Sitzung vom 24. Juni 1914 mütige Kundgebung andauernd gerade aus allen liberalen Kreiſen erfolgt, dann allerdings wird und muß ſich auch der Standpunkt der Regierung in dieſer Sache ändern. Nur dadurch, daß die Libe⸗ ralen in den verſchiedenſten Städten ſtändig zurück⸗ weichen, haben wir ja die geſamten ungeſunden politi⸗ ſchen Verhältniſſe in Preußen, die den Agrariſch⸗ Konſervativen ſo großes Uebergewicht im Lande ſichern. Alſo, meine Herren, um Ihnen Gelegenheit zu geben, das, was an Charlottenburg iſt, mitzutun zu einer ſolchen Einmütigkeit aller liberalen Kreiſe Preußens, deswegen halten wir unſern Einſpruch auf⸗ recht und verlangen, daß der Wahlausſchuß ein Mit⸗ glied unſerer Fraktion präſentiere. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Wir ſelbſt beantragen, den Stadtv. Klick zu wählen. Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Wenn ich im Auftrage meiner Fraktion dem Vorſchlage des Herrn Kollegen Borchardt nicht folge und Ihnen nicht empfehle, den Antrag des Wahlausſchuſſes abzu⸗ lehnen, alſo den von ihm vorgeſchlagenen Herrn Kollegen Klick zu wählen, ſo richten ſich unſere Be⸗ denken nicht gegen die Perſon des Herrn Klick eben⸗ ſowenig wie die des Kollegen Dr Borchardt gegen Herrn Stadthagen. Wir haben rein ſachliche Be⸗ denken, die es uns unmöglich machen, dieſen Weg weiter zu verfolgen. Wir haben das erſtemal, als von den Sozialdemokraten Kollege Borchardt vor⸗ geſchlagen wurde, in vollem Bewußtſein des Ent⸗ ſchluſſes dafür geſtimmt, weil wir zum Ausdruck bringen wollten, daß wir die geſetzlichen Beſtimmun⸗ gen bzw. die Ausführungsanweiſung zum Volks⸗ ſchulunterhaltungsgeſetz mißbilligen, weil wir der Anſicht ſind, daß es ungerecht und auch unzweckmäßig iſt, daß Bürger ihrer politiſchen Ueberzeugung wegen von der Mitverwaltung in der Schuldeputation aus⸗ geſchloſſen werden. Wir haben das zum Ausdruck ge⸗ bracht. Wir ſind aber der Anſicht, daß wir dieſen Weg nicht weiter verfolgen ſollten, weil wir dadurch maen 0 ſelbſt nur Schaden zufügen würden. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Es fehlt Ihnen an Schneid!) Es iſt zwar ſchon einmal von der Stadtverordneten⸗ verſammlung derſelbe Herr zum zweiten Male ge⸗ wählt worden; es war der jetzige Herr Stadtrat Dr. Penzig, den die Regierung nicht beſtätigte. Aber Herr Kollege Dr Borchardt hat mit Recht darauf hingewieſen, daß man ſeinerzeit im Zweifel darüber ſein konnte, ob damals die Aufſichtsbehörde über⸗ haupt das Beſtätigungsrecht hatte. Inzwiſchen iſt aber das Volksſchulunterhaltungsgeſetz in Kraft ge⸗ treten. Wenn Herr Kollege Dr. Borchardt nach den Gründen ſucht, die die Aufſichtsbehörde veranlaßt haben, die Beſtätigung zu verſagen, ſo verweiſe ich ihn auf die abgedruckte Anweiſung des Volksſchulunter⸗ 235 haltungsgeſetzes, in der ausdrücklich geſagt iſt, daß Atheiſten und Sozialdemokraten die Beſtätigung regelmäßig zu verſagen ſei. Wir brauchen alſo nicht nach Gründen zu ſuchen, ſondern dieſe Gründe ſind — ob wir ſie billigen oder nicht — in dem Schul⸗ unterhaltungsgeſetz bzw. in den Ausführungs⸗ anweifungen vom Jahre 1907 ausdrücklich enthalten. Meine Herren, wir mißbilligen dieſe auch des⸗ halb, weil wir glauben, daß es praktiſcher und zweck⸗ mäßiger wäre, wenn die Sozialdemokraten in allen Zweigen der Verwaltung mitarbeiten, und wir be⸗ dauern, daß die geſetzliche Beſtimmung dies hier ver⸗ hindert. Ich könnte ja damit ſchließen und könnte mir die Motive des Kollegen Borchardt zu eigen machen, der ſelbſt geſagt hat, man könnte mit einigem Rechte einwerfen, daß es ſich hier um eine leere Demonſtra⸗ tion handle. Ich will nicht das Wort „leere De⸗ monſtration“ gebrauchen, ſondern möchte ſagen: es iſt eine zweckloſe Demonſtration, die nur geeignet iſt, die Geſchäfte der Schuldeputation aufzuhalten oder zu behindern. Denn ich weiſe darauf hin, daß nach dem Volksſchulunterhaltungsgeſetz die Schuldeputation nicht wie bei den Verwaltungsdeputationen durch ein Drittel der Mitglieder beſchlußfähig iſt, ſondern daß mehr als die Hälfte zugegen ſein muß, wenn Beſchlüſſe gefaßt werden ſollen. Schon aus dieſem Grunde iſt es notwendig, daß die Mitglieder möglichſt voll⸗ zählig gewählt ſind und nicht eine Lücke in der Zahl der Schuldeputationsmitglieder beſteht. Herr Kollege Dr Borchardt gibt zu, daß das ein vernünftiges Argument iſt; er weiſt aber dann darauf hin, daß wir nicht nur für Charlottenburg handeln, ſondern daß wir ein Beiſpiel den Gemeinden Deutſchlands geben ſollten, um dieſen Streit fortzu⸗ führen, und deshalb wieder einen Sozialdemokraten der Regierung präſentieren ſollten. Meine Herren, wenn wir dieſen Weg beſchreiten würden, was wäre die Konſequenz? Wenn dann, was ganz ſicher der Fall ſein wird, die Beſtätigung von der Aufſichts⸗ behörde wieder abgelehnt wird, müßten wir kon⸗ ſequenterweiſe immer wieder einen Sozialdemokraten wählen und müßten es ſchließlich darauf ankommen laſſen, daß uns die Aufſichtsbehörde eine Perſönlich⸗ keit in die Schuldeputation hineinſetzt, die uns nicht behagt. Meine Herren, wir warnen, dieſen Weg zu be⸗ ſchreiten. Es iſt nicht nur eine leere Demonſtration, wenn wir ſo handeln würden, oder eine zweckloſe; aber es beſteht die Gefahr, daß die Geſchäfte der Verwaltung beeinträchtigt werden. Ich bitte Sie daher, dem Antrage des Wahlausſchuſſes zu folgen und das vom Wahlausſchuß vorgeſchlagene Mitglied zu wählen. Vorſteher Dr. Frentzel: Das Wort iſt nicht weiter verlangt. Dann ſchließe ich die öffentliche Sitzung. Wir treten wieder zu einer geheimen Sitzung zuſammen, in der die Wahl zu erfolgen hat. Ich bitte, die Oeffentlichkeit auszuſchließen. (Schluß der öffentlichen Sitzung 7 Uhr 52 Mi⸗ nuten.)