Außerordentliche Sitzung vom 19. Auguſt 1914 Hilfskommiſſionen gewährleiſtet werden kann, zurzeit nicht gemacht werden können. Aber meine Freunde möchten doch noch einmal darauf hinweiſen, daß es uns in Zeiten, wie der gegenwärtigen, als eine drin⸗ gende Aufgabe der öffentlichen Körperſchaften, alſo auch der Kommunen, erſcheint, in möglichſt weit⸗ gehendem Maße Arbeitsgelegenheit zu ſchaffen und für Arbeit zu ſorgen. Wenn auch die allgemeine große Arbeitsloſigkeit dadurch nur zu einem ganz geringen Teile gemildert werden kann, ſo iſt es doch immerhin ſchon etwas, und meine Freunde glauben, daß auch die Mittel für eine ſolche Arbeitsbeſchaffung ſeitens der Kommunen nicht fehlen werden und nicht fehlen dürfen. Meine Freunde erſuchen daher den Magiſtrat, doch in weitgehendſtem Maße alle diejenigen Arbeiten, für die bereits Mittel genehmigt ſind, in Angriff zu nehmen und darüber hinaus Mittel für andere Ar⸗ beiten, die auch notwendig ſind und die ebenfalls in Angriff genommen werden können, anzufordern. Die einzelnen Deputationen können ja in dieſer Richtung nicht gut vorgehen, wenn ſie nicht ein allgemeiner Magiſtratsbeſchluß deckt. In den einzelnen Depu⸗ tationen wird und muß bei der gegenwärtigen Sach⸗ lage auf Sparſamkeit geſehen werden, und daher wer⸗ den in manchen Deputationen, z. B. in der Elektrizi⸗ tätsdeputation, ſchon beſchloſſene Arbeiten zurückgeſtellt, um eben zu ſparen. Meine Freunde erſuchen den Magiſtrat dringend, dieſe Angelegenheit im Auge zu behalten und recht bald eine allgemeine Anweiſung zur weitgehenden Inangriffnahme ſtädtiſcher Arbeiten zu erlaſſen. Stadtv. Dr Liepmann: Meine Herren! Auch meine Freunde begrüßen die Vorlage, die wir ja ſchon in der letzten Sitzung gewünſcht hatten, mit Genug⸗ tuung; aber meine Freunde haben dieſelben Bedenken, die der Herr Redner der liberalen Fraktion hier ge⸗ äußert hat, daß nämlich die Vorlage nicht genügend ausgeſtaltet iſt, um unſeren jetzt mit der Not ringen⸗ den Gewerbetreibenden, deren Verhältniſſe vor der Kriegsnot gut fundiert waren, denen es aber jetzt nicht möglich iſt, ſich Mittel zu beſchaffen, zu helfen. Wir glauben aber auch ferner, daß die Vorlage derartig aus⸗ geſtaltet ſein müßte, daß ſie nicht nur dieſen immerhin widerſtandsfähigeren Kräften aus dem Mittelſtande zu Hilfe kommt, ſondern daß ſie auch, wie der Herr Redner der ſozialdemokratiſchen Fraktion eben geſagt hat, die kleinen Leute, die Leute aus der großen Maſſe berückſichtigt, die im allgemeinen keine Kapitalien und größere geldwerte Beſitztümer, ſondern nur das haben, was man für das tägliche Leben braucht. Deswegen möchte ich nochmals — ich habe es ſchon einmal in der Deputation getan — anregen, ob es nicht richtig wäre, wenn wir dieſe Vorlage ſo ausgeſtalten, daß ſie auch ein Kriegspfandleihamt einführt, oder, wenn das nicht geht, daß wir eine andere Vorlage bekommen, durch welche eine derartige Pfandleihe eingerichtet wird. Meine Herren, nehmen Sie den gewiß nicht ſelten vorkommenden Fall, daß aus einer Arbeiter⸗ familie Mann und Sohn in das Feld hinausrücken. Ihre Sonntagsanzüge bleiben zurück. Die Frau, die hungert, weiß nicht, wovon ſie ſich Geld ſchaffen ſoll, ſie möchte auch nicht der Armenpflege zur Laſt fallen. Wenn ſie die beiden Sonntagsanzüge verpfänden könnte, würde für einige Zeit die Not gebannt ſein. Solche Fälle ſind nun nicht auf Sonntagsanzüge und ähnliches beſchränkt; es gibt auch ſonſtige kleinere Wert⸗ 249 gegenſtände: Uhren, Ketten, Schmuck etc., die ſich im Beſitze der Familie befinden, worauf Geld zu beſchaffen iſt und deren Verpfändung doch immerhin eine gewiſſe Sicherheit bietet, daß das Geld nicht geſchenkweiſe hin⸗ genommen, ſondern als Darlehen zurückgegeben wird. Wir können eventuell eine derartige Anſtalt zuſammen mit den übrigen weſtlichen Vororten errichten, da ich höre, daß in anderen weſtlichen Vororten dahingehende Anträge an die betreffenden Magiſtrate bereits geſtellt ſind. Alles dies können wir in einem Ausſchuß näher erörtern, für den wir deswegen eintreten. Wir möchten nur nochmals bitten, daß dieſer Ausſchuß die Vorlage in recht weitherziger Weiſe ausgeſtaltet; denn, meine Herren, eine große Zeit erfordert große Mittel, und eine ſolche Zeit verlangt auch, daß man über Bedenken, die bei regelmäßigen Zuſtänden ganz gerechtfertigt wären, hinwegſchreitet und in großzügiger Weiſe dort hilft, wo es die Not erheiſcht. Stadtv. Dr. Hubatſch: Auch wir haben die Be⸗ denken, die Herr Kollege Dr Crüger vorhin ſchon geltend gemacht hat; wir werden deshalb mit Freuden für den Ausſchuß ſtimmen. Bürgermeiſter Dr. Maier: Meine Herren! Mit der Einſetzung eines Ausſchuſſes iſt der Magiſtrat natürlich durchaus einverſtanden. Ich möchte aber hier ſchon ganz allgemein zu den Bedenken, die Herr Dr Crüger geäußert hat, folgendes bemerken. Auch der Magiſtrat geht nicht von der Anſicht aus, daß die zu gründende Darlehnskaſſe etwa als ein wer⸗ bendes Unternehmen der Stadt Charlottenburg zu be⸗ trachten ſei, ſondern auch der Magiſtrat iſt der Auf⸗ faſſung, daß es ſich hier um eine Hilfsaktion handelt, die die Stadtgemeinde mit außerordentlichen Riſiken belaſtet. Meine Herren, wir ſind durchaus nicht ſo engherzig geweſen, die zwei Bürgen als die einzige Form der Sicherheitsleiſtung zuzulaſſen, ſondern haben ganz allgemein gerade mit Rückſicht auf die Be⸗ ſonderheit der Zeit und die Schwierigkeit der Beur⸗ teilung der einzelnen Verhältniſſe an die einzuſetzen⸗ den Deputationen bzw. an den einzuſetzenden Ausſchuß die generelle Ermächtigung erteilt, nach ſeinem freien Ermeſſen jede geeignete Sicherheit als Unterpfand für die Kreditgewährung zu nehmen. Ich glaube, Sie können mit noch ſo viel Scharfſinn verſuchen, eine Kaſuiſtik zu ſchaffen, — es wird Ihnen nicht gelingen, alle Verhältniſſe, die das Leben mit ſich bringt, hier ſo zu geſtalten, daß ſie für die Behandlung jedes Kreditfalles die erforderliche Anweiſung geben. Ich glaube, Sie werden auch auf dieſe generelle Klauſel, die ganz allgemein dem Ausſchuß die Möglichkeit gibt, in allen geeigneten Fällen den Kredit zu gewähren, zurückgreifen. Was nun die Höhe des Betriebskapitals von 500 000 M. anbetrifft, ſo möchte ich ausdrücklich feſt⸗ ſtellen, daß wir vom Magiſtrat ein Kapital von 500 000 M. zunächſt für ausreichend erachtet haben; denn der Teil der Kredithilfe, die Herr Stadtw. Dr Crüger erwähnt hat, nämlich die Beleihung von Hypotheken, wird durch die Darlehnskaſſe, die wir hier zu begründen im Begriffe ſtehen, gar nicht betroffen. Die Hypothekenbeleihung iſt Sache der Sparkaſſen, und die Sparkaſſe iſt ſatzungsgemäß befugt, die Mittel, die ſie für dieſen Zweck liquide hat, auch in ent⸗ ſprechender Weiſe zu verwenden, ſo daß die Mittel,