend, das vorgeſchlagene Mitalied der ſozialdemokratiſchen Partei einſtimmig wählten. Sie haben damals be⸗ reits, ich will nicht ſagen: gewußt, aber doch mit einem hohen Grade von Wahrſcheinlichkeit vermuten können, daß die Regierung ihren Standpunkt in der Zwiſchenzeit nicht geändert hat und eine Beſtätigung . ſie vielmehr verſagen wird, wie das ja denn auch eingetreten iſt. Nachdem die Beſtäti⸗ gung verſagt war, ſah ſich der Wahlausſchuß vor die Frage geſtellt, nunmehr einen neuen Vorſchlag zu machen. Er konnte entweder denſelben Vorſchlag Sitzung vom 24. Junt 1914 wiederholen — in dieſem Falle gibt das neue Geſetz der Regierung die Handhabe, von ſich aus ein Mit⸗ glied der Schuldeputation zu ernennen —, er konnte auch ein anderes Mitglied der ſozialdemokratiſchen Partei präſentieren, oder aber er konnte ſagen: da bei der Präſentierung eines anderen Mitgliedes der ſozialdemokratiſchen Fraktion die Beſtätigung ſeitens der Regierung verſagt werden wird, ſo wollen wir davon abſehen und ein anderes Mitglied der Ver⸗ ſammlung präſentieren. Der Wahlausſchuß hat dieſen letzteren Weg ge⸗ wählt; er präſentiert nicht ein Mitglied der ſozial⸗ demokratiſchen Fraktion, ſondern den Kollegen Dr. Stadthagen. Meine Freunde ſind aber der Mei⸗ nung, daß dieſer Weg nicht ganz richtig war, ſondern daß angeſichts der Nichtbeſtätigung ſeitens der Re⸗ gierung wiederum ein Mitglied der ſozialdemokrati⸗ ſchen Fraktion gewählt werden ſollte. Freilich kann man ſagen, daß das eine leere Demonſtration ſei; es würde die Beſtätigung wieder verſagt werden, und wenn wir dann wiederum ein Mitglied der ſozial⸗ demokratiſchen Fraktion präſentierten, das dann vielleicht wieder gewählt würde, ſo würde die Be⸗ ſtätigung von neuem verſagt. Die Sache zieht ſich ziemlich lange hin, und innerhalb der ganzen Zeit fehlt in der Schuldeputation ein Mitglied, die Schul⸗ deputation leidet in ihrer Arbeitsfähigkeit. Meine Herren, das iſt ein Argument, deſſen, ich will einmal ſagen, Vernünftigkeit, deſſen Ratio meine Freunde ſich keineswegs völlig verſchließen; aber es fragt ſich eben, ob dieſes Argument, das an ſich ver⸗ nünftig iſt und ſich hören laſſen kann, gegenüber der Betonung des Willens der Regierung, die Mitglieder der ſozialdemokratiſchen Fraktion nicht als gleichbe⸗ rechtigt anzuſehen, ausſchlaggebend ſein muß. Ge⸗ wiß, ſolange es ſich lediglich um eine rein Charlotten⸗ burger Angelegenheit handelt, würde ich Ihnen ſagen: meine Herren, Sie haben ganz Recht, es iſt eine De⸗ monſtration, die zu nichts führt; warum ſollen wir da einige Wochen, vielleicht ein halbes Jahr oder gar ein Jahr lang demonſtrieren und dadurch die ord⸗ nungsmäßige Beſetzung unſerer Schuldeputation hint⸗ anhalten und möglicherweiſe auch die ordnungs⸗ mäßige Erledigung ihrer Geſchäfte etwas verzögern. Gewiß, meine Herren, wenn es ſich nur um Char⸗ lottenburg allein handelte, hätten Sie Recht; aber es handelt ſich hier um eine ganz allgemeine prinzipielle Frage, die in allen anderen großen Städten genau ſo liegt und behandelt werden müßte wie in Char⸗ lottenburg. Meine Herren, wenn Sie wirklich der feſten Meinung ſind, wenn Sie wirklich die Ueberzeugung haben, daß in dem gegenwärtigen Vorgehen der Re⸗ gierung nicht nur ein Unrecht gegen die ſozialdemo⸗ kratiſche Partei, ſondern dadurch auch ein Unrecht gegen die geſamte Bevölkerung liegt, wenn Sie der Meinung ſind, daß dieſe Stellungnahme der Re⸗ gierung erſchüttert und ſie zu einer andern Auffaſſung veranlaßt werden muß, dann kann das doch nur da⸗ durch geſchehen, daß nicht nur eine einzelne Stadt, ſondern ſämtliche großen Städte, ſämtliche liberalen Städte, alle Liberalen in den großen Städten mit großer Einmütigkeit immer und immer wieder er⸗ klären: wir ſtehen auf dem Boden des gleichen Rechts für alle, wir ſind der Meinung, daß die ſozialdemo⸗ kratiſchen Mitbürger nicht Bürger zweiten Grades ſind, wir ſind der Meinung, die ſozialdemokratiſchen Bürger haben genau ſo viel Recht zu verlangen, wie wie alle anderen Mitbürger auch. Wenn eine ſolche ein⸗